Die Einnahmen von Reedern und Carriern sprudeln (wieder), doch eine branchenweite Investitionswelle in eine verjüngte und öko-effiziente Mehrzweck-Flotte lässt weiter auf sich warten. Ein paar interessante Projekte gibt es allerdings. Von Michael Meyer[ds_preview]
Die Voraussetzungen sind bekannt, die neuen Regularien für bestehende (EEXI) und neue Schiffe (EEDI) fordern bessere und besser berichtete Effizienz-Werte in der weltweiten Handelsflotte – und damit natürlich auch in der Mehrzweck- und Heavylift-Schifffahrt.
Der Bedarf an moderner(er) Tonnage macht mehr oder minder große Investitionen in der MPP-Branche notwendig. Das wird nicht zuletzt an der Altersstruktur der Flotte deutlich. Der aktuelle Marktbericht vom Hamburger Makler Toepfer Transport zeigt, dass der Anteil der Schiffe, die älter als 15 Jahre sind, in der jüngeren Vergangenheit relativ konstant geblieben ist. In der Gesamtflotte von Frachtern mit mindestens 100 t Krankapazität liegt der Anteil bei rund 26%, im immer wichtigeren Segment mit mindestens 240 t Kapazität sind es 24%. Bezieht man allerdings die Schiffe mit ein, die mindestens zehn Jahre alt sind – also gebaut mit häufig deutlich weniger effizienten Designs als heute möglich sind – ergibt sich ein anderes Bild. Hier sind es 53% beziehungsweise 65%.
TMI klettert auf über 22.000 $
Zum Vergleich: Zum Jahreswechsel 2020/2021, also kurz bevor die Raten-Hausse begann und die Einnahmen deutlich anzogen, lag dieser Anteil noch bei rund 50%. Seitdem hat sich viel getan. Aus verschiedenen Gründen – zum Beispiel Engpässe in der Containerschifffahrt, Lieferketten-Probleme, mehr Projekte, mehr Windparks – erlebte die MPP-Schifffahrt einen signifikanten Aufschwung. Charter- und Frachtraten erreichten lange nicht gesehene Höhen.
Der Toepfer-Index für Zeitcharterraten der F-Typen (12.500 dwt, 240 t) kletterte von rund 7.000 $ auf über 22.000 $, in bestimmten Segmenten wurde sogar deutlich besser dotierte Kontrakte unterzeichnet. Nach langen Jahren mit zum Teil nicht einmal kostendeckenden Raten waren in den vergangenen Monaten erst Erleichterung, dann Freude gepaart mit einer gewissen Ungläubigkeit bei Reedern und Carriern deutlich vernehmbar. Eigentlich also endlich mal wieder verhältnismäßig gute Bedingungen, um über Investitionen in die Flotte nachzudenken.
Nachgedacht und geprüft wurde dann auch viel. Klassische MPP-Frachter in abgewandelter Form des F-Typs, größere Schiffe mit bis 66.000 tdw, Heavylifter und Spezialschiffe – in diversen Segmenten wälzten Ingenieure und Finanzverantwortliche Pläne und Ideen. Allein, die große Neubau-Welle ward bislang nicht gesehen, die Zahl der Aufträge ist kleiner als vielleicht erwartet wurde.
»Nur« 25 Neubauten im Orderbuch
Aktuell umfasst das Orderbuch laut Toepfer Transport 25 Neubauten, davon 23 im Bereich mit mindestens 240 t Krankapazität. Das sind lediglich 2,58% (100 t) beziehungsweise 5,62% der fahrenden Flotte. In der Containerschifffahrt sind es hingegen rund 25 %. Allerdings, das gehört zur Wahrheit dazu, mehren sich die Stimmen derer, die vor einer neuerlichen Überkapazität warnen, da Schiffseigner sich bei Werften derzeit die Klinke in die Hand geben. Insofern sind Vergleiche stets mit Vorsicht zu genießen.
