In der Mehrzweck- und Heavylift-Schifffahrt sind diverse Neubau-Verträge fast ausverhandelt. Doch die positive Marktentwicklung und der Stahlpreis könnten einigen Projekten einen Strich durch die Rechnung machen. Ist das Neubau-Fenster schon wieder zu? Von Michael Meyer
Geheimniskrämerei und Rätselraten nehmen derzei[ds_preview]t einen großen Teil der stets gut brodelnden Gerüchteküche in der MPP-Branche ein. Wer wagt sich zuerst aus der Deckung mit seinen Neubau-Aufträgen und wer gibt wann und welche Details preis?
Abstract: Secrecy around new MPP new building projects
In the multipurpose and heavy-lift shipping sector, various newbuilding contracts have almost been negotiated. But the positive market development and the price of steel could put a spanner in the works of some projects. The modernisation of the fleet is undoubtedly on the agenda. There are parallels to the short-sea market. Is the window of opportunity for MPP shipowners closed again? Some players report on their plans, but keep details to themselves.
Dass die Flotte einer dringenden und umfassenden Modernisierung bedarf, ist mittlerweile ein allzu oft besungenes Lied, Text und Melodie sind fast schon ein Gassenhauer geworden, um im Bild zu bleiben.
Wer kommt zuerst aus der Deckung?
Ein Viertel der weltweiten MPP-Tonnage hat bereits die Schwelle von 15 Jahren überschritten (HANSA 02 | 2021). Vor allem die anstehenden und erwarteten Umweltanforderungen sowie die erhoffte bessere Kraftstoff-Effizienz für den Wettbewerb um Ladungen sind die treibenden Faktoren – auch wenn es noch eine Restunklarheit darüber gibt, inwiefern Heavylift-Schiffe in die IMO-Regulierung für die existierende Schiffe, also den EEXI-Index, eingebunden werden.
Doch in die Karten blicken lassen will sich nach wie vor kaum einer. Zu groß ist die Sorge, die möglicherweise entscheidenden Details von Anderen kopiert zu sehen. Die Schwemme an F-Typ-Neubauten vor einigen Jahren ist den MPP-Akteuren noch allzu sehr präsent. Verschiedenste Unternehmen sprangen auf den Zug auf, als immer mehr Einzelheiten zu den Designs durchsickerten.
Beim Hamburger Makler Toepfer Transport ist man nicht übermäßig überrascht über die Marktentwicklung. »Rein statistisch betrachtet, war es abzusehen, dass wir auf den nächsten Schweinezyklus zusteuern. Die Flotte ist derzeit schlichtweg nicht auf die verstärkte Nachfrage ausgerichtet, vor allem im Markt der MPP-Schiffe, Containerfeeder und kleineren Bulker«, sagt Geschäftsführer Hannes Holländer der HANSA. Der Bedarf sei seit langem bekannt, aber jetzt seien die Rahmenbedingungen deutlich besser.
Es gibt großen Bedarf seitens Reedereien und Operatoren an modernen Schiffen, sei es im Heavylift-, MPP-, General Cargo- oder KüMo-Segment. »Die gestiegenen Umweltanforderungen wirken wie ein Katalysator »on top««, so Holländer. Schon jetzt lässt sich die gestiegene Tonnage-Nachfrage deutlich an der Entwicklung der Charterraten ablesen, die in den vergangenen Monaten einen deutlichen Sprung machten: Der Toepfer-Index für eine sechs- bis zwölfmonatige Zeitcharter für einen 12.500-Tonner vom »F-Typ« kletterte von 6.381 $ im Juni 2020 auf 8.092$ im April.
20 Neubau-Projekte
Rund 20 Neubau-Projekte sind dem Vernehmen nach in konkreten Verhandlungen, die Branche befindet sich in einem Umbruch, sehr viele Akteure wollen etwas machen. Mittlerweile ist die Frage der Finanzierung nur noch eine von mehreren, nicht mehr die alles Entscheidende. »Bei den meisten stellt sich noch die Frage nach dem Antriebskonzept«, sagt Toepfer-Transport-Analyst Yorck Niclas Prehm.
Nach wie vor ist die Unsicherheit über Verfügbarkeit und Wirkung von alternativen Kraftstoffen nicht wegzudiskutieren. Vor allem ein einem Schifffahrtssegment, dass weniger mit festen Linien und Anlaufzeiten als vielmehr auf Tramp-Basis operiert – inklusive der Bedienung auch kleinerer Häfen, die in den Planungen beispielsweise für eine LNG-Bunker-Infrastruktur nicht ganz oben auf der Liste stehen.
