HANSA market update, Orders & Sales, Orders&Sales
Print Friendly, PDF & Email

Die Containerschifffahrt boomt, die Nachfrage von Industrie und Konsumenten sowie Lieferkettenprobleme treiben die Preise. Dennoch legt die PwC-Reederstudie 2021 auch die großen Herausforderungen aus Klimazielen und Finanzierungsfragen für deutsche Reedereien offen.[ds_preview]

Noch nie in der 13-jährigen Geschichte der PwC-Reederstudie hat es einen derart starken Stimmungsumschwung innerhalb eines Jahres gegeben. 90 % der Befragten teilen die Einschätzung, dass die Schifffahrt momentan boomt. In neun von zehn deutschen Reedereien sind die Flotten voll ausgelastet. Das hat die 13. Reederstudie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland ergeben, in der 103 deutsche Reedereien befragt wurden. Die Studie betitel PwC mit »Euphorie mit angezogener Handbremse.«

Eine große Mehrheit der deutschen Reeder schätzt auch die weiteren Entwicklungen optimistisch ein, auch wenn es noch immer zu coronabedingten Prozessbeeinträchtigungen kommt. 83 % der Reedereien erwarten steigende oder zumindest stabile Charterraten, bei den Frachtraten sind es gar 87 %. Die Befürchtungen, dass zahlreiche Unternehmen die Pandemie nicht überstehen würden, haben sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Die Reedereien nutzen die steigenden Erlöse für Neueinstellungen und Investitionen in die Flotte.

»Die Containerschifffahrt ist der Treiber dieses Aufschwungs«, sagt André Wortmann, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland. Aber auch in den Segmenten Schwergut und Massengut sei mittlerweile ein Aufschgwung festzustellen, allerdings nicht in Tankschifffahrt.

»Der Boom im Bereich Container überstrahlt andere Bereiche der Seeschifffahrt, in denen sich die Marktbedingungen nicht so stark entwickelt haben. Bei 90 % der Reedereien sind wieder alle Schiffe ausgelastet.« Die rasant steigende Auslastung hat auch massive Auswirkungen auf die Preisentwicklung in der Containerschifffahrt. Außerordentlich starker Konsum in den USA und Europa, Nachholbedarf bei den Industrie-Einkäufern und Konjunkturprogramme sowie wochen- bzw. monatelange Handelsstaus und Beeinträchtigungen der Lieferketten sorgten für eine extreme Nachfrage bei den Container-Reedereien. »Und der Zenit scheint noch nicht erreicht, denn 68 % der Reedereien glauben an weiteres Wachstum, 75 % an ein steigendes globales Ladungsaufkommen«, so Wortmann.

Finanzielle Spielräume für Wachstum, Umbau und Modernisierung

Die steigenden Charter- und Frachterlöse haben den deutschen Reedereien mehr Spielraum verschafft für Investitionen in ihre Flotte. »Der Schiffsmarkt ist wieder deutlich dynamischer als vor einem Jahr«, kommentiert Burkhard Sommer, stellvertretender Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland. »Wir sehen eine starke Zunahme von Schiffskäufen. Der Anteil der Unternehmen, die die Bestellung von neuen, modernen Schiffen planen, ist gegenüber 2019 aktuell um 11 Prozentpunkte gestiegen.« Generell hat sich die Branche während der Pandemie als resilient erwiesen. So haben während der letzten zwölf Monate 22 % der Unternehmen in neue Schiffe investiert. Jede zweite Reederei (47 %) plant derzeit die Bestellung neuer Schiffe.

Die befragten Unternehmen investieren jedoch nicht nur in neue Schiffe, sondern auch die Modernisierung der bestehende Flotte nimmt Fahrt auf. Ziel ist es, diese umweltverträglicher und effizienter aufzustellen. Die Mehrheit der Reedereien setzt dabei Maßnahmen um, die der Entwicklung neuer treibstoffsparender Schiffsdesigns und -bauweisen dienen.

