Print Friendly, PDF & Email

Versicherer hoffen auf weitere Durchhärtung des Seekaskomarktes. Makler Elbracht warnt vor »zu steiler Kurve« bei Prämienanpassungen.

Führende deutsche Seekaskoversicherer haben in einer Web-Talkrunde des Emder Versicherungsmaklers Heinrich Elbracht die Notwendigkeit weiterer Prämienanhebungen unterstrichen. Trotz des[ds_preview] Aufwärtstrends bei den Preisen in den vergangenen anderthalb Jahren seien die Ergebnisse nicht zufriedenstellend, stellten Vertreter von Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) und Ergo fest.

»Wir stehen weiter unter deutlichem Druck, die Ergebnislage zu verbessern«, erklärte Justus Heinrich, Global Product Leader Hull bei der AGCS in Hamburg. Ziel des Konzerns sei es, in der Seekaskosparte in der aktuell harten Marktphase eine Schaden-Kosten-Quote von unter 95% zu erzielen, um so Verluste aus schlechteren Jahren ausgleichen zu können. »Die AGCS hat diesen Punkt noch nicht erreicht.« Details zur Ertragslage bei Seekasko nannte Heinrich nicht.

Für die AGCS insgesamt war es bislang kein gutes Jahr: Für die ersten neun Monate meldet die Allianz-Tochter aufgrund hoher Coronaschäden im Entertainment-Segment einen Verlust von 257 Mio. €. Rechnet man die Auswirkungen der Pandemie heraus, wäre das Unternehmen eigenen Angaben zufolge bei einem Gewinn von 269 Mio. € gelandet. Das Prämienvolumen der AGCS wuchs bis Ende September um knapp 6% auf 7,55 Mrd. €. Der Marine-Anteil an den Einnahmen wurde zuletzt für das Jahr 2019 mit 14% angegeben.

Auch bei der Ergo Versicherung seien die Ergebnisse noch geprägt durch das Missverhältnis einer wert- und volumenmäßig wachsenden Weltflotte bei gleichzeitig sinkenden Seekaskoprämien, stellte Tobias Oehmichen, Referent für Marine Hull, klar. »Wir sprechen noch nicht von einer Hartmarktphase. Es gibt genügend Versicherungskapazität und Wettbewerb.« Allerdings wuchsen die Prämieneinnahmen im Gesamt­segment »Transport« (Warentransport, Verkehrshaftung, Kasko) bei der Munich-Re-Tochter in den ersten neun Monaten um rund 10% auf 182 Mio. €, wie aus dem jüngsten Zwischenbericht hervorgeht.

Bei den Prämienerhöhungen im Seekaskosegment hätten deutsche Versicherer wie die Ergo keine treibende Rolle gespielt. »Dass die durchschnittlichen Prämien stark steigen, liegt hauptsächlich daran, dass viel günstige Kapazität aus wirtschaftlichen Gründen den Markt verlassen hat und nicht daran, dass die verbliebenen Versicherer die Prämien so stark angehoben haben«, sagte Oehmichen. Der deutsche Markt – also die Führungs- und Folgeversicherer, die Seekasko nach deutschen Bedingungen (ADS) zeichnen – hätten stattdessen »Kontinuität und Zuverlässigkeit« gezeigt.

Offenbar bauen die deutschen Seekaskoversicherer ihren Marktanteil weltweit sogar aus. So sei der Bestand der Objekte, für die der Verein Hanseatischer Transportversicherer (VHT) die Schadenbearbeitung übernimmt, weiter gewachsen, berichtete VHT-Geschäftsführer Tim de Bruyne-Ludwig. »Gegenüber den Vorjahren ist das ein schöner Trend.« Bereits 2019 hatte der Bestand beim VHT um 11% auf 2.252 Objekte zugelegt.

Sowohl Oehmichen als auch Heinrich bekräftigten, dass ihre Häuser das Engagement im Seekaskobereich fortsetzen wollen. Beide betonten aber, dass es keine Wachstumsstrategie mit klaren Vorgaben gebe. »Wir nehmen gern jedes Geschäft ins Buch, wenn die Prämie gezahlt wird, die wir brauchen, um auch in Zukunft ein solider und verlässlicher Risikoträger zu bleiben«, erklärte Heinrich.

Dass der Markt weiter auf AGCS und Ergo bauen kann, ist aus Sicht von Bernd Terbeek, Geschäftsführer des Maklers Elbracht, wichtig für die Reeder hierzulande. Er wünscht sich aber, dass die Versicherer bei den Prämienerhöhungen »keine so steile Kurve« anstrebten. Viele Kunden seien das zweite Jahr in Folge mit deutlichen zweistelligen Erhöhungen konfrontiert. »Wir erleben dieses Jahr, dass Versicherer auch bei nahezu schadenfreien Verläufen 10% und mehr fordern. Da besteht langsam die Gefahr, dass Reedereien auf der Strecke bleiben.«

Terbeek geht davon aus, dass die Prämien nach den jüngsten Steigerungen längst auf einem auskömmlichen Niveau angekommen sind. Wenn das Jahr abgeschlossen und alle Zahlen ausgewertet seien, werde das erst erkennbar. Zumal sich die Schadensentwicklung seit Ausbruch der Pandemie spürbar abgeschwächt habe, wahrscheinlich, weil die Aktivität in großen Teilen der Schifffahrt nachgelassen habe. »Wir stellen fest, dass es bei den Kaskoschäden seit März deutlich ruhiger geworden ist. Uns wird viel weniger gemeldet«, so Terbeek.

Die Erfahrungen von Elbracht deckten sich in diesem Punkt mit dem Trend im skandinavischen Markt. So hatte der nordische Seekaskoverband Cefor für das erste Halbjahr deutliche Rückgänge bei Schadenfrequenz und Schadenhöhen gemeldet. Für den deutschen Markt wollte VHT-Geschäftsführer de Bruyne-Ludwig diesen Trend noch nicht bestätigen. »Wir liegen mit der Nettoschadensumme bislang circa 5% unter Vorjahr. Wir haben aber noch Claims in der Bearbeitung.«

Auch AGCS und Ergo sehen mit Blick auf Schäden keinen Grund zur Entwarnung. So sei zu befürchten, dass die Seekaskobranche die wahren Auswirkungen der Coronapandemie ernst noch zu spüren bekomme. »Wir stellen fest, dass Werftkapazitäten knapper geworden sind, Reparaturpreise anziehen und Ersatzteillieferungen verzögert stattfinden«, nennt AGCS-Manager Heinrich mehrere potenzielle Kostentreiber. Hinzukomme die Notlage der Seeleute an Bord, die seit Monaten nicht abgelöst werden können. »Wird das negative Folgen für die Instandsetzung der Schiffe haben? Menschliches Versagen ist schließlich einer der Hauptgründe für Kaskoschäden.«

Ergo-Seekaskoexperte Oehmichen sieht zudem die Gefahr, dass größere Havarieren aus dem Ruder laufen. »Nehmen Sie ein Szenario, wo ein Schlepper oder ein Nothafen aufgrund von Coronafällen nicht verfügbar ist. Bislang haben wir so was zum Glück noch nicht erlebt.« Außerdem bleibe abzuwarten, was es für den Zustand der Schiffe bedeute, wenn Besichtigungen nur noch »remote« und nicht mehr vor Ort durchgeführt werden. »Das sind Ungewissheiten, die wir im Blick behalten und auch kalkulieren müssen«, so Oehmichen.


Michael Hollmann