Der MPP-Carrier Zeamarine ist offenbar in großer finanzieller Not. Ein Restrukturierungsexperte übernimmt jetzt das Ruder, die bisherigen Geschäftsführer Többe und Fischer wurden abberufen.
Nach dem Abgang von Dominik Stehle gibt es nach Informationen der HANSA weitere personelle »Einschnitte« im Top-Management von Zeamarine. Im bislang letzten Akt des Stücks geht es[ds_preview] um die Personalien Jan-Hendrik Többe und Frank Fischer. Der Co-Gründer und geschäftsführende Gesellschafter der gesamten Zeaborn-Gruppe musste ebenso wie der Vice President Tonnage-Procurement – also der Charter-Chef – seine Geschäftsführer-Mandate abgeben.
Denn der MPP-Carrier Zeamarine, entstanden nach der vollständigen Übernahme von Intermarine, steckt offenbar in erheblicher finanzieller Not. In der Branche gilt es als offenes Geheimnis, dass die zahlreichen Übernahmen und der Wachstumskurs für Reibungsverluste und finanzielle Verluste gesorgt haben. Gut informierte Quellen berichten, dass die Liquidität schwindet und erste Kunden angesichts der wachsenden Unsicherheit Aufträge storniert oder dies angekündigt haben. Dem Vernehmen nach belaufen sich allein die operativen Verluste auf einen siebenstelligen Betrag – pro Monat.
Zeaborn – eine Chronik
April 2013 – Die Reederei wird gegründet. Dahinter steht der Bremer Bauunternehmer Kurt Zech mit 90% der Anteile
April 2014 – In China werden Bauaufträge für bis zu 10 MPP-Schiffe gezeichnet. Der Plan wird später wieder aufgegeben. Als Ziel wird eine Flotte von knapp 100 Schiffen ausgegeben – 30 in eigenem Besitz, 30 in Charter und 30 im Spotmarkt
Juli 2015 – Beteiligung (50%) an der Befrachtungsgesellschaft EMS ConBulk (Leer)
Mai 2016 – Mehrheitliche Übernahme der Ahrensburger HC-Gruppe mit 14 MPP-Schiffen. Dazu kommt eine Kooperation mit Carisbrooke Shipping, weitere 16 MPP-Schiffe wechseln ins Zeaborn-Management
März 2017 – die Rickmers Linie wird übernommen. Es entsteht eine kombinierte Flotte von rund 50 MPP-Frachtern von 7.500 bis 30.000 dwt
September 2017 – ein Konsortium um die Bremer Zeaborn-Gruppe und Bertram Rickmers als Minderheitsgesellschafter übernimmt die Shipmanagement-Sparte (Maritime Services) von der insolventen Rickmers Holding
Januar 2018 – Übernahme der E.R. Schiffahrt von Erck Rickmers
Mai 2018 – Gründung eines Joint Ventures mit Intermarine zur Befrachtung der kombinierten Flotte
Januar 2019 – Zeaborn bestellt Neubauten in China
April 2019 – Übernahme der restlichen Anteile an Intermarine
Juni 2019 – Kauf von CPO Tankers von Claus-Peter Offen
Juli 2019 – Co-Gründer und Gesellschafter Ove Meyer zieht sich zurück und legt alle operativen Mandate nieder
September 2019 – Zeaborn und MPC Capital legen ihre Befrachtungsunternehmen unter der Marke Harper Petersen zusammen
Die finanziellen Probleme sind zwar in erster Linie im Chartering-Geschäft entstanden, erstrecken sich aber aufgrund von Garantie- und Haftungsverpflichtungen mittlerweile auf die gesamte Gruppe. Zudem soll zum Jahresende eine Schlusszahlung im zweistelligen Millionen-Bereich an den Zeamarine-Mitgesellschafter Bertram Rickmers anstehen – offensichtlich fehlt nicht nur dafür das Geld in der Zeaborn-Kasse. Womöglich steht der MPP-Carrier, mit 75 Schiffen die Nr. 4 der Welt, sogar auf der Kippe.
