Nach Corona-bedingter Pause ist das HANSA-Forum »Schifffahrt | Finanzierung« zurück. Hochrangige Experten aus den verschiedensten Branchensegmenten diskutierten fundiert, strategisch und praxisorientiert unter dem Motto: »Geopolitics and carbon challenge: Strategies and solutions for a new age«.
Dekarbonisierung, CII, EEXI, Finanzierungsoptionen, Flotten, Strategien und Pläne – die Gäste und Teilnehmer des HANSA-Forums bekamen gestern im Internationalen Maritimem Museum Hamburg (IMMH) tiefe Einblicke und Analyse von führenden Experten.
Die HANSA veröffentlicht heute einen ersten Rückblick mit einigen der zentralen Statements der Referenten. Weitere Einblicke, Bilder, Präsentationen und Videos werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.
Andrew Wilson – Head of Research – BRS
»Es sind kolossale Investitionen nötig, Schiffseigner sind aber nur für einen Bruchteil davon verantwortlich. Vor allem muss das weltweite Raffinerie-System erneuert werden, weil es an Kapazität für grüne Kraftstoffe mangelt.«
Bud Darr – Executive Vice President Maritime Policy and Governmental Affairs – MSC Group
»Wir beschäftigen uns mit einer breiten Palette vielversprechender Technologien für saubere Energie, darunter mit grünem Ammoniak oder grünem Methanol, auch mit Wind- oder Solarenergie. Es gibt kein Tabu. Aber die Kosten der Dekarbonisierung müssen von der gesamten Wertschöpfungskette getragen werden«
Jan-Lars Kruse – Managing Director – Hartmann Shipping Services
»Das Crewing ist einer der Schlüsselfaktoren bei der Bewältigung der kommenden und aktuellen Herausforderungen. Wir brauchen die Fachkräfte und verschiedene Skillsets, wir können die Wende nur schaffen, wenn wir die richtigen Kompetenzen haben. Der Kampf um Talente läuft.«
Ulla Eithz Nielsen – Managing Director – V.Ships
»Es ist nicht mehr so attraktiv für junge Leute, in die Schifffahrt einzusteigen. Wir haben nur eine Chance, wenn wir uns als modernes Unternehmen aufstellen. Seeleute sind der wichtigste Teil der gesamten Kette. Wenn man keine gut ausgebildete Crew und die entsprechende Erfahrung an Bord hat, wird es sehr schwierig, die Transformation zu schaffen.«
Erik Helberg – CEO – Clarksons Securities
»Kapital folgt immer dem Kapital. Investoren sind Kapitalisten, keine Philantrophen. Wenn man mit Kohle oder Öl Geld verdienen kann, werden sie dort weiter investieren. Das können wir heute bereits beobachten.«
Claus Graugaard – Head of Onboard Vessel Solutions – Maersk McKinney-Moeller Center for Zero carbon Shipping
»Der Wunsch nach Veränderung ist noch nicht allgemein verbreitet, sondern wird aktuell eher noch von einigen wenigen Akteuren getragen. Die Emissionen werden weiter zunehmen, wenn auch etwas weniger schnell als in den Prognosen des letzten Jahres vorhergesagt. Die Branche muss die Lücke schließen zwischen dem aktuellen Kurs und den Null-Emissions-Zielen.«
Colin Rawlins – Strategic Key Account Manager – Lloyd’s Register
»Wir sitzen alle im selben Boot. Wir sind alle verantwortlich. Es gibt Verbesserungen, aber es ist noch viel zu tun. Es wird noch eine holprige Reise.«
Christian P- Hoepfner – Director Group Sustainability – Unifeeder Group
»Es gibt keinen Königsweg. Es wird einen Mix unterschiedlicher Kraftstoffe geben, abhängig von der geographischen Verfügbarkeit. Kurzfristige Maßnahmen wie beispielsweise Rumpfreinigung, Motoren-De-Rating oder Routenoptimierung sind ein wichtiger Aspekt und können CO2-Emissionen um 20% reduzieren.«
Peter Eckhardt – Managing Director – Martini Chartering
»Der CII ist das wichtigste Thema im Verhältnis zwischen Schiffseigner und Charterer. Sie müssen die richtige Balance und klare Regelungen für die Charter Parties finden.«
Irina Haesler – Head of EU Representation – Verband Deutscher Reeder
»Die Verschiebung des Emissionshandelssystems für die Schifffahrt um ein Jahr war kein Geschenk an die Industrie, sondern dem verzögerten Verfahren in Brüssel geschuldet. Die Reeder müssen eine langfristige Strategie entwickeln, das EU-ETS ist nur der Anfang.«
Alistair Stevenson – Head of Digital Analysis – SSY Simpson Spence & Young
Die Verifizierung und das Verfahren für ein Carbon Offsetting werden entscheidend. Wer handelt künftig die Kohlenstoffzertifikaten – der Charterer oder der Eigner?
Oliver Faak – Partner & Head of Europe – Transport Capital
Interessanterweise stammen 2/3 aller weltweiten Schiffsfinanzierungen immer noch von Banken. In den letzten drei Jahren sind neue Arten von Kreditgebern aufgetaucht, die tiefer ins Risiko gehen können. Wir sehen in der Praxis, dass es spezialisierte Kreditgeber auf dem Markt gibt, die sich besonders auf die grüne Schifffahrt konzentrieren. Das ist ein recht vielversprechender Ansatz.
Michael de Visser – Director Ship Financing – NIBC
»Wir konzentrieren uns auf kleinere Reeder und Projekte, die andere Banken nicht machen wollen. Wenn es einen Kreditausfall gibt, ist unser Verlust nicht so groß. Dann können wir auch morgen noch für die Kunden da sein, wenn die großen Banken aufgrund großer Verluste Korrekturen vornehmen müssen.«
Loukas Lagaras – Head of Greek Shipping – Hamburg Commercial Bank (HCOB)
»Auf dem griechischen Markt hat es noch nie einen Mangel an Finanzmitteln gegeben – weniger Verfügbarkeit ja, aber nie einen Mangel. Die griechische Flotte war resilient in den letzten Jahren mit einem bedeutenden Anteil in verschiedenen Schifffahrtssegmenten, deswegen ist der Standort auch wichtig in den Augen des Finanzmarkts. Es gibt viel Expertise und Erfahrung, wie man durch schwere Zeiten kommt. Die Schifffahrtsfamilien haben immer schon sehr antizyklisch investiert.«
Das Moderatoren-Team:
Krischan Förster und Michael Hollmann