Die deutschen Seeversicherer und Assekuradeure haben im vergangenen Jahr noch teurere Einzelschäden als im Vorjahr verzeichnet.[ds_preview]
Das geht aus der aktuellen Jahresstatistik des Vereins Hanseatischer Transportversicherer (VHT) hervor, der zentral das Claims Handling für alle führend versicherten Schiffe seiner Mitglieder organisiert.
Mit dem Brand und Totalverlust des Grimaldi-RoPax-Schiffs »Euroferry Olympia« im Februar 2022 im Mittelmeer kommen geschätzte Kosten von gut 29 Mio. € auf die Branche zu. Wie hoch die Anteile jeweils für den deutschen Führungsversicherer und für die ausländischen Folgeversicherer sind, geht aus den Zahlen nicht hervor. Einen so großen »Claim« hatte der deutsche Markt selbst seit Jahren nicht mehr gesehen. Hinzu kommen zwei weitere Großschäden an Containerschiffen, die aber nicht zum Totalverlust führten und die in einem vergleichbaren Kostenbereich liegen wie einige Fälle im Vorjahr.
Beim einen handelt es sich um einen Ruderschaden, der auf eine Höhe von 13,8 Mio. € geschätzt wird. Beim anderen um eine defekte Wellenanlage mit geschätzten Kosten von 5,1 Mio. €. Dabei schlugen nach Angaben von VHT-Geschäftsführer Tim de Bruyne-Ludwig auch erhöhte Betriebsausfallschäden (Loss of Hire) aufgrund von Lieferkettenengpässen bei der Reparatur zu Buche.
Zusammen machen die drei Großschäden etwa die Hälfte der Gesamtschäden von 97,7 Mio. € beim VHT im vergangenen Jahr aus. Nach aktueller Schätzung liegen die Kosten für das Jahr 2022 damit knapp unter denen des Jahres 2021 (100,2 Mio. €).
Von Aufatmen kann angesichts des kosmetischen Rückgangs keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Denn viel stärker als die Schäden ist die Anzahl der versicherten Schiffe (See und Binnen sowie Bauprojekte) geschrumpft – von 2.068 auf 1.671. Auch die Prämienbasis aller beteiligten Versicherer dürfte sich damit verringert haben, sofern es keinen starken Zuwachs an Beteiligungsgeschäft gab.
Der VHT-Vorstandsvorsitzende Justus Heinrich, hauptamtlich Leiter für Schiffs- und Transportversicherung in Zentral- und Osteuropa bei der AGCS, sprach heute auf dem VHT-Neujahrsempfang in Bremen vor rund 270 Gästen von einem »traurigen Rekord« bei den Abgängen aus dem Markt. »Die etablierten Führungsgesellschaften würden sich mit Sicherheit über mehr Führungsgeschäft im deutschen Markt freuen. Wenn da nicht die Sache mit den risikoadäquaten Prämien wäre!« Damit spielte der Experte auf den wieder rauer werdenden Wettbewerb in der Seeversicherung weltweit an. Vor allem die wieder anwachsenden Risikokapazitäten des Londoner Marktes sorgen dem Vernehmen nach dafür, dass die Kaskoprämien wieder unter Druck geraten – und noch mehr Schiffe bei anderen Versicherern im Ausland günstiger in die Deckung gehen.
Der VHT-Vorstand hofft mittelfristig wieder auf Zuwächse beim Objektbestand. Ein Grund dafür ist das zu erwartende Flottenwachstum aufgrund der hohen Neubauaktivität vor allem bei Containerschiffen. Die deutschen Gesellschaften würden sicher »ihren Anteil« an den bevorstehenden Ablieferungen bekommen, so Heinrich. (mph)