Zudem geben 56 % der Befragten an, dass sie in den letzten zwölf Monaten Mitarbeiter eingestellt haben. 25 % haben hingegen Stellen abgebaut. Darüber hinaus wollen 69 % der Befragten in den nächsten zwölf Monaten Mitarbeiter einstellen. »Wir sehen also eher einen Umbau als einen Abbau. Die Reedereien brauchenPersonal, um die aktuellen Herausforderungen durch Klimaschutz, Digitalisierung und den Zugang zu Kapital zu bewältigen«, so Wortmann.

Strukturelle Herausforderungen

80 % der Befragten erkennen in der Branche tiefsitzende strukturelle Probleme. Wesentliche Themen sind der Zugang zu Kapital sowie Umweltauflagen und Klimaziele. Mehr als zehn Jahre haben sich viele Banken und andere Kapitalgeber sukzessive aus der Schifffahrt zurückgezogen. Aktuell beklagen 56 % der Reedereien (2020: 82 %), dass sich die Banken mehr und mehr von den Reedereien abwenden würden. In einzelnen Fällen wird aber wieder über ein Interesse von Banken und anderen Kapitalgebern an Schiffsfinanzierungen berichtet, die zuvor – zumindest vorübergehend – nicht im Schifffahrtssektor aktiv waren.

»Reedereien beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit der Frage, welche Geschäfts- bzw. Investitionsmodelle für Kapitalgeber interessant sein könnten – mit Erfolg: Wir beobachten, dass Investoren wieder Interesse an Schiffsfinanzierungen entwickeln. Sicherlich wirken die Erfahrungen aus der Finanzkrise noch nach, aber Schiffsfinanzierungen sind wieder eine Option im Segment Real Assets. Das kommt angesichts der anstehenden Investitionen gerade recht«, so André Wortmann.

Diskussion um nachhaltige Antriebe dauert an

47 % der Befragten geben an, dass man im Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen plant, 33 % geben an, dass bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt werden – große Unternehmen (58%) deutlich häufiger als kleinere. Solche Maßnahmen sind zum Beispiel treibstoffsparende Schiffsdesigns, Smart Shipping Tools, alternative Antriebe und Landstromanschlüsse.

Auf die Frage nach den zwei bis drei dominierenden Treibstoffarten in 20 Jahren zeigt sich, dass die Branche noch unentschieden ist. Für die Langstrecke werden zuerst Flüssigerdgas LNG (58 %), Schiffsdiesel (45 %), Methanol (41 %) und Wasserstoff (38 %) genannt. Für die Kurzstrecke nennen die Befragten Strom (43 %), Wasserstoff (41 %), LNG (40 %) und Methanol (33 %). Angesichts der enormen technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen jeder einzelnen Treibstoffart offenbart sich das Entscheidungsdilemma der Branche – mit erheblichen Risiken und Chancen.

Relevanz von Wasserstoff ist umstritten

Auf die Frage, ob Wasserstoff in den kommenden 20 Jahren in den internationalen Langstreckenverkehren zur See der vorherrschende Treibstoff sein wird, antworten 41 % mit Ja und 55 % mit Nein. Auffällig ist, dass sich die Skeptiker vor allem in den größeren Reedereien befinden – bei der analogen Frage nach Ammoniak ist dies genau umgekehrt. Als Gründe für ihre Skepsis gegenüber Wasserstoff nennen die Befragten insbesondere folgende Aspekte: Produktionskapazitäten, Infrastruktur, Betankung, Finanzierung des Aufbaus und technische Risiken.

»Die Reedereien haben sich auf die Transformation in Richtung mehr Nachhaltigkeit eingestellt. Von einem Paradigmenwechsel wie beispielweise in der Automobilindustrie sind wir jedoch weit entfernt. Bisher dominiert Unsicherheit in Bezug auf neue Antriebstechnologien, aber auch was die politischen Zielvorgaben betrifft. Nur in jedem dritten Schifffahrtsunternehmen werden die Klimaziele der EU-Kommission für erreichbar gehalten«, erläutert Burkhard Sommer. Die EU-Kommission hat im September 2020 eine strengere Zielvorgabe vorgeschlagen und will die Emissionen bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 um mehr als 55 % verringern.

MRP Umfrage Banner mitLink