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Mit Oldendorff Carriers stellt einer der weltweit größten Reeder und Charterer die neue CII-Regulierung massiv in Frage. Die gute Absicht verkehrt sich ins Gegenteil, heißt es.[ds_preview]

Kritik an dem CII (Carbon Intensity Index), der ab dem 1. Januar 2023 allen Schiffe auferlegt wird, ist nicht neu. Nun legt mit Oldendorff Carriers ein Schwergewicht der Schifffahrtsindustrie nach: Die neuen Vorschriften der IMO werden der Umwelt nicht helfen und können in vielen Fällen eher zu höheren als zu niedrigeren Emissionen führen, heißt es. Die unstimmige Formel verleite sogar dazu, mehr Emissionen auszustoßen statt sie zu verringern.

Mit dem CII, der Schiffe künftig nach den von ihnen produzierten Emissionen bewertet, soll die Dekarbonisierung der Industrie eingeleitet werden. Bis 2050, so hat es die IMO als Ziel ausgegeben, soll die Schifffahrt ihre Klimabelastung um 50% gegenüber 2018 reduzieren.

Der ab 1. Januar 2023 geltende Einstufung aller Schiffe nach ihrem CII könnte jedoch kontraproduktiv wirken, argumentiert jetzt Oldendorff. Mit 700 Schiffen im Management, darunter mehr als 100 eigenen, ist die deutsche Reederei der weltweit größte Betreiber/Manager von Bulkern.

In einer mehr als 50 Seiten umfassenden Präsentation, die zunächst nur Kunden und jetzt auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, wird anhand von Fall-Beispiele aufgezeigt, warum die von der IMO entwickelte Formel nach Ansicht der Oldendorff-Experten nicht funktioniert und sogar zu einer Verschlechterung der Klimabilanz führen kann. Der CII weist die CO2-Emissionen in g aus, die pro Seemeile und pro tdw ausgestoßen werden. Das betrifft alle Fracht-, RoPax- und Kreuzfahrtschiffe über 5.000 BRZ.

Fall-Beispiel 1

Grundsätzlich steige die Flottenproduktivität, wenn Leerfahrten reduziert werden und mehr Fracht pro Jahr befördert wird. Denn auch wenn ein beladenes Schiff mehr Kraftstoff verbraucht, senkt die verbesserte Auslastung die Emissionen pro beförderter Tonne Fracht.

Da die CII-Formel maßgeblich auf der zurückgelegten Entfernung basiert, bekommen Schiffe mit längeren Reisen ein besseres Rating, kürzere Rundreisen werden wegen des höheren Anteils an Hafenzeiten dagegen weitaus schlechter bewertet. Die beste Bewertung würde ein Schiff erhalten, das ganzjährig ohne Ladung lediglich in Ballast herumfährt.

Dies werde wahrscheinlich dazu führen, dass weniger effiziente Schiffe künftig bevorzugt auf langen Strecken eingesetzt werden und dabei vergleichsweise mehr Emissionen emittieren, während effizientere Schiffe in den kürzeren Fahrtgebieten bleiben. Einen Anreiz, grundsätzlich Handelsrouten zu verkürzen, gebe es somit nicht.

PowerPoint Presentation

Fall-Beispiel 2

Das CII-Rating verschlechtert sich auch durch lange Wartezeiten auf Reede oder eine verzögerte Abfertigung im Hafenbetrieb, weil Kraftstoff verbraucht, aber keine Ladung transportiert wird. Denn aus der CII-Formel fällt in diesen Fällen der Faktor »tdw je sm« heraus. Dies könnte zu der absurden Situation führen, dass Schiffe eher auf offener See Kreise ziehen, anstatt vor Anker zu liegen. Denn dadurch verbessert sich Formel-bedingt das Rating, obwohl die jährlichen Treibhausgasemissionen insgesamt steigen.

Fall-Beispiel 3

Der CII spiegelt nicht den Unterschied zwischen einem Eco-Schiff und einem ineffizienten konventionellen Schiff auf einer Handelsroute mit einer von vornherein schlechten CII-Variablen wider. Selbst die effizientesten Schiffe könnten aufgrund von Faktoren, die nichts mit der tatsächlichen technischen Effizienz des Schiffes zu tun haben, schlechte CII-Bewertungen erhalten. Andererseits kann ein ineffizientestes Schiff eine gute CII-Bewertung erreichen, indem es einfach ohne Ladung ballastiert wird. Dies veranschaulicht, warum die CII-Matrix nicht isoliert für kommerzielle Verträge verwendet werden sollte, heißt es bei Oldendorff.

Rechnung

Bulker vom Typ STD82 (81.750 tdw), beladen von Hamburg nach Rotterdam:
205 t CO2, Rating: EEEE

Bulker vom Typ STD82 (81.750 tdw), Fahrt von Rotterdam nach Melbourne, großer Anteil Ballastfahrt
3.243 t CO2, Rating: AAAA

Bulker vom Typ STD82 (81.750 tdw), 365 Tage in Ballast mit geringer Geschwindigkeit:
26.142 t CO2, Rating: AAAA

Bulker vom Typ STD82 (81.750 tdw), 250 Seetage bei voller Geschwindigkeit, 115 Hafentage:
26.142 t CO2, Rating: CCCC

Fall-Beispiel 4

Am Ende jedes Kalenderjahres könnte ein Schiff, das bis dahin mit »D« oder »E« eingestuft ist, einfach aus dem Markt genommen werden und stattdessen »herumballastieren«, um seine CII-Einstufung zu verbessern. Dies verursache einen sinnlosen Kraftstoffverbrauch und unnötige Emissionen, doch die aktuelle Regulierung könnte genau dazu animieren.

Die Schlussfolgerung …

… lautet bei Oldendorff daher: Weder Charterer noch Eigner sollten sklavisch auf ein bestimmtes CII-Rating abzielen. Die Einstufung in die Kategorien »D« und selbst »E« seien während der Einführungsphase des CII durchaus »akzeptabel«, sofern nach SEEMP ein Plan vorgelegt wird, wie das Emissionslevel und das Rating verbessert werden sollen.

Daher müssten Charterer auch Schiffe mit einer »D«- oder »E«-Bewertung akzeptieren, fordern die Oldendorff-Experten. Sollten Charterer hingegen eine bessere CII-Einstufung verlangen, müssten Reeder von ihnen eine finanzielle Kompensation für eine  mögliche schlechtere Bewertung erhalten, die zum Beispiel durch längere Liegezeiten entstehen. Denn dann könnten teure Ausgleichsmaßnahmen fällig werden – zum Beispiel eine Umstellung des Betriebs auf teurere, CO2-neutrale Treibstoffe für den Rest des Jahres.

Zur Behebung der aufgezeigten Probleme sollte aus der Sicht von Oldendorff umgehend mit der von der IMO bereits beabsichtigten Überarbeitung der CII-Vorschriften begonnen werden. So könnte ein rollierendes Rating für die jeweils letzten 12 Monate geschaffen werden. »In der Zwischenzeit raten wir dazu, sich auf die tatsächlich verursachten Emissionen und nicht auf die CII-Einstufung zu konzentrieren«, heißt es abschließend.