Ein Zusammenhang ist aber nicht von der Hand zu weisen: Aufträge für Containerschiffe werden in der Regel in Serien platziert, und die Einheiten sind zudem relativ groß. Für die Werft-Industrie versprechen sie entsprechend größere Umsätze. Daher haben es MPP-Akteure mitunter schwer, überhaupt einen Bauplatz zu finden. Parallel sind die Preise kräftig geklettert – Angebot und Nachfrage lassen grüßen. So haben sich letztlich dann doch weniger Reeder für eine Bestellung entschieden, als viele mit Blick auf die notwendige Flotten-Modernisierung gedacht hätten. Auch heißt es aus diversen Kontoren, dass die Raten-Sprünge zwar ordentlich Geld in die Kassen gespült haben, diese aber nach der langen Dürrephase auch sehr leer waren und erst einmal wieder auf ein gesundes Niveau gebracht werden müssten, bevor man wieder daran denken könne, Geld auszugeben.
Weil gleichzeitig derzeit jedes Schiff gebraucht wird, um die große Nachfrage bedienen zu können, ist ein Älterwerden der weltweiten Flotte quasi programmiert. So gut wie kein Frachter wurde in den vergangenen Monaten zur Verschrottung aussortiert. Selbst wenn man den einen oder anderen »Oldie« loswerden will, hat sich auf dem Secondhand-Markt noch immer ein Abnehmer gefunden, der höhere Preise zu zahlen bereit ist, als man bei Scrap-Verkäufen erzielen konnte.
Nicht zuletzt ist ein Problem nach wie vor ungelöst, dass andere Branchen, die in Linienverkehren unterwegs sind, in diesem Ausmaß nicht haben: Mit den Rufen nach einer Modernisierung der Flotte gehen in der Regel Forderungen nach der Nutzung von alternativen Kraftstoffen einher. MPP-Schiffe fahren allerdings meist »tramp«, also ohne feste Fahrpläne und Rotationen, auch in entlegene Regionen und kleine Häfen. Für derlei Aktivitäten ist das Bunker-Netz für alternative Kraftstoffe, und sei es nur für die »Übergangslösung« LNG, noch immer nicht ausgelegt. Für welchen Kraftstoff also entscheiden, wenn man noch nicht weiß, ob und wo gebunkert werden kann?
Akteure in der Zwickmühle
Damit sind die MPP-Akteure ein bisschen in einer Zwickmühle: Soll man die guten Umsätze nutzen, um in neue Schiffe zu investieren, auch wenn die Preise derzeit recht hoch sind? Oder soll man weiter warten, auf Bauplätze, bessere Preise und mehr Klarheit in der Bunker-Frage?
Letzteres ist nicht ohne Risiko. Einerseits ist unklar, wie sich die Raten entwickeln. Angesichts der Unsicherheiten, die sich aus dem Ukraine-Krieg, der Corona-Pandemie und den offenen Fragen zum Ausbau der Energiewende ergeben – sehen wir vielleicht gar eine Renaissance der Investitionen in fossile Energieträger, um die (weltweite) Abhängigkeit von Russland zu verringern. Schon jetzt erwarten laut einer regelmäßigen Erhebung von Toepfer Transport immer mehr Branchenakteure einen Rückgang der Charterraten. Zum anderen sind die neuen Umweltvorgaben der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO zu erfüllen, weitere regionale Vorstöße könnten noch folgen. Eine Verschiebung der Fristen gilt in Regulierungsfragen als nahezu ausgeschlossen.
Aufträge und Pläne
Einige Reeder haben den Schritt auf den Neubau-Markt in den vergangenen Wochen und Monaten dennoch gewagt, andere denken ernsthaft darüber nach oder stehen bereits in Verhandlungen in unterschiedlichen Stadien.
