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Welches sind die Begleitumstände und der aktuelle Sachstand bei der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe? Ein Überblick und Ausblick

Um die Elbvertiefung ist es ruhig geworden, obwohl die Wasserstraßenverwaltung und mehr noch die internationalen Reeder ebenso wie die Terminalbetreiber[ds_preview] nach wie vor dringend auf die Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse von und zum Hamburger Hafen warten. Wo steht das Projekt und warum lässt seine Realisierung noch immer auf sich warten? Der nachfolgende Artikel erläutert die Begleitumstände, rekapituliert den Sachstand und gibt einen Ausblick.

1. Das Projekt

Die derzeitige Ausbautiefe und Ausbaubreite der Fahrrinne von Unter- und Außenelbe orientiert sich seit 1999 noch immer an Containerschiffen mit max. Tiefgängen von 13,50m. In den vergangenen Jahren sind jedoch vermehrt Containerschiffe mit wesentlich größeren Ladekapazitäten und wesentlich größeren Abmessungen in Dienst gestellt worden. Containerschiffe dieser Größenordnung weisen in der Regel erhöhte Maximaltiefgänge auf. Waren in den 1990er-Jahren in den Verkehren nach Asien noch Containerschiffe mit einer Kapazität zwischen 6.000 bis 9.000TEU die Regel, so kommen mittlerweile auf dieser Route immer häufiger Fahrzeuge mit einer Kapazität zwischen 10.000 und 18.000TEU zum Einsatz. Im Jahr 2013 liefen bereits 410 solcher Großschiffe den Hamburger Hafen an. Ein Jahr später (2014) waren bereits 507 Schiffsanläufe mit mehr als 10.000 TEU zu verzeichnen (das waren 140 verschiedene Schiffe) und schon bis zum August dieses Jahres wurden 427 derartige Anläufe gezählt (das waren 169 verschiedene Schiffe). Hochgerechnet dürfte der Hafen Hamburg deshalb bis zum Jahresende 640-mal von Schiffen mit mehr als 10.000TEU angelaufen worden sein.

Künftig soll daher Schiffen mit Tiefgängen bis zu 13,50m (tideunabhängig) und bis zu 14,50m eine tideabhängige Fahrt ermöglicht werden. Dazu zählt zwingend auch eine Verbreiterung des Fahrwassers an bestimmten Stellen, damit sich große Schiffe auf der Revierfahrt begegnen können, ohne auf eine Passage warten zu müssen. Damit wird die überwiegende Mehrzahl der weltweit eingesetzten Containerschiffe in der Lage sein, hinreichend beladen und also zu wirtschaftlich attraktiven Bedingungen den Hamburger Hafen erreichen zu können.

Die Ausbaumaßnahme besteht im Kern aus dem Ausbaggern von unzureichend tiefen Abschnitten der Fahrrinne und einer teilweisen Verbreiterung des Fahrwassers. Ca. 40% der Fahrrinne sind bereits auf natürliche Weise hinreichend tief – dort muss nicht gebaggert werden.

Das Baggergut besteht aus unbelastetem Sand und bindigem Material (Mergel). Es wird vorrangig in strombaulich wirksamen Unterwasserbauwerken im Mündungsbereich der Elbe eingebaut. Diese Bauwerke dämpfen die Tideenergie und erschließen damit vielfältige, für das Flusssystem Elbe insgesamt positive Wirkungen. Sie minimieren die Tidehubänderungen, fördern den ebbstromdominierten Sedimenttransport im Gewässer und wirken ungünstigen natürlichen morphologischen Trends entgegen (Verringerung der Strömungsbelastung der Ufer, Verringerung von Erosion, u.a.m.).

Eine ausführliche Darstellung der Baumaßnahme findet sich unter http://www.fahrrinnenausbau.de/.

2. Die Besonderheiten

2.1 Die Elbvertiefung im Trend zu Bürgerbeteiligung und Transparenz

Die Fahrrinnenanpassung war bundesweit das erste länderübergreifende Großprojekt, das von vornherein darauf ausgerichtet war, die Erfahrungen und die Wissensfundi von Verbänden, Vereinen und der Bevölkerung ernst zu nehmen.

Allerdings musste dann das Genehmigungsverfahren auch dreimal einen neuen Anlauf nehmen, um mit entsprechenden Planungsänderungen den Vorschlägen der Beteiligten Rechnung zu tragen. Dadurch verlängerte sich die Verfahrensdauer auf fünf Jahre und nicht selten sind die Behörden für diese lange Verfahrensdauer wiederum gescholten worden.

Die Partizipationsmöglichkeiten waren so groß wie nie zuvor,

es waren und sind bis heute alle Informationen ständig im Internet präsent,

es gab zahllose Informationsveranstaltungen vor Ort, und

insgesamt fanden 6 große öffentliche Anhörungen an verschiedenen Orten statt.

