Die langfristigen Seefrachtraten bleiben von den Auswirkungen der globalen Coronavirus-Pandemie unbeeindruckt, was neue Verhandlungen für Verlader erschwert. Die Spot-Raten erreichen unterdessen ein neues Allzeithoch.
[ds_preview]Angesichts der Tatsache, dass die Reedereien nun dazu übergehen, die Kapazität auf wichtigen Routen wieder aufzubauen, bleiben nach Einschätzung des Analysehauses Xeneta jedoch »mittel- bis langfristig Fragezeichen« hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Raten vor dem Hintergrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit.
Coronavirus hat wirtschaftliche Aktivität auf breiter Front beeinträchtigt, aber dank proaktiven Strategien der Linienreedereien haben sich die langfristigen Raten nicht so entwickelt, wie zunächst befürchtet. So sind die Raten im Jahresvergleich um nur 2,2 % gesunken, was einem Rückgang von 2 % seit Anfang 2020 entspricht, wie Xenetas aktuellem Index XSI zu entnehmen ist. Die Entwicklung im September folgt auf einen Rückgang um 1,8 % im August.
»Gute Nachrichten für Reedereien, weniger positive für Verlader«
Xeneta merkt nun allerdings an, dass der XSI, der im September zwar leicht zurückging, für das 4. Quartal 2020 bereits erhebliche Anstiege bei den vertraglich vereinbarten Raten verzeichnet. Für das 1. Quartal 2021 wird sogar noch mehr erwartet.
»Wenn wir den breiteren wirtschaftlichen und geopolitischen Kontext betrachten, haben die Entwicklungen eine surreale Färbung.«
»Es genügt zu sagen, dass es viele in der Branche gibt, die weiterhin von der offensichtlichen Widerstandsfähigkeit der für das Segment so wichtigen langfristigen Raten überrascht sind«, kommentiert Patrik Berglund, CEO von Xeneta. »Dies sind gute Nachrichten für Reedereien und weniger positive für Verlader, die neue Verträge aushandeln wollen. Darüber hinaus sehen wir, dass die Spot-Raten aus dem Ruder laufen, mit Fernost-US-Handelsverbindungen mit höheren Preise als je zuvor. Wenn wir den breiteren wirtschaftlichen und geopolitischen Kontext betrachten, haben die Entwicklungen eine surreale Färbung.«
Linienreedereien in guter Position für »solide Gewinne«
Laut Berglund befinden sich die Linienreedereien in einer guten Position, um solide Gewinne zu erzielen, wenn es ihnen gelingt, den Markt über einen längeren Zeitraum als »Verkäufermarkt« zu erhalten. Sowohl US- als auch EU-Verlader werden in den kommenden Wochen mit Ausschreibungen auf dem Kontraktmarkt für bedeutende Mengen beginnen. »Wenn es den Schifffahrtsunternehmen gelingt, die derzeitigen Raten aufrechtzuerhalten, dann kann die kommende Ausschreibungssaison (von Q4 2020-Q1 2021) zunächst auf einem sehr hohen Ratenniveau abgeschlossen werden«, sagt Berglund.
