Nils Obermann und Friederike Hesse (© Flagship Founders / Zero44)
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Der von der Reederei Auerbach initiierte »Company Builder« Flagship Founders hat mit Zero44 ein weiteres Startup ausgegründet. Es geht um Charter-Verträge, Daten und Umweltregulierung – und es gibt große Pläne für »einige hundert Schiffe« noch in diesem Jahr.

Das neue Unternehmen soll Reedereien, Schiffsmanager und Charterer künftig dabei unterstützen, die CO2-Emissionen ihrer Flotte zu messen und zu steuern, »um eine möglichst optimale CO2-Bilanz und damit kommerziellen Erfolg möglich zu machen«, heißt es anlässlich der Ausgründung. Dies sei ein wichtiger Erfolgsfaktor in einer Branche, die sich ab 2023 strengen Regularien zur Emissionsreduktion gegenübersieht.

Die neuen Regeln haben direkte Auswirkungen auf den Kostenblock eines Reeders, der sich die Frage stellen muss, wie er damit umgeht und wie er das in sein Charter-Agreement integriert bekommt.

Zero44 ist nach Tilla und Kaiko Systems die dritte Ausgründung von Flagship Founders – dem nach eigenen Angaben ersten Company Builder, der sich auf maritime Technologien, Logistik und Schifffahrt konzentriert. Die Auerbach-Reederei von Lucius Bunk ist Gründungsgesellschafter, strategischer Partner ist außerdem das Berliner Venture-Capital-Unternehmen rescape. Für Zero44 konnten Friederike Hesse und Nils Obermann als Co-Gründer an Bord geholt werden. Die HANSA hat im Vorfeld der Bekanntmachung exklusiv mit Hesse und Fabian Feldhaus, Geschäftsführer und Mitgründer von Flagship Founders, über das neues Projekt gesprochen.

Die Schifffahrt soll und will bis 2050 CO2-neutral sein. Schon 2023 treten verschärfte IMO-Regularien in Kraft, auch mit einer baldigen Aufnahme der Branche in den EU-Emissionshandel ist zu rechnen. »Reedereien, Schiffsmanager und Charterer brauchen also schon jetzt dringend Lösungen, um sich für die Zukunft zu wappnen und Emissionen so schnell wie möglich nachhaltig zu reduzieren«, meinen die Verantwortlichen bei Flagship Founders und die Zero44-Co-Gründer.

Die Co-Gründer

Geführt wird das Startup von Friederike Hesse und Nils Obermann, sie halten auch die Mehrheit an Zero44. Hesse ist Volkswirtin mit einem Schwerpunkt unter anderem im Vertrieb im »Digital-Geschäft«. Ihr Partner kommt aus einem Familienunternehmen in der Tabakindustrie und hat unter anderem Erfahrungen in der Weiterentwicklung von Firmen gesammelt – auch und gerade in einer stark regulierten Industrie.

Ihnen geht es dabei weniger um potenzielle technische Anpassungen an Bord, Weather Routing, Performance Monitoring oder ähnliches, wie sie beispielsweise von Klassifikationen, Sensorik- oder »Internet of things«-Spezialisten vorangetrieben werden. Das Zero44-Angebot ließe sich zwar an bestehende Systeme per API andocken. Aber die Basis bleibt der Blick auf das Kommerzielle in der Arbeit des Reeders. Vereinfacht ausgedrückt: »Wir sammeln Daten vom Schiff, der Kunde gibt uns Zugang zu ›Noon Reports‹ und anderen Berichten. Wir aggregieren diese Daten und bieten ein entsprechendes Dashboard an«, sagt Hesse im Gespräch mit der HANSA.

Zero44 konzentriert sich auf kommerzielle Auswirkungen bestimmter Entscheidungen im Zuge der neuen Regulierung, etwa durch den Carbon Intensity Indicator (CII). Die neuen Regeln haben direkte Auswirkungen auf den Kostenblock eines Reeders, der sich die Frage stellen müsse, wie er damit umgeht und wie er das in sein Charter-Agreement integriert bekommt. »Da gibt es großen Gesprächsbedarf«, so die Geschäftsführerin.