Die kompletten Planunterlagen waren zuvor verschickt worden an

34 Gemeinden

153 Behörden und Träger öffentlicher Belange

35 Umweltvereine.

Über vier Jahre hinweg konnte jeder seine Meinung zu diesem Projekt sagen.

Folgerichtig stellten sich dann aber auch die üblichen Begleiterscheinungen einer breit angelegten Partizipation ein. Das Verfahren dauert länger und endet in vielen Fällen vor Gericht, so auch bei der Fahrrinnenanpassung. Das wiederum erzürnt die große Mehrheit der Bürger, deren Ansprüche auf ein rasches und effektives Regierungshandeln ebenfalls angestiegen sind. Beides geht also schlecht zusammen.

Das bei der Planung von Infrastrukturprojekten bekannte Beteiligungs-Paradoxon trat hinzu: zu Beginn der Planungsphase ist das Interesse bei der breiten Öffentlichkeit sehr gering, obwohl hier die Mitgestaltungsmöglichkeiten noch am größten sind. Mit voranschreitenden Planungsfortschritt und damit steigender Konkretisierung der Projekte nehmen zwar auch das Interesse und der Mitwirkungswille der Bevölkerung zu, gleichermaßen sinkt jedoch der Gestaltungsspielraum.

2.2 Akzeptanz und Konsens

Bereits in der Planungsphase und mehr noch im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens hatten die Bundes- und die hamburgischen Behörden stetig um Akzeptanz und bestenfalls sogar Konsens geworben.

So gelang in vielerlei Hinsicht eine Verständigung im Hinblick auf konfligierende Belange. Unabhängig von einer rechtlichen Erforderlichkeit erklärten sich die Vorhabensträger zum Beispiel bereit, in Abstimmung mit den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg während und nach dem Ausbauvorhaben umfangreiche hydrologische und naturschutzfachliche Messungen, Untersuchungen und Dokumentationen der Datenentwicklung durchzuführen und die Ausbauwirkungen anhand einer geordneten methodischen Bewertung zu überprüfen. An anderer Stelle wurden Verträge mit landwirtschaftlichen Zweckverbänden geschlossen oder Unterhaltungslasten bei Ufersicherung getauscht oder übernommen. Zur Verbesserung des ökologischen Zustands der Tideelbe wurde eine Stiftung »Lebensraum Elbe« errichtet und mit dem nötigen Kapital ausgestattet. Ein »Elbefonds« beteiligt sich im Fall der Fahrrinnenanpassung finanziell an den Tiefenhaltungskosten der Sportboothäfen entlang der tidebeeinflussten Elbe, und im Hinblick auf die Einmaligkeit der Elbabschnitte auf hamburgischem Gebiet. Für die geschützte Pflanzenart des Schierlingswasserfenchels etwa versprach Hamburg der EU-Kommission zusätzliche Aufwertungsmaßnahmen. Trotz dieser beachtlichen Erfolge führte am Ende kein Weg um die Erkenntnis herum, dass es einem Infrastrukturprojekt dieser Größenordnung nicht gelingen wird, allen alles recht zu machen.

Es zeigte sich damit abermals, dass wichtige Infrastrukturprojekte auch pragmatische Entscheidungen verlangen, und dass es eines verbindlichen Konfliktlösungsmechanismus` bedarf, sofern es keine restlose Konfliktfreiheit gibt oder geben kann. Allerdings bietet das Recht auch genau dies, indem es Regeln aufstellt,

unter welchen Bedingungen Bundeswasserstraßen (ebenso wie Autobahnen, Flughäfen, Eisenbahnstrecken, Indus­trieanlagen, atomare Zwischenlager usw.) von den Behörden überhaupt genehmigt werden dürfen,

wie die Behörden das Genehmigungsverfahren durchzuführen haben (das heißt auch die Beteiligung von Nachbarländern, Gemeinden, Verbänden, Vereinen, Bürgern und sonstigen Trägern öffentlicher Belange), und

wie solche Genehmigungsentscheidungen angefochten und von den Gerichten aufgehoben werden können.

Rechtliche Wege sind also nicht nur richtig, sondern unverzichtbar. Allerdings müssen alle Beteiligten ihre Beteiligungsrechte als solche auch ernst nehmen, d.h. sie nicht gegen das Projekt wenden, sondern ihr Fachwissen zur Verfügung stellen, um das Projekt so gut wie möglich auszugestalten. Dann bleiben auch keine guten Ideen in der Schublade. In einem Genehmigungsverfahren nach europäischem und deutschem Recht ist es ohnehin nicht möglich, bestimmte Chancen oder Risiken absichtlich nicht zu diskutieren. Allerdings muss sich die Diskussion stets auf das spezielle Projekt beziehen. Auf dem Rücken eines Genehmigungsverfahrens können nicht alle gesellschaftlichen Fragestellungen diskutiert werden, die sich gemeinhin mit wirtschaftlichem Wachstum und mit neuen Technologien verbinden. Haben Parlamente einmal entschieden, die Wasserwege zu den großen norddeutschen Häfen auszubauen, dann steht es den Planfeststellern im Genehmigungsverfahren nicht zu, diese parlamentarische Entscheidung zu ändern oder zu ignorieren. Im Genehmigungsverfahren ist allein noch zu prüfen, ob sich ein Ausbau im Hinblick auf die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt und auf Rechte Dritter rechtfertigen lässt. Öffentliche Akzeptanz ist zwar erstrebenswert, aber dennoch keine Genehmigungsvoraussetzung.