Auch der Aufschwung im Containermarkt hat für Auswirkungen: Die MPP-Akteure konkurrieren mit Reedern von kleinen Containerschiffen und Bulkern um freie Werftslots. »Für Werften sind diese weniger komplexen Schiffsprojekte profitabler. Das wird ein Problem für den MPP-Markt, dann kann der Neubaupreis für einen 30.000-Tonner auch von 30 auf 40 Mio. $ steigen«, meint Holländer.
Parallel zu verbesserten Raten steigen auch die Baukosten, die Werften werden bei ihren Forderungen selbstbewusster, hängen allerdings auch selbst an »externen Faktoren«, wie Rohstoff- und Stahlpreisen. Immer wieder wollen Werften nachverhandeln: »Wer jetzt noch keine effektiven Verträge hat, dürfte sich sehr ärgern.«
»Bezogen auf das, was technisch möglich ist, gibt es derzeit nicht wirklich richtig moderne Schiffe im MPP-Markt.«
Die Notwendigkeit besteht allerdings unbenommen – im Deepsea- wie auch im Shortsea-Markt (siehe eigener Beitrag), wie Prehm betont: »Bezogen auf das, was technisch möglich ist, gibt es derzeit nicht wirklich richtig moderne Schiffe im MPP-Markt. Wer effizientere Schiffe hat, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil.« Auf Dauer wird es seiner Ansicht noch eine stärkere Konzentration auf drei bis fünf große Player geben, die den Ton angeben. Schon heute kontrollieren die Top 5 BBC, Cosco, Spliethoff, AAL und Chipolbrok fast 40 % der weltweiten Kapazität.
Die größere Attraktivität für Neubauten kann den Aufschwung der Branche aber eben auch wieder abwürgen. So argumentiert beispielsweise Analystin Susan Oatway vom britischen Branchendienst Drewry. Die Ratensteigerungen liegen ihrer Ansicht nach vor allem darin begründet, dass Container- und Bulk-Reeder weniger MPP-Ladungen buchen, weil ihre eigene Marktlage deutlich besser geworden ist. Zudem sieht sie angesichts der unklaren Entwicklung der Weltwirtschaft weiter Risiken für die MPP-Branche. »Die Erholung ist fragil, auch angesichts des Flottenalters. Es besteht die Gefahr, dass der Trend zu vermehrten Neubau-Investments führt, obwohl es dafür auf der Ladungsseite nicht ausreichend Nachfrage gibt«, sagt Oatway. Auch wenn der kurzfristige Ausblick positiv ausfalle, sei man beim Blick auf die längerfristige Zukunft daher vorsichtig.
BBC und AAL planen Neubauten
Diverse Carrier und Reedereien bestätigen Neubau-Überlegungen, bleiben aber vage – beispielsweise auch bei AAL aus der Schoeller-Gruppe. Im HANSA-Interview (siehe eigener Beitrag am 03. Mai 2021) kann sich Geschäftsführer Kyriacos Panayides (noch) nicht dazu durchringen, allzu viele Informationen über die Pläne preiszugeben.
Ähnliches gilt für den Marktführer BBC Chartering aus der Leeraner Schifffahrtsgruppe Briese. CEO Ulrich Ulrichs hatte kürzlich im HANSA-PODCAST Neubauten angekündigt, ohne Details preiszugeben. Als aktueller Stand wird auf die jüngsten Flottenzuwächse verwiesen: Zwischen 2018 und 2020 waren bereits vier F500-Schiffe zu BBC gestoßen, vier weitere folgen: ein Schiff wird in der zweiten Hälfte dieses Jahr und drei weitere im Laufe des Jahres 2022 abgeliefert. »Zusätzlich erwarten wir in den Jahren 2023 und 2024 weitere modifizierte Einheiten des F500-Typs mit Brücke vorn. Weitere Projekte sind in Vorbereitung, zu denen wir zu diesem Zeitpunkt noch keine weiteren Details nennen können«, teilen die Leeraner mit, die zudem aktuell fünf gebrauchte MPP-Einheiten mit einer Tragfähigkeit von 25.000 dwt und einer Krankapazität von kombiniert 200 t aufgenommen haben. Sie kommen von der Reederei PIL, wurden durch Briese Schiffahrt erworben und werden sukzessive bei BBC Chartering in Zeitcharter übernommen.
Ebenfalls Neubauten im Zulauf hat der Carrier dships aus der Unternehmensgruppe deugro. Global Vice President Lars Feller will sich über aktuelle Marktentwicklung »nicht beschweren«.
dship »gut aufgestellt«
Langfristige Charter oder auch Secondhand-Käufe sind für dship eine Option, aber nicht zwangsläufig. »Es ist ja auch die Frage, was noch verfügbar ist. Der Spruch, es gibt immer Schiffe, verliert mehr und mehr an Gültigkeit – zumindest in Bezug auf Schiffe, die uns wirklich weiterbringen«, sagt der Manager.
