Nachdem der Bundestag die Mittel für eine neue »Polarstern« freigegeben hat, soll nun das Vergabeverfahren starten. Die Ansprüche sind hoch.[ds_preview]

Seit 40 Jahren fährt das Forschungsschiff »Polarstern« in die Arktis und Antarktis, bald wird es ausgemustert. Der zumindest inoffizielle Wettbewerb der Werften hat längst begonnen, nun will der Bund das offizielle Verfahren in die Wege leiten.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) aufgefordert, den Bau eines modernen, leistungsfähigen und nachhaltigen Nachfolgeschiffs auszuschreiben und zu koordinieren. Das AWI plant, die europaweite Ausschreibung für den Neubau »umgehend« zu veröffentlichen, sodass der Teilnahmewettbewerb als erster Schritt des Vergabeverfahrens zeitnah starten kann, wie es jetzt in einer Mitteilung heißt. Die Inbetriebnahme des neuen Schiffs ist für 2027 geplant. Für einen möglichst lückenlosen Übergang soll die notwendige Klassifikation der »Polarstern« zunächst bis Ende 2027 verlängert werden.

Als Forschungs- und Versorgungsschiff der Neumayer-Station III in der Antarktis ist die »Polarstern« eine zentrale Säule der deutschen Polarforschung. Seit seiner Indienststellung am 09. Dezember 1982 hat das Forschungsflaggschiff der Bundesrepublik Deutschland mehr als 1,8 Mio. sm zurückgelegt – und damit rechnerisch mehr als 82-mal die Erde am Äquator umrundet. 1999 wurde eine Generalüberholung gestartet.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte: »Ich freue mich sehr, dass der Weg für den Bau der neuen ›Polarstern II‹ nun frei ist. Damit kann die deutsche Meeres- und Polarforschung nahtlos an die Erfolge der ›Polarstern‹ anknüpfen, wie die MOSAiC-Expedition in die Arktis. Das Ziel des Neubauprojekts sei klar: Man wolle ein Forschungsschiff bauen, das wie sein Vorgänger der internationalen Wissenschaft eine Basis bietet und die Möglichkeit eröffnet, in den extremsten Umfeldern der Welt den Puls des Planeten zu fühlen, sagte AWI-Direktorin Antje Boetius. Ohne weiter ins Detail zu gehen, betonte sie, das neue Schiff solle »dank modernster Ausstattung und klimafreundlicher Technik zu einer Botschafterin für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt werden.«

Koordiniert wird der Bau des neuen Forschungs- und Versorgungsschiffes von einem neu gebildeten AWI-Projektteam unter Leitung des Luft- und Raumfahrtingenieurs Detlef Wilde. »Die einzigartige ›Polarstern‹ hat in 40 Jahren hohe Maßstäbe gesetzt. Wir wollen diese Messlatte überspringen und der Wissenschaft mit der Polarstern II ein modernes, leistungsfähiges und nachhaltiges Schiff und damit eine mehr als würdige Nachfolgerin liefern«, sagte er.

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© AWI

Der erste Schritt des Vergabeverfahrens ist nun der »demnächst beginnende« Teilnahmewettbewerb. Dabei ist eine europaweite Ausschreibung vergaberechtlich vorgeschrieben.Die geeigneten Bewerber werden nach erfolgreichem Abschluss des Teilnahmewettbewerbes zur Abgabe von Angeboten aufgefordert.

Die »Polarstern II« soll unter sich verändernden Eis- und Witterungsbedingungen einsetzbar sein, damit das AWI langfristig seinen Forschungsauftrag erfüllen kann, vor allem in den kalten und gemäßigten Regionen der Welt die komplexen Prozesse im System Erde zu entschlüsseln. So wird das Forschungsschiff, das wie sein Vorgänger weiterhin die Bundesdienstflagge führen wird, eine höhere Eisbrechleistung besitzen, damit es auch in die wenigen Gebiete vordringen kann, in denen das Eis für die heutige Polarstern zu dick ist, etwa das südliche Weddellmeer in der Antarktis. Die neue »Polarstern« soll eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren haben und auch im Eis überwintern können. Sie muss modernstes Großgerät für tiefe Sedimentbohrungen beherbergen können und wird über einen sogenannten »Moonpool« verfügen, eine geschützte Rumpföffnung im Schiff, damit komplexe Tauchroboter auch unter dem Eis tauchen können.

Nicht zuletzt soll die »Polarstern II« für Innovation und Nachhaltigkeit in der Forschung stehen und muss dazu höchste Energieeffizienz- und Umweltstandards erfüllen – etwa durch eine deutliche Reduzierung der Stickstoffoxid-(NOx)- und Partikelemissionen durch den Einsatz von Abgasnachbehandlungsanlagen und Partikelfiltern. Dabei müsse gewährleistet sein, dass sie auch in extremen Regionen fernab jeder Versorgung sicher, effizient und verlässlich betrieben werden kann, heißt es weiter.

»Nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens und erfolgter Zuschlagserteilung sollte die Arbeit auf der ausgewählten Werft 2023 beginnen«, sagt Wilde. »Nach eingehenden Testfahrten auch im Eis ist die Inbetriebnahme des neuen Schiffs für 2027 geplant.«