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Das Corona-Virus beeinträchtigt weltweit die wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Schifffahrt leidet insbesondere unter der niedrigeren Industrieproduktion und einer schwächeren Nachfrage nach Öl und Kohle

Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben ihre Prognosen für die Weltwirtschaft und den Welthandel jüngst wieder nach oben korrigiert[ds_preview]. Demnach wird ein Wachstumsrückgang um »nur« 4,4% in diesem Jahr erwartet, während der IWF im Juni noch von einem Einbruch um 5,2% ausging. Dank den umfangreichen weltweiten geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen konnte ein Einbruch wie in den Jahren der Finanzkrise 2008/2009 verhindert werden.

Dennoch ist die Erholung mit erheblichen Risiken behaftet, da allerorten die Corona-Infektionen wieder steigen. Somit ist eher von einem schleppenden und unebenen Erholungsprozess auszugehen.

Linienreedereien gestärkt

Die Linienreedereien sind im Corona-Jahr 2020 bislang sehr gut gefahren, ganz im Gegensatz zu den bangen Erwartungen zu Beginn der Covid-19-Pandemie. Zwar führte der weltweite Einbruch des Welthandels zu einem rückläufigen Transportvolumen im unteren zweistelligen Bereich. Die Antwort der Linienreedereien war jedoch aktives und striktes Kapazitätsmanagement, zum Beispiel durch Leerfahrten, Streichungen von Diensten und den Einsatz kleinerer Schiffe.

Dadurch konnten die Linien die Frachtraten nicht nur stabil halten, sondern konnten sogar noch Steigerungen durchsetzen. Extrem niedrige Treibstoffkosten taten das Ihrige, so dass im Ergebnis die negativen Effekte der geschrumpften Transportvolumen sogar überkompensiert wurden – sehr zur Freude der Carrier und ihrer Shareholder, die im zweiten und dritten Quartal durchweg sehr gute Ergebnisse verbuchen konnten. Inzwischen haben Maersk und Hapag-Lloyd ihre Geschäftserwartungen für das Gesamtjahr nach oben korrigiert. Bis heute hat der »Notos Liner Index« seit dem Jahrestiefststand im März um rund 70% zugelegt und alle anderen Sektoren abgehängt (siehe Abbildung).

Schiffseigner holen wieder auf

Die Kapazitätseinschränkungen der Linienreedereien haben den Containerschiffs-Eignern zunächst tiefe Sorgenfalten ins Gesicht getrieben. Als unmittelbare Folge der Krise sanken die Charterraten stark. Gleichzeitig erhöhte sich die Aufliegerflotte auf fast 12%, das war mehr als nach der Finanzkrise von 2008/2009. Mit der Öffnung der meisten Volkswirtschaften und wieder anziehenden Handelsaktivitäten für Konsum- und Investitionsgüter wurden die Kapazitäten jedoch wieder ausgeweitet.

Während die Aufliegerflotte in Rekordzeit auf ein sehr niedriges Niveau schrumpfte, stiegen die Charterraten kräftig an und liegen insbesondere bei den größeren Schiffen inzwischen auf oder sogar über dem Vor-Corona-Niveau. Dies hat sich auch in Kurssteigerungen für Containerschiffsgesellschaften an der Börse niedergeschlagen, wenngleich in bescheidenerem Maße als bei den Linienreedereien.

Dry Bulk – Supergau bleibt aus

Anfang des Jahres sahen die Prognosen für den Trockenfrachtmarkt gar nicht gut aus. Die Ausbreitung der Pandemie ließ stark rückläufige Rohstofftransporte erwarten. Insbesondere für Eisenerz wurde sowohl mit einem Produktionseinbruch in Südamerika als auch mit einem Nachfragerückgang in Asien gerechnet. Schiffseigner lenkten ihre Tonnage aus dem Atlantik in den Pazifik um. Entgegen allen Erwartungen blieb die Produktion in Brasilien auf hohem Niveau stabil.

Das Stimulus-Paket der chinesischen Regierung und die Steigerung der heimischen Stahlproduktion sorgten für eine robuste Nachfrage, so dass der befürchtete Einbruch bei den Eisenerztransporten ausblieb. Mit diesem Rückenwind konnten die Bulker-Aktien von ihren Tiefs im Februar zulegen (siehe obere Abbildung).

Tanker auf Achterbahnfahrt

Im zweiten Quartal des Jahres erlebten die Tanker-Märkte eine ungeahnte Hausse. Die Saudis fluteten die Ölmärkte und schickten eine Rohöl-Armada in die USA und nach Asien. Zudem führte der starke Verfall der Ölpreise zu einer extremen Contango-Situation, so dass sich das Einlagern von Öl auf Tankern lohnte und Öltanker auf einmal Mangelware wurden.

Doch auch in der Tankschifffahrt gilt die Schwerkraft und die vollen Öllager fordern nun ihren Tribut. Rohöl- und Produktentanker leiden jetzt unter den anhaltend niedrigen Verbrauchswerten für Rohöl und dem Abbau der vollen Lager. Experten rechnen mit einer Erholung des Marktes erst ab Mitte kommenden Jahres, wenn das Klima-Phänomen »La Niña« über das Winterhalbjahr die Öllager leert. In der Folge konnten Tanker-Aktien ihr Kurshoch vom April nicht halten.

Nach Einschätzung vieler Analysten wird Corona neben den oben beschriebenen kurzfristigen Effekten aber auch langfristig wirkende Effekte nach sich ziehen. Das Tanker-Orderbuch befindet sich auf einem 23-Jahres-Tief (siehe Abbildung unten). In normalen Zeiten würde dies mittelfristig steigende Einnahmen erwarten lassen. Bedingt durch die Pandemie haben sich jedoch sowohl die kurz- als auch die langfristigen Erwartungen für den künftigen weltweiten Ölverbrauch nach unten verschoben. BP erwartet sogar, dass die weltweite Ölnachfrage bereits 2019 ihren Höhepunkt erreicht hat. Jetzt müssen es die Tonnenmeilen und die Verschrottung richten.