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Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) nimmt auch in der maritimen Wirtschaft kontinuierlich zu. Aber wo steht die Schifffahrt und wohin steuert sie diesbezüglich?

Unter diesen zentralen Fragestellung hatten der Company Builder Flagship Founders und das Maritime Cluster Norddeutschland gestern zu einem Netzwerktreffen »Building the Future: How AI is Reshaping Maritime?« nach Hamburg eingeladen.[ds_preview]

»Die Künstliche Intelligenz ist in der Schifffahrt angekommen«, stellte Fabian Feldhaus fest, Mitgründer und Managing Director des Venture Studios Flagship Founders. Umso wichtiger sei es, »dass wir alle einerseits die Potenziale und Einsatzmöglichkeiten, aber natürlich auch die Risiken von KI verstehen und diskutieren«, so das Ziel der kurzweiligen Veranstaltung, zu der rund 120 Gäste gekommen waren.

Florian Heinemann, Senior Director Data Insights & AI der Containerlinienreederei Hapag-Lloyd, gewährte Einblicke in die Praxis seines Unternehmens und zeigte, wie bei der fünftgrößten Containerlinienreederei der Welt heute schon Mensch und KI-gestützte Maschine zusammenarbeiten. Dabei geht es etwa um eine Klassifizierung von Email-Anfragen im Customer Service, Routing und ETA- bzw. ETD-Vorhersagen für Schiffe oder auch ein »Quick Quotes«-System für Buchungsanfragen. Er zeigte sich »zu 100% davon überzeugt«, dass 2030 sämtliche Geschäftsprozesse bei Hapag Lloyd KI-gestützt sein werden. Es gehe nicht allein um Technologie, sondern auch darum, ein Bewusstsein innerhalb des Unternehmens für den Nutzen der künstlichen Intelligenz zu erzeugen, »da gibt es noch Nachholbedarf«.

Nick Chubb von britischen Beratungsunternehmen Thetius machte mit Blick auf vergangene Technologietransformationen deutlich, dass diese Transformationen immer schneller ablaufen. Vor dem Hintergrund dieser Beschleunigung empfahl Chubb, sich dringend die notwendige Expertise in puuncto Künstliche Intelligenz anzueignen: »Sie müssen genug von KI verstehen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.« Aber: Dabei geht es eben nicht darum, alles »in-house« zu haben und zu entwickeln. Vielmehr sollten Reeder auf die Expertise von Spezialisten setzen, etwa von innovativen Start-ups: »Buy it, don`t build it«, so Chubb, der die Bedeutung kleiner, beweglicher und innovativer Unternehmen für die KI-Transformation unterstrich und betonte: »Lieber Reeder, konzentriere dich auf die Schifffahrt. Für alles andere gibt es Diensteister«.

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© Jonas Walzberg

Künstliche Intelligenz heute

Welche Rolle der praktische Einsatz von KI heute schon in Teilen der maritimen Branche spielt, belegten anschließend Kurz-Präsentationen fünf ganz unterschiedlicher maritimer Start-ups.

  • Die Optimierung der Warenströme in Häfen ist eines der Themen des mehrfach ausgezeichneten finnischen Start-ups Awake.AI. Co-Gründer und CEO Karno Tenovuo nannte als Beispiel eine KI-gestützte Software, die die Ankunft von Schiffen zuverlässiger vorhersagen kann. »Wir schaffen einen Überblick über alle Schiffe, die kommen und gehen. Der Hafen operiert dadurch effizienter und preisgünstiger, und auch die Emissionen sinken«, versprach Tenovuo.
  • Fabian Fussek von Kaiko Systems aus Berlin stellte KI-Lösungen für die »Arbeiter an vorderster Front« vor. Es sei entscheidend wichtig, auch die Seeleute in die KI-Transformation einzubinden. »Wir helfen den Seeleuten an Bord, ihren Job KI-unterstützt noch besser zu machen«, versprach er. Als ein Beispiel nannte Fussek eine automatisierte Rost- oder Foulingerkennung für den Einsatz im Rahmen von Inspektionen an Bord.
  • Als »Tinder der Schifffahrt« bezeichnete Georg-Maximilian Kuhlmann mit einem Augenzwinkern das Unternehmen Oceanis. Hinter der Hamburger Neugründung verbirgt sich eine KI-gestützte Plattform, die Schiffseigner mit Finanzierungsbedarf mit den optimalen Partner aus der Finanzbranche zusammenführt. Damit ist es eines der wenigen maritime Start-ups, das sich mit den für die Schifffahrt wichtigen Finanzierungsthemen befasst.
  • Crewmanager bilden die Zielgruppe von Tilla Technologies, wie auch Kaiko Systems ein von Flagship Founders ausgegründetes Stgart-up. Das Berliner Software-as-a-Service-Unternehmen unterstützt mit datengetriebenen Produkten vor allem den Crew Change auf Handelsschiffen. Auch hier kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz. »Mehr Schiffe sind unpünktlich als pünktlich. Das macht Crewwechsel zu einer komplexen Aufgabe, die wir durch Datenintegration und Automation massiv unterstützen und vereinfachen können«, erläuterte Co-Gründer Narayan Venkatesh, der auf einige Erfahrungen aus der Luftfahrt zurückblicken kann. »Es ist Zeit für die Transformation in der Schifffahrt«, so Venkatesh.
  • David Kaiser von Vesselity zeigte abschließend, wie sein Unternehmen vorausschauende KI im Zusammenspiel mit Unterwasserdrohnen für Unterwasserinspektionen und Rumpfreinigungen einsetzt und damit zur Reduzierung des Brennstoffverbrauchs von Schiffen und Flotten beiträgt. »Effizienzsteigerungen im Schiffsbetrieb von fünf bis zehn Prozent und entsprechend reduzierte Emissionen sind damit möglich«, sagte Kaiser.

Die Gelegenheit zum Networking und zum informellen Austausch vor und nach den Vorträgen über Künstliche Intelligenz wurde sehr intensiv genutzt. Lina Harms vom Maritimen Cluster Norddeutschland, die gemeinsam mit dem maritimen Experten Stephan Piworius (ATAI) den Abend moderierte, zog ein positives Fazit. Es sei deutlich geworden, dass »sowohl in der Schifffahrt als auch der maritimen Dienstleistungs- und Zuliefererindustrie verschiedenste vielversprechende Ansätze bestehen, um die Möglichkeiten der KI sinnvoll zu nutzen«, unterstrich die Leiterin der Hamburger Geschäftsstelle des MCN.