2.3 Die wiederkehrenden Fehlvorstellungen

Breitendiskussion und Breitenpartizipation trugen natürlich auch dazu bei, dass verfehlte, aber sehr plakative Vorurteile immer wieder fortgetragen wurden und bis heute nicht zu berichtigen sind, gleichwohl dem Projekt natürlich schaden. Dazu zählen Klassiker wie z.B.:

Die Reedereien sollen mit einem maximal befahrbaren Wasserweg bedient werden!

Die gewählte Ausbauvariante ist allerdings bereits ein Kompromiss, das sogenannte Bemessungsschiff ist nicht etwa das jeweils größte in Fahrt befindliche Schiff der Welt und es gibt auch keine unbeschränkte Zufahrt (Tidefenster). Es wird also nicht ohne Sinn und Verstand auf das maximale Maß ausgebaut für irgendwelche Zukunftsvisionen, sondern jedermann kann täglich auf der Elbe beobachten, welche Tiefgangeinschränkungen und welche verkehrlichen Restriktionen die großen Schiffe hinnehmen müssen.

Die maximalen Reederinteressen sind nicht zugleich auch öffentliche Interessen!

Dieser Vorhalt übersieht, dass die Wirtschaftsordnung nach dem Grundgesetz den allgemeinen Wohlstand prinzipiell durch private Wirtschaftssubjekte vermittelt. Insofern sind neben Natur- und Umweltschutz natürlich auch Wirtschaftsinteressen öffentliche Interessen, denn sie vermitteln Arbeit, privates Einkommen, Steueraufkommen, kurzum allgemeinen Wohlstand. Insofern ist der Staat natürlich auch aufgefordert, die vorhandenen, mit erheblichen öffentlichen Mitteln erstellten Infrastrukturanlagen im Hamburger Hafen so effektiv wie möglich zu nutzen.

Die Reeder werden künftig auch ohne Elbvertiefung den Hafen Hamburg mit großen Schiffen anlaufen!

In der Tat laufen noch immer Reedereien den Hamburger Hafen mit Großschiffen an, aber dabei vertrauen sie auch noch immer auf eine Fahrrinnenanpassung. Sie würden sich auch nicht wegen der mangelnden Tiefgangsverhältnisse extra kleinere Schiffseinheiten für die Revierfahrt auf der Elbe anschaffen. Aber natürlich sind die Großschiffe nicht voll beladen. Dass sie dennoch nach Hamburg kommen, zeigt, dass der Hafen der Elbmetropole noch immer sehr attraktiv ist. Auf Dauer allerdings werden die Reeder nicht bereit sein, unnötige Kosten hinzunehmen. Sie werden dann ausweichen auf andere Häfen wie z.B. Rotterdam. Wer also in Hamburg keine Rücksicht auf die klar erkennbaren Anforderungen aus dem Strukturwandel bei Umschlagtechnik und Weltseetransport nimmt, der gefährdet die Zukunft des Hafens.

Was wäre bloß so furchtbar, wenn die großen Schiffe nicht mehr kommen könnten?

Im Grunde geht es gar nicht um den Verlust einzelner Containerlinien oder um einen Umschlag- oder Arbeitsplatzverlust. Sondern es geht um die Wettbewerbsposition. Durch den Weggang großer Linien wird ein Abwärtstrend in Gang gesetzt, der sich dann unaufhaltsam fortsetzt und der damit endet, dass Hamburg in einen Dornröschenschlaf verfällt während die Häfen in Rotterdam und Antwerpen profitieren.

Im Ergebnis wird die gesamte deutsche Seeverkehrswirtschaft geschwächt und die anderen deutschen Häfen werden in den Abwärtstrend mit einbezogen.

