Print Friendly, PDF & Email

Der Siemens-Konzern setzt für die Sparte Energy nach deren Börsengang auf die Elektri-fizierung der Flotte. Matthias Wiese, Director Strategy & Innovation spricht im HANSA-Interview über Batterien und Wasserstoff, Pods sowie Projekte mit Reedern und Werften

Siemens Energy hat gerade einen Börsengang hinter sich. Wird das Unternehmen auch weiterhin das Marine-Antriebsportfolio und das Offshore-Geschäft von Siemens Gamesa umfassen?

Matthias Wiese: Ja. Mein Hauptfokus der Entwicklung geht in die Verwaltung der Energie an Bord von Schiffen. Zum anderen geht es auch um Emissionen, die IMO hat strenge Vorgaben gemacht, die lassen sich nur mit einer Elektrifizierung der Schiffe erfüllen. Das ist keine Wahrsagerei. In dieser Elektrifizierung sind wir zu Hause, deswegen erfüllen wir den Anspruch von Siemens Energy, den Energiewandel weltweit mitzugestalten. Also finden wir mit dem Börsengang unseren Kernfokus dort wieder und fühlen uns auch bestärkt.

Im Vorfeld des Börsengangs hieß es, dass es Anpassungen des Portfolios an Marktbedingungen geben könnte, um die Profitabilität zu steigern…

Wiese: Es wird wohl eine Portfolio-Analyse geben. Aber als Segment Marine können wir nachweislich mit zur Dekarbonisierung beitragen. Daher sehe ich uns als Teil des Kernportfolios. Stand heute habe ich Freigaben für das nächste Geschäftsjahr, die Projekte laufen weit über das Jahr 2025 hinaus.

Nun sind einige Segmente, in denen Siemens aktiv ist, etwa Kreuzfahrt, Fähren oder Offshore, derzeit schwierige Märkte…

Wiese: Dazu muss man sagen, dass wir ein bisschen Glück haben. Wir bedienen derzeit Segmente, die von den Einschränkungen der letzten Monate nicht so stark getroffen sind. Im Pod-Sektor bewegen wir uns im mittleren Segment zwischen 10 und 14 MW. In dieser Klasse kann man davon ausgehen, das weiterhin Expeditionsschiffe oder kleinere Cruiser gebaut werden. Die ganz großen Pod-Antriebe, die wir von 6.000-Pax-Schiffen kennen, haben wir momentan noch nicht im Portfolio. In der Fährflotte gibt es großen Bedarf, da steht ein Generationswechsel an. In der Auftragslage spüren natürlich auch wir die aktuellen Entwicklungen. Aber ich bin zuversichtlich. Für die künftige Entwicklung kann ich sagen, dass wir im Bereich Antriebstechnologie besonders auf neue Energiequellen schauen. Es hat in den letzten Monaten nicht eine einzige Beendigung oder Unterbrechung eines Entwicklungs- oder Forschungsvorhabens gegeben.

Gibt es Planungen, das eine oder andere Segment zu verlassen oder in ein anderes einzusteigen?

Wiese: Ich glaube wir sind in guten Segmenten unterwegs. Wir müssen da nichts nachjustieren oder rausnehmen. Ein Einstieg in andere Segmente ist aber durchaus denkbar. Im Frachtverkehr gibt es Ansätze, das man beispielsweise für den Kurz- oder Mittelstreckenbetrieb auf alternative Energiequellen geht, vielleicht als Kombination von Technologien, theoretisch sogar mit Wind-Segel-Lösungen, kombiniert mit einer guten Automation.

Im Kreuzfahrtbereich läuft es für Pods für 10 bis 14 MW verhältnismäßig gut. Unsere Kollegen in China berichten von entsprechenden Anfragen. Eine Streichung des Portfolios sehe ich heute nicht. Außerdem: Gerade in solchen Bereichen kann man durch Standardisierung noch erhebliche Effizienzsteigerungen erzielen. Daran arbeiten wir stark, auch mit Gleichstromsystemen, und in Kombination mit Batterien/Brennstoffzellen, um ein gut zu installierendes und erschwingliches System zu bekommen.

Abgesehen von kleineren Kreuzfahrtschiffen und Fähren wird derzeit so gut wie kein Schiff neu bestellt. In der Handelsschifffahrt fehlt Reedern schlicht das Geld. Sie sind aber dennoch zuversichtlich, dass sie in der Schifffahrt Partner finden, die erstens Möglichkeiten und zweitens den Willen haben, in neue Technologien zu investieren und mit Siemens zusammenzuarbeiten?

Wiese: Dafür gibt es Beweise.

Also führen Sie Gespräche?

Wiese: Wir arbeiten konkret mit Reedern und Werften an der Entwicklung von Konzepten zur Umsetzung neuer Technologien. Noch einmal: Wir haben nichts gestoppt.

Gehen die Gespräche in Richtung Batterie beziehungsweise Elektrifizierung?

Wiese: Wenn ich von neuen Technologien spreche, rede ich hauptsächlich von Antriebskonzepten in Kombination mit anderen Mitteln. Die IMO hat Emissionsvorgaben gemacht, die nur mit LNG schwer einzuhalten sind. Andere Technologien sind daher notwendig und die können eigentlich nur im Wasserstoff-Bereich liegen. Wir sprechen mit Partnern über verschiedene Varianten, da geht es um Brennstoffzellen, Batterien, Segel-Technologien oder Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen. Man kann viel miteinander kombinieren, daran arbeiten wir ganz konkret.

Und was verkaufen Sie im aktuellen ­Geschäft hauptsächlich?

Wiese: Elektrifizierungssysteme, also Lösungen. Der Pod ist ein Element dabei, aber das benötigt man nur für bestimmte Schiffe. Was man häufig übersieht: Für die Anbindung neuer Energiequellen ist eine Infrastruktur an Bord nötig. Man kann nicht einfach eine Brennstoffzelle auf ein Schiff stellen, man braucht dazu eine Batterie und ein Power Grid. Diese Systemkompetenz ist eine Stärke von Siemens Energy Marine. Bei diesem Thema gehen wir in Richtung Gleichstrom-Mittelspannung, die wesentlich ausfallsicherer ist. Das ist aus unserer Sicht die Zukunft. Das ist eine grundlegende Änderung, eine bedarfsgerechte Energieverteilung an Bord.

Sie verkaufen also nach wie vor Pods?

Wiese: Ja, das wird auch ein Element bleiben. Pods werden angesichts der Kreuzfahrtkrise momentan nicht so stark bestellt. Aber wenn, dann in der Größe, die wir im Portfolio haben.

Manch Experte meint, Batterie-Antriebe werden sich auch in Zukunft nicht auf längeren Routen, also über »peak shaving« und Revier- und Hafenfahrten hinaus, rechnen. Wie sehen Sie das?

Wiese: Wie ganz viele Anwendungsfälle für diese neuen Energiequellen ist das eine Frage des Fahrtprofils, also geplante Einsatzdauer, Fahrtlänge, Verfügbarkeit von Strom. Solche Anwendungsfälle kann man rechnen. Dafür entwickeln wir derzeit ein Tool, um das technisch und betriebswirtschaftlich bewerten zu können. Ich denke, ja, es wird Schiffe geben, die rein elektrisch fahren. Aber nur, wenn es eine vernünftige Infrastruktur gibt.
Interview: Michael Meyer