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Ilona Lazareva, Geschäftsführerin bei Briese Chartering aus Leer, spricht exklusiv im HANSA-Interview über die Folgen des Ukraine-Kriegs auf die MPP-Shortsea-Schifffahrt, Neubauten und Flotten-Pläne des Carriers.[ds_preview]

Das Schwarze Meer gehört traditionell auch zu Ihren Fahrtgebieten. Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg aus?
Ilona Lazareva: Wir beobachten die Situation im Schwarzen Meer. Wir wollen unsere Seeleute schützen und haben die Buchung von Ladungen von und nach dort gestoppt, nicht zuletzt aufgrund von Berichten über Minen in der Region.

Wie sehen Ihre Aktivitäten ansonsten aktuell aus?
Lazareva: Wir decken den gesamten europäischen Raum ab und sind in Nordafrika und dem nordwestlichen Teil Afrikas aktiv. Marokko zum Beispiel ist jetzt sehr aktiv in der Windindustrie, wir haben dort Verträge für die nächsten zwei Jahre. In Europa hat uns das Green Energy-Programm der EU nach der Finanzkrise 2008 geholfen. Das ist ein wichtiger Teil unseres Geschäfts. Und wir sehen, dass es sich jetzt noch mehr entwickelt, vor allem, weil der Gaspreis steigt.

Ilona Lazareva
Ilona Lazareva,
Geschäftsführerin – Briese Chartering (© Briese Chartering)

Erwarten Sie weitere Auswirkungen des Kriegs für die Verkehre?
Lazareva: Der Krieg wird sich nicht nur auf das Schwarze Meer auswirken. Unsere Schiffe fahren zum Beispiel auch nicht in russische Ostseehäfen, wir haben alle unsere Verträge ausgesetzt.

Entsprechend müssen Sie Ersatz für Ihre Flotte finden …
Lazareva: Was in diesem Zusammenhang wichtig ist: Es gibt genug Ladung auf dem Markt, also suchen wir nach Verschiffungen in andere baltische Länder. Aber es ist eine Frage der Zeit, das Geschäft wird sich ändern, denn es sind ziemlich viele Waren aus dem Markt verschwunden. Und wir wissen nicht, wie lange das andauern wird. Russland war ein großer Markt für Rohstoffexporte, viele Carrier haben dort häufig Düngemittel und Stahl geladen. Außerdem wurden viele Projektladungen importiert.

Ist der Eintritt in gänzlich andere Shortsea-Regionen eine Option?
Lazareva: Man muss immer nach Möglichkeiten Ausschau halten. Ein Beispiel: In den letzten beiden Jahren haben wir Waggons von St. Petersburg nach Ägypten verschifft. Das ist zwar kein Ersatz, aber jetzt arbeiten wir an Projekttransporten von Marokko nach Spanien. Der Markt ändert sich ständig, und in den letzten 30 Jahren wurden unsere Verträge einige Male von Kriegen beeinträchtigt.

Oder können Sie sich vorstellen, auch in den globalen Deepsea-Markt einzusteigen?
Lazareva: Das hängt davon ab, was unsere Kunden brauchen oder ob das Volumen in Europa zurückgeht. Derzeit haben wir jedoch den Eindruck, dass es sogar zunimmt. Die Nachfrage nach unserer Flotte und den zehn Neubauten, auf die wir warten, ist nach wie vor vorhanden. Wir haben viele Anfragen für die nächsten zwei Jahre. Ich erwarte also nicht, dass wir das Gebiet verlassen müssen, aber es gibt keine Garantie. Wenn wir Veränderungen sehen, könnten wir unsere Strategien zusammen mit BBC Chartering überdenken – andernfalls würden wir einen Wettbewerb innerhalb unserer Gruppe schaffen, was keinen Sinn ergibt. Was wir tun könnten, ist, gemeinsam nach Ladungen und Verträgen zu suchen.

Wie ist denn der aktuelle Stand bei Ihren Neubauten? Zuletzt hatten Sie einige 5.000-Tonner bekommen …
Lazareva: Ende dieses Jahres werden wir das erste von zehn 9.000-tdw-Schiffen erhalten. Sie haben keine Krane, da in Europa die Hafenanlagen ausreichend für unsere Zwecke ausgestattet sind. Krane erhöhen den Neubaupreis und verringern den verfügbaren Platz an Bord. Falls wir Schiffe mit Geschirr benötigen, können wir mit BBC Chartering zusammenarbeiten.

Wenn die Nachfrage sogar zunimmt, ziehen Sie weitere Neubauten in Erwägung?
Lazareva: Unsere Kunden und ihre Ladungen, insbesondere in der Windindustrie, entwickeln sich weiter, und wir müssen unsere Flotte an sie anpassen. Unsere Politik ist es, ältere Schiffe zu verkaufen und neue zu bauen. Mit der aktuellen Neubauserie haben wir eine sehr gute Basis, um mit dem Markt umzugehen. Im Prinzip sind die Schiffsgrößen, die wir haben, genau das, was wir brauchen, und ich würde diesen Aufbau beibehalten. Einige weniger effiziente Schiffe könnten verkauft werden. Ich kann mir vorstellen, dass wir die 6.000-tdw-Einheiten ersetzen werden.

Interview: Michael Meyer