3. Die Planfeststellung in der gerichtlichen Überprüfung

Nachdem im Dezember 2011 selbst die EU-Kommission auf Vorschlag ihrer Generaldirektion Umwelt die wirtschaftliche Bedeutung des Hamburger Hafens für die Region und für ganz Deutschland sowie seine Funktion als bedeutende Drehscheibe im internationalen Handel und im EU-Handel anerkannt und festgestellt hatte, dass die Verbreiterung und Vertiefung der Fahrrinne von Unter- und Außenelbe aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist, und nachdem im April das (wasserstraßenrechtlich erforderliche) Einvernehmen der Anrainerländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg herbeigeführt werden konnte, wurde das Planfeststellungsverfahren mit gleichlautenden Beschlüssen der Generaldirektion Wasserstraßen und der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (von jeweils mehr als 2.600 Seiten) am 23. April 2012 abgeschlossen.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb der Rechtsmittelfrist (Juli 2012) klagten Private, Unternehmen, Kommunen, Zweckverbände und Umweltvereine. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) wie auch der Naturschutzbund (Nabu) wandten sich zudem mit einem Eilantrag an das erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und begehrten einen gerichtlichen Ausspruch, wonach jedweder Baubeginn untersagt werden sollte.

3.1 Das gerichtliche Eilverfahren

Dabei warfen die Umweltvereine der Planfeststellung vor, auf Berechnungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) aufgesetzt zu haben, die ihrerseits wegen falscher Grundannahmen und unzureichender Berechnungsmodelle und Methoden zu falschen Ergebnissen gekommen sei. Schon deswegen aber auch im Übrigen habe die Planfeststellung gegen Vorschriften insbesondere des europäischen Gewässer-, Habitat- und Artenschutzes verstoßen.

Auf die jeweiligen Schriftsätze der streitenden Parteien, die schon ohne Anlagen nicht unter 250 Seiten blieben, reagierte das BVerwG am 16. Oktober 2012 mit einem nicht mehr als fünf Seiten umfassenden Beschluss, wonach es sich außerstande sah, die zahlreichen und teils sehr komplexen Fragen bei einer nur überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage in einem Eilrechtsschutzverfahren hinreichend sicher einschätzen zu können. Um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ordnete das BVerwG folgerichtig einen Baustopp an.

3.2 Das gerichtliche Hauptsacheverfahren (Klageverfahren)

Damit war und bleibt die Baumaßnahme bis zu einem abschließenden Urteil über die Klage der Umweltvereine zunächst ausgesetzt.

Zwischenzeitlich hatte im Mai 2013 allerdings die mündliche Verhandlung im Klageverfahren der Umweltverbände gegen die Weservertiefung stattgefunden. In einem Hinweisbeschluss vom 11.07.2013 hatte das BVerwG dann verschiedene rechtliche Mängel der dortigen Planfeststellung hervorgehoben und im Übrigen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vier Fragen zur Auslegung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorgelegt (BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013 7 A 20.11). Die darin zum Ausdruck gebrachten generellen Bedenken wegen der korrekten Anwendung der WRRL galten bei der Elbvertiefung in gleicher Weise.

Die Planfeststellungsbehörden für die Elbvertiefung versuchten daraufhin den Zweifeln des BVerwG einstweilen dadurch entgegenzutreten, dass sie eine höchstvorsorgliche gutachtliche Ermittlung und Bewertung auch nach der denkbar strengsten Auslegung der WRRL veranlassten – weil selbst dann noch unverändert mit einer Zulässigkeit der Elbvertiefung zu rechnen war. Sie fassten am 01.10.2013 einen entsprechenden Ergänzungsbeschluss, den sie an das BVerwG schickten.

Im Juli 2014 lud das BVerwG dann schließlich zu einer mündlichen Verhandlung, die nach der Einschätzung des Gerichtsvorsitzenden die längste mündliche Verhandlung in der Nachkriegsgeschichte des Gerichts werden sollte.

Im Ergebnis ließ das Gericht keinen Zweifel an der Notwendigkeit der Elbvertiefung. Es erklärte vielmehr in bislang nicht dagewesener Klarheit, dass weder am Verkehrsbedarf, noch an der Schiffsgrößenentwicklung, noch an den Arbeitsmarkteffekten noch an der Umweltgerechtigkeit der Ausbaumaßnahme Zweifel angebracht sind. Träfen die Prognosen vielleicht auch nicht in den konkreten Umschlags- und Arbeitsmarktzahlen zu, so sei doch nicht an den sehr positiven Effekten der Maßnahme zu zweifeln, weshalb das Projektziel (nämlich die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens zur Erhaltung seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit) klar anzuerkennen sei. Als grundlegende Fundamente der Planfeststellung blieben vom Gericht auch die Grundlagengutachten der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den primären Ausbaufolgen auf das Gewässer (Wasserstände, Strömungsgeschwindigkeiten, Strömungsrichtungen, Sedimentation) und das Strombaukonzept (Unterbringung des Ausbaubaggerguts auf strombaulich vorteilhaften Unterwasserablagerungsflächen) unbeanstandet.