»Die Verschiebung von Ausschreibungen wäre eine sehr attraktive Alternative für Verlader«
Er stellt fest: »Die Verschiebung von Ausschreibungen wäre eine sehr attraktive Alternative für Verlader, aber es wird schwierig sein, die Carrier dazu zu bewegen, dem zuzustimmen. Der Kauf auf dem Spotmarkt ist eine vorübergehende Möglichkeit, die mit Risiken behaftet und kostspielig ist, aber kurzfristig eine attraktive Alternative für Verlader sein kann, die das Schlimmste überstehen wollen, bevor sie zu einem günstigeren Vertragsmarkt zurückkehren.«
Der XSI-Ratenindex vom September für europäische Importe sank um 0,3 % (minus 1,7 % im Jahresvergleich), während die Exporte um 0,4 % zurückgingen (plus 0,4 % gegenüber September 2019). Diese Entwicklung spiegelte sich auf dem fernöstlichen Markt wider, wo die Importe um 0,3 % zurückgingen und der Export-Benchmark 0,2 % seines Wertes verlor. Die regionalen Importe sind nun im Jahresvergleich um 1,9 % gesunken, während die Exporte um 2,6 % zurückgingen, aber seit Jahresbeginn um 0,3 % gestiegen sind. Der US-Importindex war ein Lichtblick für die Reedereien, er nahm um 0,5 % zu (lag aber um 1,8 % niedriger als im September 2019), während der Exportindex in diesem Monat um 2,6 % zurückging, etwa 6,4 % weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Schlechtester Zeitpunkt für neue, langfristige Ratenvereinbarungen
»Wir sehen bereits langfristige Raten mit Erhöhungen von +30 % auf der Xeneta-Plattform – und erwarten, dass in dieser Richtung noch mehr kommen wird, je länger der Spotmarkt hoch bleibt.«
Berglund gibt die folgende Analyse: »Der transpazifische ostgehende Verkehr befindet sich auf einem historischen Höchststand, und es ist die schlechteste Zeitpunkt für Verlader, die sich im vierten und ersten Quartal neue langfristige Ratenvereinbarungen sichern wollen. Wenn die Raten hoch bleiben, werden die Auswirkungen in den Hauptausschreibungszyklus für diesen Zeitraum Q1-Q2 einfließen. Wir sehen bereits langfristige Raten mit Erhöhungen von +30 % auf der Xeneta-Plattform – und erwarten, dass in dieser Richtung noch mehr kommen wird, je länger der Spotmarkt hoch bleibt. Die Verlader berichten von einem konstanten Feuerlöschmodus, da die Ausrüstung knapp ist und die Spediteure die Vertragsakteure auf den Spotmarkt drängen, da dieser eine viel bessere Rendite bietet.«
Auch Front- und Backhaul zwischen Asien und Europa seien was die Raten angehe ebenfalls sehr stark, wobei im Fronthaul bereits jetzt die Vertragsraten um 30 % gestiegen seien. »Wir erwarten weitere Steigerungen, da immer mehr europäische Verlader ihre langfristigen Raten im kommenden Quartal festmachen«, sagt Berglund.
Auf den Routen zwischen Nordeuropa und Nordamerika bzw. Südamerika sehen die Analysten eienen anderen Trend. Beide Korridore befinden sich seit Anfang des Jahres sowohl für den Spot- als auch für den Kontraktmarkt in einem langsamen Abwärtstrend. Dennoch seien das Ratenniveau für die Reedereien derzeit »gesund« und gleichzeitig »akzeptabel« für die Verlader.
Abschließend bemerkt Berglund: »Wir sehen jetzt frühe Anzeichen dafür, dass ein Plateau für den kurzfristigen Markt bei den wichtigsten Benchmarks erreicht wird, wobei die langfristigen Raten steigen und einen Teil des Abstands zwischen dem Spot- und dem Kontraktmarkt aufholen. Die Verlader müssen nach kurzfristigen Ratenreduzierungen Ausschau halten, um zu verstehen, wohin sich der langfristige Markt entwickelt.«
Der zeit gebe es keine Gewissheit, wie sich der Markt entwickelt. »Was wir wissen, ist, dass die Tonnage zurückkehren muss, und das wird sich auf die Dynamik von Angebot und Nachfrage auswirken. Einzelne Reedereien sind auch dabei, ihre eigenen Organisationen anzupassen, z.B. durch die Rationalisierung von Maersk (Auslaufen der Marken Damco und Safmarine), während Pacific International Lines (PIL) nach den jüngsten Veräußerungen von Vermögenswerten aus der ersten Liga (d.h. den zehn größten Reedereien) herausrutscht«, sagt Berglund.