Kurt Zech, Bremer Bauunternehmer und Hauptanteilseigner von Zeaborn, hat nach einer Krisensitzung vor wenigen Tagen einen externen Sanierungsexperten ins Haus geholt. Dabei handelt es sich nach HANSA-Informationen um Sven Lundehn, Geschäftsführer des Bremer Beratungsunternehmens Alldatax, und in der Branche bestens bekannt als ausgewiesener und »knallharter« Restrukturierungsfachmann. So hatte Lundehn unter anderem die Bremer Beluga-Gruppe liquidiert und eine Vielzahl von Ein-Schiffsgesellschaften durch die Insolvenz geführt. Jetzt hat Lundehn bei Zeamarine das Ruder übernommen. Mit welchem Auftrag, bleibt offen.
Fischer, der vorerst noch Teil des Management-Teams bei Zeamarine bleibt, und Többe sind nur die jüngsten beiden Personalien auf einer inzwischen langen Liste von ausgetauschten Führungskräften.
Andre Grikitis, Spiritus Rector bei Intermarine, musste bereits vor Monaten als CEO zurücktreten. Der ehemalige Ernst-&-Young-Manager Chad Call hatte zudem Michael Dumas als Finanzchef abgelöst. Und nicht zu vergessen Ove Meyer, mit dem das große »Stühlerücken« im Juli begonnen hatte.
Der Co-Zeaborn-Gründer, der zuvor noch zum »owners representative« bei Zeamarine ernannt worden war, hatte damals überraschend alle operativen Geschäftsführungsmandate niedergelegt – offiziell »um durchzuatmen« und sich »um andere wichtige Dinge« zu kümmern.
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte die HANSA exklusiv den Abgang von Dominik Stehle: Nach nicht einmal einem Jahr im Haus war der Schifffahrts- und Logistikspezialist aus eigenem Entschluss von seinem Posten als Chief Commercial Officer bei Zeamarine zurückgetreten. Er habe keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit gesehen, da es unterschiedliche Vorstellungen für die strategische Herangehensweise gebe, begründete der ehemalige deugro-Manager seinen Schritt.
Wie viele Akteure im MPP-Geschäft leidet Zeamarine und damit letztlich auch die gesamte Holding unter den seit Jahren herrschenden schwierigen Bedingungen am Markt. Zu wenig Ladung, zu viele Schiffe, schlecht zahlende Ladung.
Aber auch die Shipmanagement-Sparte von Zeaborn mit derzeit rund 130 Schiffen hat sich nicht wie erhofft entwickelt. Das Gesamtportfolio umfasst auch die Segmente Container und Tanker. Zuletzt wurde von Claus-Peter Offen dessen Tankerflotte übernommen. Im September folgte der vielbeachtete Zusammenschluss der Befrachtungsaktivitäten mit MPC Capital unter der Marke Harper Petersen. Mit Rob Grool wurde ein erfahrener Manager als neuer CEO von Zeaborn Shipmanagement eingesetzt. Vom erst jüngst bekräftigten Ziel, eine Flotte von insgesamt 250 Schiffen aufzubauen, ist man allerdings weit entfernt.
Zeaborn ist wiederum die Holding für alle Schifffahrtsaktivitäten der Zech-Gruppe. Darunter versammeln sich nach einem Aufsehen erregenden Expansionskurs mit einigen Übernahmen (siehe Chronik) unter anderem der MPP-Carrier Zeamarine einschließlich der ehemaligen Rickmers-Linie sowie Zeaborn Trust als Investitionsvehikel und Zeaborn Shipmanagement, entstanden nach den Übernahmen der ehemaligen Hamburger Schifffahrtsgrößen Rickmers Shipmanagement, E.R. Schiffahrt sowie IMM Shipping.