Das Gericht ging schließlich – trotz entsprechender Vorwürfe der Kläger – auch nicht auf die erhobenen Verfahrensrügen oder angeblichen Strukturmängeln des Planfeststellungsbeschlusses ein – ein Ergebnis, das für ein Verfahren der gehabten Dimension übrigens keine Selbstverständlichkeit ist. Dennoch hinterfragte es – auf entsprechenden Vorhalt der klagenden Umweltverbände – kritisch

einzelne Erhebungen im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeit,

einzelne Auswirkungen des Projekts auf Brutvögel und bestimmte Fischarten,

die planfestgestellte Kompensation für eine Beeinträchtigung einer europäisch geschützten Pflanze (Schierlingswasserfenchel) und nicht zuletzt auch

die Methode der behördlicherseits vorsorglich vorgenommenen Verschlechterungsprüfung und Ausnahmeentscheidung nach der WRRL

und kündigte eine Entscheidung im Oktober 2014 an.

Am Ende entschied das BVerwG mit einem Beschluss vom 2. Oktober 2014 dennoch nicht abschließend über die Klagen der Umweltverbände, sondern beschloss stattdessen,

das Gerichtsverfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (EuGH Rechtssache C-461/13) auszusetzen, und

gleichzeitig deutlich zu machen, dass sich bei der gerichtlichen Prüfung verschiedene naturschutzfachliche Bedenken ergeben hätten, die allerdings einer Nachbesserung zugänglich sind und eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses jedenfalls nicht rechtfertigen (BVerwG -7 A 14.12-; Beschluss vom 02.10.2014).

3.3 Der Aussetzungs- und Hinweisbeschluss des BVerwG

im Einzelnen

Wasserrahmenrichtlinie

Zur WRRL und der vorsorglich von den Behörden vorgenommenen Abweichungsprüfung stellte das Gericht fest, dass die Planfeststellungsbehörden mit ihrer Hilfsprüfung dennoch nicht dem Umstand entgehen konnten, dass bei der Anwendung der WRRL Rechtsmaßstäbe ungeklärt sind und es an anerkannten Standardmethoden und Fachkonventionen fehlt. Den in der Hilfsprüfung zugrunde gelegten Bewertungssystemen fehle es zudem an der erforderlichen fachlichen Untersetzung.

Schutzgut Pflanzen

Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung wandte sich das Gericht zunächst dem Schutzgut Pflanzen zu. Im Untersuchungsgebiet von Geesthacht bis zur Nordsee finden sich tatsächlich verschiedene gefährdete Pflanzenarten. Die Ausbauarbeiten erzeugen allerdings nicht gleichermaßen Auswirkungen auf sämtliche Pflanzen dieser Arten, weshalb unterschiedliche Pflanzenarten in den Gutachten auch unterschiedlich tief betrachtet worden waren. Unter Betonung des Vorsorgegedankens des europäischen Naturschutzrechts hielt es das Gericht allerdings für geboten, dass dennoch alle Arten eingehender betrachtet werden.

Schutzgut Artenvielfalt

In Zusammenhang mit dem Schutzgut der Artenvielfalt soll zur grundsätzlichen Erhaltung der Artenvielfalt vermieden werden, dass einzelne Arten endgültig verloren gehen. Die Planer hatten insoweit einen möglichen Totalverlust des Schierlingswasserfenchels (einer Pflanzenart) geprüft und verneint. Das Gericht meinte allerdings, dass nicht nur der Totalverlust betrachtet werden müsse, sondern bereits auch eine Verschlechterung der Habitateignung der Flächen, auf denen gefährdete Pflanzen vorkommen.

FFH-Gebietsbeeinträchtigung durch schiffserzeugte Belastungen

Was die Beeinträchtigung der Schutzziele europäischer Naturschutzgebiete angeht, wandte sich das Gericht den speziellen schiffserzeugten Auswirkungen zu. Schiffswellen können tatsächlich die Schutzgebiete an beiden Ufern der Elbe beeinträchtigen. Deshalb waren im Planfeststellungsbeschluss Geschwindigkeitsbeschränkungen auferlegt worden. Ein geeignetes Überwachungssystem war allerdings noch nicht fertig entwickelt. Das Gericht verlangte insoweit einen nachträglichen Vorbehalt im Planfeststellungsbeschluss, damit das Überwachungssystem nicht nur Sache der Schifffahrtsverwaltungen bleibt.

Fischart Finte

Da die bisherigen Gutachten nicht zu 100% sicher beurteilen konnten, wie weit sich die ausbaubedingte Sauerstoffzerrung auf den Erhaltungszustand der Fischart Finte auswirkt, reichten nach Ansicht des Gerichts die festgesetzten Schutzauflagen alleine nicht aus. Vielmehr hielt es gutachtliche Untersuchungen für angezeigt.

