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Digitalisierung, Automation und 3D-Druck verändern auch die Schweißtechnikbranche. Durch die Integration neuer Technologien ergeben sich neue Möglichkeiten, meint Sven Noack, Geschäftsführer der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Nord (SLV Nord)

Was sind die Hot Topics in der maritimen Schweißtechnik? Automation und Digitalisierung machen sicher auch vor Ihrer Branche nicht[ds_preview] Halt…

Sven Noack: Die Schweißtechnik befindet sich im Allgemeinen und im Speziellen auch zu diesem beiden Schlagwörtern in einer stetigen und zum Teil rasanten Entwicklung. Dennoch muss man die Begriffe Automation und Digitalisierung technisch konkretisieren und für sich definieren, um die richtigen (schweißtechnischen) Antworten zu finden.

Zum Thema »Automation« kennen wir die bisherigen Entwicklungen großer und komplexer Roboteranlagen vorrangig aus dem Automobil- und Maschinenbau. Neueste Trends zeigen eine neue Form der Automation mit sogenannten »kollaborierenden Robotern«. Der wesentliche Unterschied hierbei ist, dass sich diese »Leichtbau-Roboter« in jede Art von bestehender (schweißtechnischer) Arbeitsumgebung leicht und zügig integrieren lassen, um u.a. monotone oder wiederholgenaue Aufgaben des bisherigen Handschweißern zu übernehmen. Mit dieser Art von Automation können Produktionsabläufe und Automationsaspekte ganz neu gedacht werden. Eine Chance nicht nur für die Industrie, sondern auch für das Handwerk in der Anwendung und Effizienzsteigerung. Unabhängig dessen werden natürlich Schutzgase, Hilfsstoffe und Unterstützungsprozesse stetig weiterentwickelt.

Unter dem Aspekt Digitalisierung würde im Wesentlichen drei Schwerpunkte sehen: Die Weiterentwicklung und Vernetzung der Schweißstromquellen zum Austausch von Daten, dem Umgang mit Zertifizierungsanforderungen und derer (digitaler) Dokumentation und die sich verändernde Ausbildung von Schweißern und Schweißaufsichtspersonen.

Bei den Schweißstromquellen lässt sich in den letzten Jahren eine immer währende Entwicklung vor allem der Lichtbogenarten im Metallschutzgasschweißen (MSG) erkennen. Jeder Hersteller entwickelt auf die jeweilige Anwendung bezogen – ob etwa Dick- oder Dünnblech, Tiefeneinbrand oder Engspaltschweißen – individuelle Lichtbogenformen, die es den Anwendern (in Zusammenhang mit den Schutzgasen) ermöglicht, ihre Schweißaufgaben unter noch höheren qualitätssichernden Kriterien wirtschaftlich durchzuführen.

Die SLV Nord ist auch im Bereich Zertifizierung und Ausbildung aktiv, was tut sich hier in diesem Zusammenhang?

Noack: Die Bereitstellung und Erfassung von Schweißdaten hat sich mit der fortschreitenden Digitalisierung ebenfalls immens weiter entwickelt. Das sogenannte Schweißdatenmanagement bekommt auch in Zukunft eine noch bedeutendere und transparente Rolle im Zuge der Qualitätssicherung bei der Ausführung von Schweißaufgaben.

Bei den Zertifizierungsanforderungen und den damit verbunden Herausforderungen für Unternehmen lässt sich ein zum Teil immer höher werdender Aufwand feststellen, teils durch normative oder kundenspezifische Anforderungen, teils jedoch auch durch subjektive Wahrnehmung. Hier scheint sich der nicht überraschende Trend zu softwaregestützter, schweißdatenspezifischer Dokumentation fortzuschreiben. Viele Betriebe nutzen aus meiner Sicht noch nicht die bestehenden oder sich entwickelnden Vorzüge der »papierlosen«, digitalen Archivierung. Gern hätten wir auf der anstehenden Tagung hierzu einen Einblick gegeben, den wir aus aktuellem Anlass auf das Jahr 2021 verschieben werden.

