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Die Mitglieder des Bremer Rhedervereins kämpfen wie ihre Kollegen an anderen Standorten mit volatilen Märkten und den Corona-Folgen. Für bessere Aussichten im weltweiten Wettbewerb sieht Vorsitzer Michael Vinnen vor allem die Bundespolitik in der Pflicht

Wie bedeutend sind die Reedereien in Bremen für den Schifffahrtsstandort Deutschland?

Michael Vinnen: 25 Reedereien bereedern rund 270[ds_preview] Schiffe mit 4,5 Mio. BRZ. Damit ordnet sich Bremen nach Hamburg auf dem zweiten Rang unter den deutschen Standorten ein.

Welche Themen stehen für Sie und ihre Mitglieder ganz oben auf der Agenda?

Vinnen: Das dominierende Thema für alle Reedereien waren und sind die Schwierigkeiten, den Seeleuten das Ab- und Anmustern an Bord der Schiffe zu ermöglichen. Daneben beschäftigt uns vor allem die Versicherungsteuer. Da sind die deutschen Reeder gegenüber ihren Wettbewerbern stark benachteiligt. Abgesehen von der Kaskoversicherung werden 19% fällig. In anderen Ländern ist die Versicherungsteuer entweder völlig unbekannt oder auf maximal 3% begrenzt. Unverständlicherweise zeigt sich der Bundestag bislang nicht gewillt, dem Bundesrat zu folgen und einer generellen Absenkung der Versicherungsteuer auf 3% zuzustimmen.

Erfreulich hingegen ist, dass Bremen im kommenden Jahr sein Schiffsregister digitalisieren wird. Der Bremer Rhederverein hatte sich schon seit längerem dafür stark gemacht.

Worin liegen die Stärken Bremens?

Vinnen: In der deutschen Handelsflotte dominieren mit 55 % die Containerschiffe, danach folgen Massengutschiffe mit 20%. Die Bremer Flotte ist ausgewogener mit je 25% bei Tankern und Multipurpose-/Schwergutschiffen. Dazu kommen Bulker, Schlepper, Forschungsschiffe und andere Schiffstypen. Für den Standort Bremen sprechne zudem die »kurzen Wege«. Die enge Kommunikation zwischen Reedern, schifffahrtsaffinen Branchen, der Verwaltung und der Politik erleichtert manches. Zusammen mit spezialisierten Anwälte, überregional tätigen Schiffsversicherern, dem Schiffsregister sowie den Hochschulen Bremerhaven und Bremen mit ihren schifffahrtsbezogenen Studiengängen ergibt das einen exzellenten Standort für die Schifffahrt.

Werden Ihre Interessen auf Bundes- und Landesebene ausreichend gewürdigt?

Vinnen: Bremen ist maritim und denkt maritim. Insofern fühlen sich die Reeder in Bremen gut aufgehoben und in ihrem Engagement für den Schifffahrtsstandort anerkannt. Der Bund hatte vor einigen Jahren wichtige Entscheidungen insbesondere für die deutsche Flagge getroffen, so den hundertprozentigen Lohnsteuereinbehalt für Seeleute oder die volle Erstattung der Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungsbeiträgen. Derzeit werden die auf fünf Jahre befristeten Maßnahmen evaluiert.

Leider scheint nicht allen Regierungsmitgliedern und Parlamentariern bewusst zu sein, warum diese Entscheidungen getroffen wurden. Deutsche Reeder können im globalen Wettbewerb der weltweiten Handelsschiffe nur dann bestehen, wenn sie mit einer zumindest im europäischen Maßstab vergleichbaren Kostenstruktur arbeiten können.

Bei welchen Themen fehlt es Ihnen an politischer Unterstützung?

Vinnen: Noch sind 5% der Welthandelsflotte deutschen Reedern zuzuordnen. Jedoch hat die deutsche Handelsflotte seit ihrem Höchststand 2012 40% ihrer Tonnage eingebüßt, während die weltweite Handelsflotte im gleichen Zeitraum um 30% angewachsen ist. Dieser Trend muss gestoppt werden. Dazu müssen die Hilfen des Bundes für die deutsche Seeschifffahrt unbefristet verlängert werden. Mit der Versicherungsteuer sollte sich der Bundestag noch einmal dringend befassen.

Ist die deutsche Flagge noch eine Option?

Vinnen: Mit einer Verstetigung der Schifffahrtsbeihilfen sowie ihrer Entfristung kann die deutsche Flagge an Attraktivität gewinnen, vorausgesetzt, weitere Hemmnisse, wie zum Beispiel die Versicherungsteuer, werden beseitigt.

Außerdem ist es dringend erforderlich, eine weitere Verschlankung der Flaggenadministration zu erreichen. Zumindest sollte sich die deutsche Verwaltung mit denen in den Niederlanden, Dänemark oder Portugal messen lassen können. Ein einzige Anlaufstelle, eine Erreichbarkeit rund um die Uhr, ein durchgängig elek­tronischer Austausch der Dokumente sowie ein prompter Service müssen das Ziel sein. Wenn es der deutschen Verwaltung gelingt, in Sichtweite eines derartigen Serviceniveaus zu kommen, hat die deutsche Flagge sehr gute Chancen, wieder vermehrt am Heck der Schiffe aufgezogen zu werden.

Wie ist es denn um den Nachwuchs bei ihren Mitgliedern bestellt?

Vinnen: Gerne würden die Bremer Reeder mehr Schifffahrtskaufleute ausbilden, aber es besteht ein eklatanter Mangel an geeigneten Bewerbern. Die Schifffahrt sollte und muss in der Öffentlichkeit wieder wesentlich positiver dargestellt werden, damit junge Leute erkennen, welch spannendes Berufsfeld die Seeschifffahrt ist und welche Karrierechancen sie bietet.