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Lean Maritime hilft Unternehmen, die Produktivität ihrer Arbeits-

abläufe zu erhöhen. Das gilt in der Fertigung ebenso wie bei der

Versorgung von Kreuzfahrtpassagieren an Bord. HANSA sprach mit Geschäftsführer Theo Herzog
HANSA: Die auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierten Werften gelten bereits als innovative und moderne Unternehmen. In welchen Bereichen sehen Sie grundsätzlich[ds_preview] Optimierungsmöglichkeiten in der Fertigung?

Theo Herzog: Der Kreuzfahrtmarkt ist aktuell hochdynamisch. Auf der einen Seite werden ganze Märkte neu erschlossen, gleichzeitig steigen aber Umweltauflagen, und auch die Innovationen in den Neubauten werden weiter vorangetrieben. Die Reeder geben diese Anforderungen direkt an die Werften weiter und verlangen eine extreme Flexibilität und eine hohe Innovationsfähigkeit in der der Auftragsabwicklung. Bis zur Ablieferung des Schiffes werden das Design und die Technik noch permanent geändert. Bewährte Konzepte aus anderen Industrien, wie ein Design-Freeze, funktionieren dann nicht mehr. Die Werften müssen sich komplett flexibel und effizient aufstellen, um das Projekt termingerecht und mit positiver Marge abliefern zu können. Hinzu kommen noch die kurzen Durchlaufzeiten, wo es dann vor allem an den Schnittstellen zu anderen Gewerken und Lieferanten zu Spannungen kommt.

Generell ist die Auftragslage beim Neubau von Kreuzfahrtschiffen doch ausgesprochen gut. Wo liegt die Herausforderung?

Herzog: Viele Projekte sind sehr knapp kalkuliert. Die Mitarbeiter sehen nur die vollen Auftragsbücher, die Mitarbeiterproduktivität hält aber mit den eigentlichen Anforderungen oft nicht Schritt. Schnell werden auch indirekte Stellen weiter ausgebaut, die dann in Krisenzeiten nur schwer abzubauen sind. An diesen Themen müssen die Werften permanent arbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was sind Ihre Ansatzpunkte, um eine höhere Effektivität zu erreichen? Was ist das Ziel (die Vorteile) einer Neu-Organisation?

Herzog: Wir stellen bei den Optimierungen stets den Wertschöpfungsprozess in den Vordergrund und entwickeln dafür Konzepte, um die Produktivität und die Qualität permanent zu erhöhen. Dabei ist es wichtig die Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass die Verschwendung von Arbeitszeit minimiert wird und die Mitarbeiter produktiv und ohne Störungen arbeiten können. Spannend sind aktuell auch operative Konzepte mit digitalen Strategien und Sensoren; das eröffnet nochmals neue Möglichkeiten zur Optimierung. Generell möchten wir unsere Kunden immer aus der Komfortzone stoßen, damit sie sich permanent verbessern. Bei Kreuzfahrten selbst, also im laufenden Schiffsbetrieb, sind Null-Wartezeiten für den Passagier das Ziel.

Welche Hürden bauen sich typischer Weise dabei auf? Warum führen Unternehmen ihren Modernisierungsprozess nicht allein?

Herzog: Gute Unternehmen modernisieren sich fortlaufend und können das auch gut allein. Gemeinsam können wir aber den Fahrplan neu justieren und die Geschwindigkeit der Implementierung deutlich erhöhen. Geschwindigkeit ist der Hauptstellhebel jedes Erfolges. Ist Ihr Konkurrent schneller, hat er einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und setzt den neuen Standard, Sie laufen dann nur noch hinterher. Heute wird zum Beispiel der Gepäckprozess beim Passagierwechsel digital erfasst und dem Kunden wird mitgeteilt, wann der Koffer in der Kabine ist. Warum ist aber der Koffer nicht einfach vor dem Kunden in der Kabine? Das sind die Fragen über Wertschöpfung und Verschwendung. Wir entwickeln innovative Konzepte für einen entscheidenden Schritt nach vorn.

Häufig ist die Macht der Gewohnheit groß. Wie lässt sich der einzelne Mitarbeiter davon überzeugen mitzuziehen?

Herzog: Die Führungsmannschaft muss klar kommunizieren, wohin sie möchte. Klare Aufgabenstellung, klare Ziele, klarer Fahrplan – ohne Wenn und Aber. Anschließend binden Sie die Mitarbeiter in den Veränderungsprozess mit ein und überzeugen sie von den Vorteilen.

Lässt sich das Prinzip »lean management« generell auf jedes Unternehmen, auch in der (Kreuz-)Schifffahrt, übertragen – oder gibt es da Grenzen?

Herzog: Schlanke Prozesse und der Kampf gegen die Verschwendung sind allgemeingültig. Man kann jedoch viel falsch machen, wenn man nur Konzepte aus anderen Branchen wie etwas aus der Automobilbranche kopiert, ohne die Rahmenbedingungen der eigenen Branche hinreichend zu betrachten. Bei Unternehmen wie der Meyer Werft, Porsche oder SAP ist »Lean« ein Kulturthema.

Und was genau sind die Möglichkeiten im Kreuzfahrt-Bereich?

Herzog: Sie können vor allem im Kreuzfahrtbereich »Lean« in fast allen operativen Prozessen anwenden. Die Organisation von Kreuzfahrten und des Schiffsbetriebs ist der industriellen Serienfertigung sehr ähnlich. Der glückliche Kreuzfahrtgast ist das Endprodukt der Serienfertigung. Einige Beispiele: Die Kabinenreinigung wurde mit der Ankunft der Gäste synchronisiert, so dass immer die richtige Kabine für den Gast fertig wird und der Gast dadurch keine Wartezeit mehr hat. Bei konsequenter Anwendung des »One-Piece-Flow« schafft man es, auch den Koffer vor Ankunft des Gastes auf die Kabine zu bringen. Galleys wurden bereits so modifiziert, dass dort eine richtige Serienfertigung erstellt wurde und die Speisen immer eine konstante Temperatur aufweisen. Durch die Optimierung der Laundry kann der Aufwand um 50% reduziert werden. Die frei gewordenen Kapazitäten können dann zur Betreuung der Kunden eingesetzt werden. Wir stellen auch grundsätzlich die Aussagekraft des oft angewandten Pax/Crew-Verhältnisses in Frage. Vielmehr müssen Sie operative Kennzahlen verwenden, die den Kunden im Fokus haben, konkret also: Wie lange warte ich auf ein Getränk auf dem Sonnendeck?

Warum finden solche Projekte bislang nicht mehr Nachahmer?

Herzog: Heute preschen die großen Kreuzfahrtreedereien wie Royal Caribbean vor. In fünf Jahren wird jedes Kreuzfahrtunternehmen »Lean« anwenden.


Krischan Förster