Gerüchte befeuern einen inzwischen sehr ruhigen Chartermarkt. Einige Linien wollen offenbar Schiffe zur Verschrottung ausmustern – ein Vorbote der neuen Umweltregularien?[ds_preview]
Ein Makler fasst es kurz und treffend zusammen: Mehr »Grinch« als »Santa Claus«. Will heißen: Die Stimmung am Chartermarkt ist eher düster als freundlich. Noch fahren zwar viele Schiffe mit Raten umher, die vor einiger Zeit geschlossen wurden und daher mehr als auskömmlich sind. Die jüngsten Abschlüsse dagegen sind bei kurzen Laufzeiten aber auf einem Niveau angelangt, das den Eignern keine Freudentränen mehr in die Augen treibt.
Ein Beispiel? Die »Ortolan Epsilon« (Baujahr 2008, 987 TEU) geht in Asien für lediglich 30-60 Tage in eine Beschäftigung bei Macrocean und bekommt 12.000 $/Tag. Die fast doppelt so große »ESL Vicotria« (Baujahr 2004, 1.678 TEU) wird mit 5-7 Monaten von Swire zwar deutlich länger eingechartert, verdient mit 15.500 $/Tag aber nur unwesentlich mehr.
Wichtige Indizes wie der New ConTex aus Hamburg (-16 auf 817 Punkte) und der HRCI von Howe Robinson (-14 auf 1.458,1 Punkte) geben noch leicht nach, haben sich jedoch nach den drastischen Verlusten der Vorwochen gefangen. Positive Nachrichten wie die Lockerung der COVID-Vorschriften in China haben sich bislang nicht auf den Markt ausgewirkt. Denn es herrscht angesichts der weltwirtschaftlichen Entwicklungen weiter große Unsicherheit, wie es im neuen Jahr weitergeht. Dazu haben sich einstige Newcomer wie Allseas (Insolvenz) und CU Lines (Rücklieferung von Charterschiffen) wieder aus dem Markt verabschiedet.
Mit dem ab dem 1. Januar anzuwendenden CII und der daraus folgenden Bewertung der Schiffe nach ihrem Emissionsvolumen stellt sich für einige Charterer offensichtlich zunehmend die Frage, mit welchen Schiffen sie ihre Dienste betreiben wollen. Dabei rückt ein Thema wieder in den Vordergrund, dass angesichts der lang währenden Tonnage-Knappheit gänzlich ausgeblendet schien – Verschrottung.
Marktgerüchte verweisen unter anderem auf Wan Hai. Der taiwanesische Carrier will gleich zehn Feeder auf ihre letzte Fahrt schicken. Makler gehen davon aus, dass dies erst der Anfang einer Flottenbereinigung sein könnte. Auch am S&P-Markt sollen potenzielle Käufer verstärkt auf die technischen Spezifikationen achten und sehr wählerisch geworden sein, heißt es. Dies betrifft vor allem Schiffe der kleinsten Segmente, die kein gutes CII-Rating mehr erreichen dürften.
Hinzu kommen die global sinkenden Transportmengen, was in einigen Fahrtgebieten zu ersten »blank sailings« der Linien und einem nachlassenden Bedarf an Tonnage führt. Die Frachraten sacken weiter ab. Im Transpazifik-Verkehr zwischen Asien und der US-Westküste sind sie inzwischen unter die Werte zur gleichen Zeit des Jahres 2019 gefallen und liegen jetzt laut Drewry bei nur noch 1.997 $/FEU. Mitte März waren es noch knapp 11.000 $/FEU.
Der Global-Index WCI gab um weitere 6% auf 2.138,70 $/FEU nach. Das sind 77% unter Vorjahr. Die Frachtraten von Schanghai nach Rotterdam fielen um 14% auf 1.686 $/FEU, nach New York an die US-Ostküste sind es -9% (3.993 $FEU) und ins Mittelmeer -6% auf 2.908 $/FEU. Am meisten lässt sich derzeit noch im Atlantik verdienen, wo von Rotterdam nach New York immerhin 7.151 $/FEU fällig werden.
Mal sehen, wer über die Weihnachtstage mehr für die Stimmung tut – der Grinch oder Santa Claus … (KF)