Im Bereich der Aus- und Weiterbildung tut sich ebenfalls einiges. Wir stellen bei der Ausbildung von Schweißaufsichtspersonen und auch anderen Zielgruppen fest, dass unsere Teilnehmer immer flexiblere Angebote wahrnehmen wollen. Wir stellen unseren Interessenten daher wenn möglich e-learning-Angebote, wie beispielsweise bei der Ausbildung von Schweißaufsichtspersonen, zur Verfügung. Bei der praktischen Ausbildung von Schweißern setzen wir vermehrt sogenannte »virtuelle Schweißtrainersysteme« ein. Keine Frage, da stehen wir noch ganz am Anfang der Entwicklung, die Integration in die Ausbildung ist die derzeit größte bildungspolitische Herausforderung. Ich glaube, die bisherige klassische Schweißerausbildung wird sich durch die virtuellen Bildungsansätze in den kommenden Jahren deutlich verändern.

Gibt es regulatorische Neuerungen oder Herausforderungen?

Noack: Die (schweiß-)technischen Normen und Regelwerke sind für die Schweißtechnik natürlich verbindlich anzuwenden. Ich nehme wahr, dass in unserer Branche dahingehend vieles umfassend beschrieben hat und wir durch nationale, europäische und internationales Normenregelwerk gut aufgestellt sind. Auch die Vielzahl von Richtlinien und Merkblätter des Deutschen Verbands für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) helfen uns immens bei der Umsetzung unserer schweißtechnischen Herausforderungen. Aktuell ergeben sich sicher wichtige und informelle Aspekte auf die Aktualität – etwa der überarbeiteten Norm DIN EN ISO 14731:2019-07 – Aufgaben und Verantwortung von Schweißaufsichtspersonen oder den aktuellen Neuregelungen im Umgang mit Arbeitsplatzgrenzwerten beim Schweißen.

Additive Fertigung ist derzeit in aller Munde. Was heißt das für die Schweißtechnik? Gibt es da einen Innovationsschub, wächst der Bedarf an Fachkräften und an Forschung? Sehen wir bald »gedruckte« Großstrukturen?

Noack: Wir müssen dabei meines Erachtens zwei unterschiedliche Technologien betrachten. Auf der einen Seite die pulverbettbasierten Verfahren, auf der anderen Seite die lichtbogenbasierte Herstellung von Komponenten und Bauteilen. Einigkeit besteht darin, dass diese sogenannte »Additive Fertigung« – manche verwenden auch noch andere Begriffe hierzu – einen Innovationsschub auch für den maritimen Bereich bei der Herstellung von Komponenten und Bauteilen hervorruft. Wir sehen beide Verfahrensvarianten dabei mit guter grundlegender Eignung, wenngleich es bezüglich auf die Verfahren selbst, die Qualifizierung von Fachkräften, die Einsatzmöglichkeiten der Verfahren, deren Verfahrensgrenzen, der Einführung solcher Baugruppen beziehungsweise Komponenten im Sinn der Qualitätssicherung und Zertifizierung von Betrieben noch viele offene Fragen zu klären gibt. Ich glaube, in allen genannten Aspekten wird es in der Zukunft noch vieles zu (er-)lernen, zu erforschen und in Umsetzung zu bringen geben. Auf der Tagung in 2019 hatten wir uns bereits mit der individuellen Herstellung von Propellern für den Schiffbau auseinandergesetzt, auf der diesjährigen Tagung wollten wir den Schwerpunkt auf Herstellungsmöglichkeiten, Nachbehandlung von additiv gefertigten Bauteilen und der Zertifizierung von Betrieben und Bauteilen fokussieren. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Abschließend zu Ihrer Frage »Großstrukturen«: Vorstellen kann ich mir vieles, in Abhängigkeit der Anwendung unterschiedlicher Verfahren kann ich mir individuelle Einzelteile (für Reparaturen), Kleinserien von kleineren und mittleren Bauteilen sehr gut vorstellen. Größere Bauteile und Strukturen als Einzelteile oder als Serie, wenn überhaupt, nur in den lichtbogenbasierten additiven Verfahren, da die additiven Pulverbettanlagen durch ihre Bauweise in ihrer Bauteilgröße begrenzt sind.

Interview: Felix Selzer