Entscheidungshilfen für CO2-Planung

Das Startup will an einem sehr frühen Zeitpunkt in das CO2-Management eingreifen. Schifffahrtsunternehmen sollen mit Hilfe einer digitalen Lösung nicht nur einen umfassenden und tagesaktuellen Überblick über ihre Emissionen, sondern auch ganz konkrete Entscheidungshilfen für ihre CO2-Planung bekommen. Man will etwa aufzeigen, wie Prozesse optimiert werden können. Dafür werden den Angaben zufolge diverse relevante Parameter und Optionen berücksichtigt – beispielsweise die Planung der Dauer und Strecke einer Schiffsroute. Auch bereits bestehende IMO-Ratings für Schiffe werden in den Berechnungen einkalkuliert. »In anderen Fällen wiederum kann es die geschäftlich sinnvollste Lösung für beteiligte Unternehmen sein, einen Aufpreis für höhere CO2-Emissionen zu zahlen«, heißt es weiter, auch dies werde bei den Empfehlungen berücksichtigt.

Software als Kommunikationsbasis

Hesse und ihr Team meinen, dass es eine Software braucht, die auf die unterschiedlichen Geschäftssituationen eingeht, etwa Zeit- oder Reisecharter und Frachtkontrakte. Dafür wird eine Lösung gebaut, die den Geschäftspartnern auch als eine Art Kommunikationsbasis dienen kann. Die Software soll auch Berechnungen von verschiedenen Szenarien ermöglichen, welches CII-Rating also bei bestimmten Bedingungen beziehungsweise Aktivitäten herauskommt. Der User soll austesten können, welche Auswirkungen bestimmte Maßnahmen haben können. Damit könne er dann ins Gespräch mit Charterern oder Kunden gehen.

So lange es noch keine Klarheit darüber gibt, wer die entstehenden Kosten letztlich zahlt, hat der Charterer eigentlich kein Interesse, selbst aktiv zu werden.

Fabian Feldhaus Flagship Founders Copyright Flagship Founders
Fabian Feldhaus (© Flagship Founders)

Launch noch in 2022 geplant

Zero44 befindet sich vorerst noch in der Produktentwicklungsphase und arbeitet gemeinsam mit externen Entwicklern am Aufbau des Teams und erster Kundenbeziehungen. Der Launch der Software für den breiten Markt ist im Laufe des Jahres geplant. Flagship Founders und Auerbach-Chef Lucius Bunk bringen Schifffahrtsexpertise und Kontakte in das Projekt ein.

Die Gründer haben ambitionierte Erwartungen, was die Abdeckung im Markt angeht: »Unser Ziel sind einige hundert Schiffe noch in diesem Jahr. Wir streben einen signifikanten Marktanteil an«, sagt Hesse. In dieser spezifischen Anwendung sehe man noch nicht so viel Konkurrenz. Flagship-Founders-Chef Fabian Feldhaus zeigt sich im Gespräch mit der HANSA ebenfalls optimistisch: »Der größte Treiber ist die angestrebte Emissionsreduktion. So lange es noch keine Klarheit darüber gibt, wer die entstehenden Kosten letztlich zahlt, hat der Charterer eigentlich kein Interesse, selbst aktiv zu werden. Da sehen wir einen großen potenziellen Hebel.« Voraussetzung ist, dass beide Seiten den Informationen Vertrauen schenken. »Wir müssen uns bemühen, dass unser Produkt gut und transparent ist und dass beide Seiten unsere Daten als verlässlich anerkennen«, sagt Hesse.

Laut Feldhaus gab es im Vorfeld der Ausgründung Gespräche mit verschiedensten Branchen-Akteuren und -Experten und sieht sich bestätigt: »Wir sehen uns hier einer der größten Herausforderungen dieser globalen Branche gegenüber, und das für mindestens 30 Jahre. Die kommerziellen Auswirkungen der neuen Gesetzgebung müssen dabei berücksichtigt und Planungsprozesse darauf zugeschnitten optimiert werden.«