Das Jahr 2021 hat für langfristig kontrahierte Seefrachtraten einen fliegenden Start hingelegt. Der Index XSI zeigt einen der höchsten monatlichen Ratenanstiege aller Zeiten mit einem globalen Sprung von 5,9 %.
[ds_preview]Damit liege der Index 4,5 % über dem Vorjahreswert, und es gebe kaum Anzeichen für eine Entspannung, so das Osloer Analysehaus Xeneta, das den Index herausgibt. Der XSI erfasst die neuesten Raten von führenden Verladern für langfristige Kontrakte. Überfüllte Häfen, fehlendes Equipment und eine einseitige Nachfrage versetzen die Containerreedereien derzeit in eine beispiellos starke Verhandlungsposition.
»Der Markt sorgt weltweit und weit über die Grenzen der Fachpresse hinaus für Schlagzeilen, denn die beispiellose Nachfrage nach Containern treibt die Preise in neue Höhen«, kommentiert Xeneta-CEO Patrik Berglund. »Die hohen Spotraten, die in den letzten Monaten auf den wichtigsten Handelsrouten zu beobachten waren, haben sich auf die vertraglichen Vereinbarungen ausgewirkt und setzen die Verlader weltweit unter Druck.«
Nachfrageungleichgewicht, überlastete Hubs, Corona
Die Gründe dafür sind vielschichtig, aber die Ursache ist nach Aussage Berglunds der starke Exportverkehr aus China, der die Importe bei weitem übersteigt, so dass Container beispielsweise in europäischen Häfen festsitzen, obwohl sie im Fernen Osten dringend benötigt werden. Hinzu kommt die extreme Überlastung einiger Drehkreuze – Maersk meldete kürzlich, dass zwischen 30 und 35 Schiffe auf einen Liegeplatz in Los Angeles/Long Beach warteten. Dies führt zu einer weiteren Reduzierung der ohnehin schon angespannten Kapazitäten und verschärft das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. »Und dann gibt es natürlich noch die anhaltenden Auswirkungen von COVID-19, mit erhöhten Online-Verkäufen, die zu Unterbrechungen in den Lieferketten und leider auch zu Ausbrüchen bei wichtigen Mitarbeitern führten. Auch hier ist Los Angeles/Long Beach betroffen, was das Gefühl des Aufruhrs nur noch verstärkt«, so Berglund.
Die Turbulenzen werden bei einer Betrachtung der Xeneta-Indizes für regionale Importe und Exporte auf den wichtigsten Korridoren deutlich. In Europa verzeichneten die Importe mit einem Anstieg von 19,3 % den höchsten monatlichen XSI-Anstieg, der vor allem auf Lieferungen aus Asien zurückzuführen ist. Die Benchmark um 12,5 % über dem Vorjahr. Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zeigt sich auf der Exportseite mit einem Rückgang um 1,9 %, was einem Minus von 1,6 % im Vergleich zum Januar 2020 entspricht.
Im Fernen Osten war das Bild umgekehrt: Der Export-XSI stieg um 15,1 % (womit der Index ein Allzeithoch erreichte – ein Plus von 17,3 % im Jahresvergleich), während der Import-Index um 4,6 % fiel, ein Minus von 11,1 % im Vergleich zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr. Der US-Import-Benchmark zeigte insgesamt etwas weniger Volatilität mit einem Anstieg von 0,7 % und lag damit um 0,5 % über dem Vorjahresniveau. Die Exporte hingegen verzeichneten mit einem Minus von 6,2 % den zweitgrößten jemals verzeichneten Einbruch. Damit liegt der Index um 17,7 % unter dem des Vorjahres.
Herausforderung und Chance
»Wie wird es weitergehen?«, fragt Berglund. »Es ist unmöglich, das mit Sicherheit zu sagen, aber wir können ohne Zweifel weitere Veränderungen erwarten. Wir wissen, dass Peking sehr daran interessiert ist, die Preise zu stabilisieren und die Exporte zu schützen. Wenn also Importeure beginnen, Exporte aus Asien aufgrund von Wucherzinsen aufzugeben, dann sollten die Behörden einschreiten. Aber welche Maßnahmen werden sie ergreifen, oder können sie ergreifen?«
Gleichzeitig öffne die Nachfrage die Tür für neue Marktteilnehmer, wie man bereits im Fernost-Nordeuropa-Verkehr mit der Ankunft von China United Lines (CU Lines) sehen könne. »Obwohl es sich hierbei um einen relativ kleinen Betreiber handelt, zeigt sich doch ein Gefühl der Chance. Allerdings wird das nicht von allen so empfunden, denn Pacific International Lines (PIL) rät seinen Gläubigern, den jüngsten Restrukturierungsplan zu unterstützen, da sonst das Unternehmen in die Liquidation rutscht. Nicht jeder Linienreeder genießt derzeit das High Life«, sagt Berlund.
Angesichts der anhaltenden Pandemie-Situation, der Chance auf einen bedeutenden geopolitischen Reset und der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit ist es problematisch, einen klaren Ansatz für die nächste Phase der Ratenentwicklung zu formulieren, folgert Berglund. Der Xeneta-CEO rät zu »flexiblen Einkaufsstrategien« für Verlader, die versuchen, stabile Lieferketten aufrechtzuerhalten und sich gleichzeitig nicht zu 100 % auf langfristige Verträge zu rekordhohen Raten festzulegen.