Da wäre zum einen die Briese-Gruppe aus Leer mit dem MPP-Carrier BBC Chartering. Kurz nach der Indienststellung der »BBC Ukraine« hat die Gruppe im Februar zwei weitere Neubauten in Auftrag gegeben. Bei der chinesischen Werft Taizhou Sanfu wurden zwei F500-Typen bestellt, wie die HANSA aus verlässlicher Quelle erfahren hat. Dabei handelt es sich um Schwestern der jüngst abgelieferten »BBC Ukraine«. Der 147 m lange und 22,8 m breite 12.435-Tonner mit zwei jeweils maximal 250 t hebenden Kranen ist wiederum eine leicht weiterentwickelte Variante der »BBC St. Petersburg«, die 2020 abgeliefert worden war.
Eigner des Schiffes ist die Reederei Briese. Nach der »BBC Ukraine« kommen in diesem Jahr noch drei weitere Schwestern in Fahrt: »BBC Manila« Anfang April, »BBC Sebastopol« im Juli und »BBC Kherson« gegen Ende des Jahres. Die beiden jetzt kontrahierten Neubauten sollen in den Jahren 2023 und 2024 fertiggestellt werden.
Weitere MPP-Frachter mit speziellem Design für den Transport von Windenergie-Komponenten könnten bald hinzu kommen. Die Gespräche laufen dem Vernehmen nach aber noch.
Ebenfalls im Februar hatte der Carrier AAL aus der Unternehmensgruppe von Heinrich Schoeller Details zu einem Auftrag veröffentlicht. Dabei geht es um 32.000-Tonner. Nachdem im vergangenen November der Startschuss für ein Neubau-Programm dieser Größenklasse gefallen war, legt der Carrier nun in der »Super-B-Klasse« nach. Das Auftragsbuch wurde auf insgesamt sechs Schiffe aufgestockt. Die Super B-Klasse soll in der Lage sein, auf einer einzigen Fahrt mehr als 60.000 Frachttonnen (FRT) zu transportieren. Das freie Wetterdeck von 146 m x 26 m wird mit ausziehbaren Pontons ausgestattet, die es ermöglichen, dass bestimmte Ladungen wie Windflügel bei Bedarf über das Deck hinausragen können. Die 180 m langen Frachter sollen einen Tiefgang von 6,5 m haben und dadurch auch kleinere Häfen anlaufen können. Die Brücke wird im Bugbereich angeordnet, die Frachter sollen auch mit offenen Lukendeckeln fahren können, um die Kapazität für übergroße Ladungen zu verbessern. An Deck gibt es drei jeweils 350 t tragende Krane mit maximal 35,7 m Reichweite, die einen Tandem-Hub von 700 t ermöglichen.
Dual-Fuel für AAL
Unter Deck befinden sich zwei 15,6 m hohe Laderäume, von denen einer 68 x 25 m und der andere 38 x 25 m misst. Die Laderäume haben kein Mittelschott und sind so konzipiert, dass sie auch für die Aufnahme von trockenen Massengütern und für die Stauung gefährlicher IMO-Ladungen geeignet seien, heißt es weiter. Die Super B-Class wird den Angaben zufolge für »Dual Fuel« und die Nutzung von Methanol als Kraftstoff geeignet sein.
Auch United Heavy Lift aus Hamburg arbeitet an Neubau-Aufträgen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe gab es zwar noch keinen finalen Abschluss zu vermelden. Geschäftsführer Andreas Rolner hatte aber unlängst im HANSA Podcast verraten, dass es konkrete Gespräche gibt. Im Blick hat die Reederei dabei auch Dual-Fuel- und Methanol-Antriebe.
Die Gruppe Harren & Partner aus Bremen hat in Person von Geschäftsführer Nils Aden ebenfalls im HANSA Podcast betont, »in allen Segmenten« wachsen zu wollen. Das hauseigene Engineering habe auch Projekte für emissionsarme Neubauten in der Schublade, »spruchreif ist aber noch nichts.«
Abstract: MPP modernisation step by step
Shipowners‘ and carriers‘ revenues are bubbling up (again), but an industry-wide wave of investment in a younger and eco-efficient multipurpose fleet is still a long time coming. There are, however, a few interesting projects. The conditions are known, new regulations for existing (EEXI) and new ships (EEDI) demand better and better reported efficiency ratings in the global merchant fleet.