Die Situation der deutschen Reedereien und der hiesigen Flotte spitzt sich in der Corona-Krise offenbar zu. Beim Verband VDR läuten die Alarmglocken.
[ds_preview]Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat unter seinen Mitgliedern eine aktuelle Umfrage durchgeführt, insgesamt 50 Schifffahrtsunternehmen hätten geantwortet, darunter »fast alle der 30 größten Reedereien«, heißt es.
»Die Kreuz- und Fährschifffahrt waren sofort stark von den Folgen der Pandemie betroffen. Unsere aktuelle Umfrage zeigt deutlich: Mittlerweile werden fast alle Bereiche der Branche hart erfasst«, sagte heute Verbandschef Alfred Hartmann. Bei einer früheren Umfrage im März hatte sich die Entwicklung bereits abgezeichnet.
Den Angaben zufolge ergab die Umfrage unter anderem, dass die Umsätze der Unternehmen im März und April im Schnitt um 30-40% zurückgegangen sind. 44% registrieren demnach bereits eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Liquidität.
Deutsche Reeder spüren, so die Umfrage, zudem schon jetzt, dass Charterraten für Schiffe in allen Segmenten um teilweise bis zu 40% gesunken sind. Ein weiterer Verfall wird für die kommenden Monate erwartet. Die Zahl der Auflieger sei schon jetzt mit fast 500 Schiffen weltweit auf dem höchsten Niveau aller Zeiten. Dies betreffe insbesondere den Container-Verkehr, in dem deutsche Reedereien insbesondere als Tonnage-Anbieter präsent sind.
»Weitere Verschärfung« der Marktlage erwartet
»Die Umfrage zeigt den Stand der ersten Monate, sie ist eine Momentaufnahme«, sagte Hartmann. Angesichts des prognostizierten eklatanten Einbruchs des Welthandels rechnet er mit einer weiteren Verschärfung der Marktlage für die Handelsschifffahrt.
»Wesentliche Teile der deutschen Handelsflotte sind damit absehbar in ihrer Existenz gefährdet«, so der VDR-Präsident, der an die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 für die heimische Schifffahrt erinnert: »Seit damals haben wir 1.500 Handelsschiffe ins Ausland verloren, das ist ein Drittel der deutschen Flotte. Wenn sich Produktion und Konsum weltweit nicht rasch erholen, könnten die Folgen der Pandemie weitaus härter als die Finanzkrise sein. Wenn wir ein weiteres Drittel der deutschen Flotte verlieren, wären zehntausende Arbeitsplätze am Standort gefährdet.«
»Banken weigern sich«
Kurzfristig brauchen Reedereien mit Sitz in Deutschland seiner Meinung nach wie andere Dienstleistungsbranchen auch ungehinderten Zugang zu den KfW-Hilfsmaßnahmen. Bislang komme die Krisenhilfe noch nicht in erforderlichem Maß in der Branche an.
Entscheidend sei dabei der Zugang zu Liquidität: »Deutschen Reedereien als zumeist mittelständischen Betrieben droht ohne wirksame Unterstützung aus den KfW-Programmen das Aus.« Hartmann kritisiert, dass Banken sich weigern, Förderanträge an die KfW weiterzuleiten, obwohl sie nur ein kleines Restrisiko zu tragen hätten und selbst mit viel Steuergeld unterstützt worden seien – »ein unhaltbarer Zustand.«
Der Verband fordert, dass zur mittelfristigen Überwindung der Krise steuerliche Mehrbelastungen deutscher Schifffahrtsunternehmen im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz auch innerhalb der EU dringend vermieden werden – als Beispiel wird die 19%-ige Versicherungssteuer auf Schiffsversicherungen genannt. »Unser Standort ist in diesem Fall nicht mehr wettbewerbsfähig«, erklärte Hartmann, »Wir brauchen auch Klarheit, ob die bewährten Instrumente der Schifffahrtsförderung für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung von Seeleuten am deutschen Standort erhalten bleiben.«