Brutvögel

Nach den Planungen steigt die ausbaubedingten Überflutungshäufigkeit von Vorlandflächen (in denen sich die Brutvögel aufhalten) zwar rechnerisch an. Allerdings führen bereits die gewöhnlichen Wasserstandsschwankungen zu deutlich weiterreichenden Beeinträchtigungen des Brutgeschehens, als die rechnerisch ermittelte Steigerung des Überflutungsrisikos für Wiesenbrüter auf den Flächen der entsprechenden Höhenlage. Zugleich steigen die Sedimentationsraten in den Uferbereichen an, sodass Flächen für Brutvögel im Einzelnen und im Ergebnis gar nicht betroffen sein dürften. Das Gericht erwartete über die bisherigen hy­drologischen und hydromorphologischen Untersuchungen hinaus jedoch eine vertiefte Darstellung dieses Wirkungszusammenhangs.

Kohärenzmaßnahmen

Die von den Planungen umfassten Kohärenzmaßnahmen (im Wesentlichen: Wiederherstellung der Naturnähe von Ästuarien) müssen nach Ansicht des Gerichts noch klarer von denjenigen Maßnahmen abgegrenzt werden, zu denen die Mitgliedstaaten nach den einzelnen Entwicklungszielen für die jeweiligen FFH-Gebiete und nach dem integrierten Bewirtschaftungsplan (IBP Elbe) ohnehin verpflichtet sind. Der Einfluss der Zu- bzw. Abnahme der Sedimentation auf den Schierlingswasserfenchel müsse genauer dargelegt werden.

Pflanzenart Schierlingswasserfenchel

Speziell zur Pflanzenart Schierlingswasserfenchel trug das Gericht die Planungen zwar mit, verlangte jedoch, dass der Ansatz zur Ermittlung des Kompensationsumfangs (also: die Anzahl der Pflanzen pro Flächeneinheit) aus Vorsorgegründen noch näher begründet wird.

3.4 Wie ist die Gerichtsentscheidung vom 2. Oktober 2014 zu verstehen?

Dazu hatte das Gericht schon im Zuge der mündlichen Verkündung erklärt, dass zwar deutlich auf die verbliebenen und jetzt benannten Bedenken hinzuweisen war, dass sich aber die Zahl dieser Bedenken gemessen an den vorgebrachten Kritikpunkten der Umweltverbände eher klein ausnimmt, und dass Gründe für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu finden waren. Was also bei genauem Hinsehen bleibt, sind Unterschiede bei der gutachterlichen Untersuchungstiefe und bei der naturfachlichen Bewertung verschiedener Umstände. Wer insoweit wie seinerzeit verschiedene Medien von schweren handwerklichen Mängeln spricht, hat sich also mit den Inhalten der gerichtlichen Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Derart eingehend auf die Umweltauswirkungen ist wohl auch noch kein anderes bundesdeutsches Infrastrukturprojekt untersucht worden. Auf mehr als 6.600 Seiten sind gutachterlich alle denkbaren Umweltauswirkungen dokumentiert worden. Unzählige Karten und Abbildungen kommen hinzu. Das Gericht hat davon nur einzelne Bereiche beanstandet.

Das Ausbauvorhaben als solches muss jedenfalls weder geändert noch ergänzt werden, sondern bleibt auch nach der Gerichtsentscheidung unbeanstandet. Noch immer darf allerdings die Fahrrinnenanpassung baulich nicht in Angriff genommen werden. Der Baustopp aus der Eilentscheidung vom 16. Oktober 2012 dauert also an.

4. Die Bedeutung der EuGH-Entscheidung zur Wasserrahmenrichtlinie

4.1 Das Vorlageverfahren

Die europäische Wasserrahmenrichtlinie und deren Umsetzung in das bundesdeutsche Wasserhaushaltsgesetz verbieten prinzipiell jede Verschlechterung der Gewässer (Verschlechterungsverbot) und verpflichten dazu, den ökologischen Zustand der Gewässer zu verbessern (Verbesserungsgebot). Ist dennoch z.B. wegen eines Fahrwasserausbaus mit einer Verschlechterung des Gewässers zu rechnen, dann darf das Vorhaben nur unter sehr engen Voraussetzungen genehmigt werden (s. § 31 Abs. 2 S. 1 WHG: „Wird bei einem oberirdi- schen Gewässer der gute ökologische Zustand nicht erreicht oder verschlechtert sich sein Zustand, ver- stößt dies nicht gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn 1. dies auf einer neuen Verän- derung der physischen Gewässereigenschaften oder des Grundwasser-stands beruht, 2. die Gründe für die Veränderung von übergeordnetem öffentlichen Inte- resse sind oder wenn der Nutzen der neuen Verände- rung für die Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder für die nachhaltige Entwicklung größer ist als der Nutzen, den die Erreichung der Bewirtschaftungszie- le für die Umwelt und die Allgemeinheit hat, 3. die Zie- le, die mit der Veränderung des Gewässers verfolgt werden, nicht mit anderen geeigneten Maßnahmen er- reicht werden können, die wesentlich geringere nach- teilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, tech- nisch durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden sind und 4. alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern.“).

