Versicherungsbörse
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Der erste digitale Marktplatz für Waren- und Seekasko-Deckungen in Hamburg soll ab Januar in Betrieb gehen. [ds_preview]Von Michael Hollmann

Blockchain statt Börsensaal: Mit einem elektronischen Marktplatz für Ausschreibung und Platzierung von Risiken will die Hamburger Versicherungsbörse e. V. (HVB) zu alter Größe zurückfinden. Im Mittelpunkt steht dabei komplexes Firmenkundengeschäft – vor allem Warentransport und Seekasko – bei dem es in der Regel um hohe Deckungssummen im dreistelligen Millionenbereich mit vielen Beteiligten geht.

Rund drei Jahre ist es her, dass der Vorstand die Idee präsentierte. Am 1. Januar soll es so weit sein. Wie die HVB auf dem Norddeutschen Versicherungstag nun ankündigte, geht dann das erste von drei Modulen des »digitalen Ökosystems« an den Start. Das »Social Network« bietet zunächst nur die Möglichkeit für Kontaktaufnahme, Austausch und Informationen, wie man es etwa von Linkedin kennt. Anfang April soll es ans Eingemachte gehen mit der Inbetriebnahme des »digitalen Handelsplatzes«.

Die Blockchain-basierte Plattform bietet der HVB zufolge Maklern die Möglichkeit zur Ausschreibung von Risiken. Assekuradeure und Versicherer sollen ihre Gebote elektronisch übermitteln und Abschlüsse nach weiteren Verhandlungen rechtssicher und in Echtzeit durchgeführt werden können. Typische Risiken könnten zum Beispiel Fruchtverladungen von Südamerika nach Hamburg, laufende Umsatzpolicen für große Exporteure oder Kaskodeckungen für Schiffsflotten sein. Für solche komplexen Geschäfte werden in der Regel noch Dienstleister wie Anwälte, Sachverständige und andere Spezialisten benötigt. Zur Anbindung dieser Gruppe ist im Laufe des nächsten Jahres das dritte Modul »Additive Services« geplant.

Von der sozialen Netzwerkfunktion, die den Auftakt bildet, verspricht sich die HVB-Vorsitzende Svenja Richartz eine »Absenkung der Eintrittshürden« in dem Geschäft. Vor allem für Marktteilnehmer, für die Transport und Schifffahrt nur eine von vielen Risikoklassen bildet, sei es bislang nicht leicht, sich auf dem Laufenden zu halten: Wer sind passende Risikoträger? Wer ist offen für Neugeschäft, wer nicht? Welche Köpfe sind zuständig?

Auf dem digitalen Handelsplatz können dann Risiken sowohl für Führungs- als auch für Beteiligungsgeschäft mit den nötigen Mindestangaben inseriert werden. Der Kreis der Adressaten soll dabei beliebig skalierbar sein. »Mittels Blockchain ist jederzeit nachvollziehbar, wer welche Informationen erhalten hat«, erklärt Richartz. Gemäß den Markt-Usancen werde auch die sogenannte 48-Stunden-Regel, die den Kunden eine vorläufige Deckung bis zum endgültigen Abschluss einräumt, auf der Plattform abgebildet.

Wenn der Plan aufgeht, übernimmt die HVB wieder eine tragende Rolle als Marktplatz für Platzierungen, nachdem der Präsenzhandel im Börsensaal vor ein paar Jahren eingestellt wurde. Auch ihre Funktion als Schiedsstelle könnte damit neu belebt werden. Genutzt werden soll das digitale Ökosystem auch von Maklern und Versicherern außerhalb Hamburgs. In diesem Zusammenhang plant der Vorstand eine Abstimmung über die Umbenennung der HVB in »Hanseatische Versicherungsbörse«.

Zugangsvoraussetzung für den Digitalmarktplatz sei auf jeden Fall eine HVB-Mitgliedschaft. Derzeit zählt der Verein 57 Mitglieder. »Die kritische Masse ist bereits vorhanden, um das Projekt auf die Bahn zu bringen. Hamburg ist größter Maklerstandort, alle Versicherer sind zumindest mit Transportabteilungen vertreten«, so Richartz. Für Hamburg biete sich damit die Chance, auch international eine noch größere Rolle in der Transport- und Schiffsversicherung einzunehmen, etwa gegenüber dem viel größeren Wettbewerber Lloyd’s of London. Dort dienten die digitalen Funktionen in erster Linie der nachträglichen Dokumentation, nicht aber der Anbahnung von Geschäft in einem Detailgrad, wie es die HVB plant, heißt es.

Offen ist bislang die Höhe der Jahresgebühr für die Nutzung der Plattform. Die Kosten könnten durch Inanspruchnahme von Fördermitteln noch gesenkt werden. Wahrscheinlich laufe es auf einen niedrigen vierstelligen Beitrag pro Jahr hinaus, der in »einem vernünftigen Verhältnis zu den sonstigen IT-Kosten« stehe, so Richartz. »Das System muss sich selbst tragen können. Wir wollen Gewinn erwirtschaften, sondern einen Mehrwert bieten.« (mph)


Abstract: Hamburg insurance market plots its digital future

HVB, Hamburg’s insurance exchange, plans to roll out its new digital market place from 2023, including a social network function, a blockchain-based tendering tool and additional services. The offer is primarily aimed at complex risks, mainly in the marine segment. In parallel, HVB is discussing a change of name to »Hanseatic Versicherungsbörse« and opening up for members elsewhere in Germany and abroad.