Die Verschrottung von alter oder ineffizienter MPP-Tonnage wird seit Jahren intensiv debattiert. Zusätzliche regulatorische Anforderungen und vor allem der niedrige Schrottpreis galten jedoch immer wieder als schlagende Kontra-Argumente. Mit dem steigenden Stahlpreis in Asien wird nun ein Recycling auch für MPP-Reeder wieder attraktiver – so sehr er auch die Neubau-Pläne durchkreuzen könnte.
Ob das ausreicht, wird sich allerdings erst zeigen müssen, zumal die Fracht- und Charterraten mittlerweile wieder dazu führen, dass ältere Schiffe eben doch noch zu mehr oder weniger auskömmlichen Raten weiter betrieben werden können – eine komplexe Gemengelage.
Bezüglich möglicher Neubauten für dship ist Feller zurückhaltend: »Der Preisanstieg ist schon ordentlich. Man muss schauen, wie sich das weiter entwickelt. Für derartige Preise ist dann auch ein höheres Raten-Niveau nötig.« Man sei nicht per se gegen Neubauten, »nur gegen Neubauten zu überhöhten Preisen.«
Für die Nachfrage nach modernen Schiffen würde Feller auch von anderer Seite etwas mehr Druck auf die Branche begrüßen: von Ladungseignern und Kunden. In Segmenten wie der Container- oder auch der Bulkschifffahrt ist verstärkt der Trend zu beobachten, dass etwa große Handelshäuser auf umweltfreundlichere und energieeffizientere Tonnage setzen. Laut dem dship-Manager wird das in der MPP-Schifffahrt noch nicht wirklich nachgefragt. »Wir würden uns wünschen, dass der Druck zunimmt, damit alle Carrier gezwungen sind, etwas zu tun.« Dship selbst sieht er mit der eigenen Flotte darauf gut vorbereitet.
Aktuell besteht die Flotte aus 19 Frachtern, der Schwerpunkt liegt auf dem F-Typ. Zu den 19 Schiffen gehören fünf eher kurzfristig gebundene Charterschiffe – von denen zwei allerdings längerfristig auf Zeitcharter genommen werden sollen – acht Einheiten in langfristiger Charter und sechs Schiffe im Eigentum beziehungsweise mit deutlicher Beteiligung – vier F500er und zwei F360er. Dazu zählen auch die beiden Neubauten »Ronnie« und »Charlie«. Während »Ronnie« gerade erst abgeliefert wurde, soll »Charlie« voraussichtlich noch vor dem Herbst in Fahrt gehen. »Mit dann sieben F500ern ist das eine angenehme Größe für uns«, sagt Feller.
Kein Ende der Geheimniskrämerei
Damit ist das eigene, vier Frachter umfassende Neubauprogramm abgeschlossen. Was folgt nun? Feller ist vorsichtig: »Die Neubau-Preise ziehen deutlich an, es ist fast schon wieder zu spät.« Dship will den Markt weiter beobachten, müsse aber auch nicht immer beim »ersten Run« dabei sein. Weil man selbst nicht die Notwendigkeit zum Flottenaustausch habe wie der eine oder andere Wettbewerber, verspüre man keinen allzu großen Druck. Ausschließen will er aber nichts: Wir gucken uns alles an, auch den Kauf von Secondhand-Schiffen. Falls doch noch an der Flotte gearbeitet wird, will sich dship in Bezug auf die Schiffsgröße treu bleiben. Größere Einheiten – zumindest größer als die F- Typen+ »Angus« und »Malcolm« mit 13.000 tdw – liegen weiterhin nicht im Fokus.
Und dann sind da ja auch noch andere Akteure, die immer mal wieder für expansive Vorstöße gut sind. Etwa die Bremer Gruppe Harren & Partner mit den Carriern SAL und Intermarine, die sich in der jüngeren Vergangenheit ein wenig zu einer Wundertüte entwickelt hat, wenn es um neue Projekte jeglicher Art geht. Oder die Spliethoff-Gruppe aus den Niederlanden. Auch United Heavy Lift aus Hamburg gehörte zuletzt zu den verhältnismäßig aktiven Akteuren.
Die Branche blickt gespannt auf sich selbst – wer kommt aus der Deckung? Ungeachtet der steigenden Preise sollte es bald soweit sein, sind Neubau-Enthüllungen zu erwarten – stets mit dem Versuch, den Schleier über Details an Designs und Konfigurationen so spät wie möglich zu heben. Ein Ende der Geheimniskrämerei ist daher nicht zu erwarten. Denn die gehört zur Branche wie Kräne zu einem Heavylift-Schiff.