Zur Umsetzung dieser Rechtspflichten der Mitgliedsstaaten sieht die WRRL die Klassifizierung des ökologischen Zustands eines jeden Oberflächenwasserkörpers in die Zustandsklassen »sehr gut«, »gut« und »mäßig« vor. Der ökologische Gewässerzustand und dessen Einordnung in eine der Zustandsklassen hängt wiederum von dessen biologischen Qualitätskomponenten und (unterstützend) auch von dessen hydromorphologischen, chemischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten ab, die im Anhang zur WRRL im Einzelnen beschrieben sind.

Es war zuvor zwar die vorherrschende Auffassung, dass eine Verschlechterung des Gewässers nur dann anzunehmen ist, wenn der Oberflächenwasserkörper ausbaubedingt in eine schlechtere Zustandsklasse wechselt. Dieser Auffassung hatten sich prinzipiell auch die Planfeststellungsbehörden angeschlossen. Dennoch war fachlich umstritten, ab wann von einer Verschlechterung auszugehen ist.

Das BVerwG hatte deshalb sowohl im Klageverfahren wegen des Weserausbaus als auch in der Auseinandersetzung um die Elbvertiefung festgestellt, dass die Rechtsmaßstäbe bei der Auslegung und Anwendung der WRRL bislang ungeklärt sind. Mit der bereits erwähnten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatte das BVerwG deshalb im Juli 2013 den EuGH um eine Entscheidung zu den Fragen gebeten,

ob die Anforderungen der WRRL auch im Planfeststellungsverfahren als konkrete Zulassungsvoraussetzungen anzusehen sind, oder ob sich die WRRL darauf beschränkt, bloße Zielvorgaben für die Gewässerbewirtschaftung aufzustellen, und

welche Kriterien für die Feststellung einer Verschlechterung eines ökologischen Zustands eines Gewässers maßgebend sind (BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013 7 A 20.11 – (We- servertiefung)).

Der EuGH hörte die Mitgliedsländer, die am Ausgangsprozess beteiligten Seiten und auch die EU-Kommission an und entschied schließlich zwei Jahre später:

Die Mitgliedstaaten sind vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu untersagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet.

Der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine »Verschlechterung des Zustands« eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dar (EuGH, Urteil vom 01.07.2015 – C461/13).

4.2 Die Bedeutung der EuGH-Entscheidung

Vordergründig hat der EuGH festgelegt, wie die WRRL prinzipiell zu verstehen und anzuwenden ist. Damit ist jedenfalls die bisherige Debatte, ob eine (verbotene) Verschlechterung erst einsetzt, wenn sich ausbaubedingt die Einordnung des Gewässers in eine schlechtere Zustandsklasse ergibt, einstweilen beendet. Ob die Entscheidung im Übrigen sinnvoll und hilfreich ist, darüber gehen die Meinungen auseinander (eine sehr differenzierte Analyse findet sich etwa bei Reinhardt, »Das Verschlechterungsverbot der WRRL in der Rechtsprechung des EuGH«, UPR 2015, Seite 321 ff). Man wird immerhin zugestehen müssen, dass damit prinzipiell die Umweltbelange gestärkt worden sind. Denn zukünftig ist schon dann von einer Verschlechterung auszugehen, wenn sich auch nur der Zustand einer Qualitätskomponente um eine Klasse verschlechtert – selbst wenn die Klassifizierung des Gewässers danach trotzdem unverändert fortbesteht (umgekehrt allerdings gilt: selbst wenn sich alle Qua- litätskomponenten innerhalb ihren jeweiligen Klas- sen deutlich verschlechterten und so den ökologi- schen (Gesamt)Zustand des Gewässers deutlich schwächten, bliebe diese Folge unberücksichtigt, so lange es bei keiner Qualitätskomponente zu einem Klassensprung kommt).

Gleichwohl darf die industriepolitische Dimension der Entscheidung nicht übersehen werden, lehrt doch die Geschichte, dass die Industrialisierung in Deutschland und Europa sehr viel mit Wasser und Wasserwegen zu tun hat. Denn Flüsse, insbesondere große Flüsse waren und sind immer beides:

einzigartiger Lebensraum für Flora und Fauna, an manchen Stellen auch von hoher ökologischer Bedeutung,

aber sie sind auch Verkehrswege für Binnen- und Seeschiffe, Spender und Vorfluter für die industrielle Wassernutzung, Quellen des Brot- und Fischerwerbs, Orte der menschlichen Erholung auf und am Wasser und

und sie erinnern an Sturmfluten und die Verpflichtung, den Gefahren des Hochwassers vorzubeugen.

Wären zukünftig alle Projekte verboten, die gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, dann wären zahlreiche Infrastrukturvorhaben in allen Mitgliedsländern betroffen. Das führte nicht nur zu einem unverhältnismäßigen Planungs- und Untersuchungsaufwand, inklusive Verlängerung und Verteuerung aller Genehmigungsprozesse, sondern es ergäben sich ernstliche Risiken letztlich auch für ständig notwendige Unterhaltungs- und Schutzmaßnahmen und das generelle Bedürfnis nach Gewässernutzung, auf die der Mensch zwingend angewiesen ist.

Noch nicht einmal für das Schicksal der Fahrrinnenanpassung ist mit der EuGH-Entscheidung viel gewonnen. Denn es stellen sich nunmehr in der praktischen Anwendung nicht nur zahllose andere Fragen, allen voran die, wie sich eine Verschlechterung einer Qualitätskomponente (statt bisher der Zustandsklasse des Gewässers) methodisch einwandfrei und rechtsfehlerfrei herleiten und objektiv feststellen lässt, und wie sich verschiedene Veränderungen im Zusammenspiel zwischen hauptsächlicher (biologischer) Qualitätskomponente und (unterstützenden) weiteren Qualitätskomponenten darstellen. Ferner wird es zukünftig auf die Frage ankommen, ob ein Ausbau trotz seiner gewässerverschlechternden Auswirkungen dennoch im Ausnahmewege zugelassen werden kann. Diesen Vorbehalt betont die EuGH-Entscheidung zwar ausdrücklich, sie enthält aber zur Frage der Ausnahmefähigkeit keine weiteren Konkretisierungen. Gerade aber die Voraussetzungen, unter denen ein Ausbau ausnahmsweise dennoch zugelassen werden kann, entscheiden zukünftig über Weser- und Elbvertiefung sowie über zahlreiche andere Infrastrukturvorhaben mit Gewässerbezug in ganz Europa.

5. Wie geht es jetzt weiter?

Veranlasst durch den Aussetzungs- und Hinweisbeschluss des BVerwG haben die zuständigen Behörden des Bundes und Hamburgs umgehend begonnen, den Bedenken des Gerichts gerecht zu werden. Dazu erarbeiten die Vorhabensträger mit den Fachgutachtern die jeweils besten Wege. Allerdings sind die beanstandeten Defizite schneller behauptet, als sie behoben werden können. Denn das BVerwG (BVerwG -7 A 14.12-; Beschluss vom 02.10.2014) hat in jeder einzelnen Frage eine verbesserte Kenntnislage oder eine verbesserte, vertiefte Ableitung verlangt, ohne selbst gesagt zu haben, wie denn eine solche Ableitung oder ein solcher Nachweis konkret zu führen sein soll. Das hat auf der Seite der Ausbauverwaltungen sehr breit angelegte, aufwendige Nachuntersuchungen ausgelöst. So ist z.B. die Kartierung von gefährdeten Pflanzen oder die Kartierung aller einzelnen Brutvogelgelege auf allen Brutvogelflächen entlang beider Ufer der Elbe von beachtlicher Flächendimension und überdies naturgemäß nur dann aussagekräftig, wenn bestimmte Brutzeiträume und Populationsstadien erfasst werden.

Seit der Entscheidung des EuGH zur WRRL im Juli 2015 (EuGH, Urteil vom 01.07.2015 – C461/13) werden parallel dazu die sich daraus ergebenden Maßgaben in die entsprechenden Planunterlagen eingearbeitet. Allerdings stellen sich zahlreiche neue Fragen in der konkreten Umsetzung des Urteils, die hier bundesweit erstmalig beantwortet werden müssen.

Die Nachbearbeitungen und Überarbeitungen werden voraussichtlich in den nächsten Wochen abgeschlossen werden können. Danach werden die Planfeststellungsbehörden mit den ergänzten Unterlagen ein entsprechendes Planergänzungsverfahren einleiten und allen Umweltverbänden wie auch den Umweltverwaltungen der Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg die Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. Das ist auch dem BVerwG gegenüber angekündigt worden. Angestrebt wird, die Beteiligung noch in diesem Jahr abzuschließen.

Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren sind dann die Planfeststellungsbehörden aufgerufen, über die Planergänzung zu entscheiden. Erst dann kann das noch immer anhängige Gerichtsverfahren beim BVerwG fortgesetzt werden. Wann es dort zu einer erneuten mündlichen Verhandlung und danach zu einem abschließenden Urteil kommt, lässt sich im Hinblick auf die hier ausführlich beschriebenen Besonderheiten dieses Projekts nicht vorhersagen. Es bedarf also auch weiterhin eines langen Atems.

Autor: Dr. Hans Aschermann

Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation Hamburg, Leiter des Rechtsamts, hans.aschermann@bwvi.hamburg


Hans Aschermann