Gramann, Podcast, Schiffsrecycling
Henning Gramann, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von GSR Services (© HANSA)

Reeder sollten angesichts der drohenden Kapazitätsengpässe ihre Planungen für Schiffsrecycling früher beginnen und neu aufstellen, mahnt der Experte Henning Gramann. Mit Blick auf das Werftgeschäft meint der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter von GSR Services, auch in Deutschland sei lukratives Schiffsrecycling möglich.

In der neuen Folge des HANSA PODCASTs appelliert der Fachmann an Reeder, deutlich frühzeitiger in die Planungen für Schiffsverschrottungen zu gehen als bisher. »Das Thema ›freie Kapazitäten‹ wird bald ein ganz großer Knackpunkt. In den nächsten zwei, drei Jahren werden wir das Niveau vom Rekordjahr 2012 erreichen – und danach geht die Kurve weiter steil nach oben«, sagt Gramann, der von einem Käufermarkt spricht und mögliche Konsequenzen diskutiert.

»Das heißt, als Reeder kann ich hoffen, dass mein Schiff attraktiv genug ist für die Recycler. Man sollte sich gegebenenfalls vorab Kapazität sichern.« Die Planung werde oft vernachlässigt: »Häufig ist es so, dass bis zur letzten Minute versucht wird, das Schiff am Markt zu halten.«

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Beachtet werden sollte auch, wie sich Banken, Finanzpartner, Anteilseigner oder auch Ladungskunden bei dem Thema positionieren, bei denen Aspekte wie ESG oder »Corporate Social Responsibility« (CSR) eine immer wichtigere Rolle spielen können (oder andersherum eher »zweitrangig« sind). »Man kann kommerzielle Beweggründe und gute Recycling-Qualität kombinieren. Das bedeutet nicht, dass ich mein Schiff und einen Geldkoffer abgeben muss.«

Eine Frage sei immer, wie die Hongkong-Konvention für Schiffsrecycling verstanden und interpretiert wird, da gebe es ein sehr breites Spektrum. »Wichtig ist zu schauen, was sind die Bedarfe für das Schiff, was kann der Recycler liefern? Diesen normale Vetting-Prozessen, den wir aus ganz vielen Bereichen kennen, im Schiffsrecycling anzuwenden, ist überhaupt kein Problem.«

Gramann geht außerdem ausführlich auf die internationale Hongkong-Konvention – bezüglich der Ratifizierung und Umsetzung spricht er von einem »echten Trauerspiel« –, die EU-Schiffsrecycling-Verordnung (EU-SRR) und nicht zuletzt die Baseler Konvention für Abfallverbringung und die »EU Waste Shipment Regulation« ein. Es geht potenziell um signifikante Strafen gegen Reeder: »Man muss die Stolperfallen kennen und entsprechend planen.« Gerade letztere hätten einige nicht auf dem Zettel, obwohl sie eine enorme Bedeutung für die Schifffahrt hat und nicht unbedingt ein »zahnloser Tiger« ist: Die diversen strafrechtlichen Untersuchungen gegen Reedereien basieren oft auf dieser Regulierung.

Schiffsrecycling als strategisch-politischer Ansatz

Gramann erläutert seine Ansichten zudem mit Blick auf Stahl-Import- und -Export-Länder und spricht in diesem Zusammenhang auch davon, das Schiffsrecycling nicht nur aus rein kommerzieller Sicht zu betrachten – wo doch gerade in diesen Zeiten so viel über ökonomische Abhängigkeiten einzelner Länder oder Wirtschaftsräume debattiert wird.

Eine solche Entwicklung könne durchaus dazu führen, dass andere Regionen als Standorte für Schiffsrecycling in Frage kommen, beispielsweise auch Europa. »Je nachdem, welchen Markt man fokussiert, kann man auch in Deutschland lukrativ Schiffsrecycling betreiben«, sagt der GSR-Chef, der dafür einige Bedingungen aufführt.

Eine andere Voraussetzung: Die »Barrieren im Kopf« müssten überwunden werden. Gramann hat in Vergangenheit immer mal wieder mit hiesigen Werftvertretern über Schiffsrecycling gesprochen. Vergeblich, wie er erläutert und von einem gewissen Hierarchiegedanken spricht. »Sozusagen der Müllmann der Schifffahrt zu werden, nämlich Recycling zu betreiben, das wollen viele nicht.« Im Gespräch geht er auf eine mögliche Lösung ein – den Craddle-to-Craddle-Gedanken.

Nach Ansicht des Experten hängt es stark von den jeweiligen Anforderungen des Scrapping-Projekts und den Rahmenbedingungen ab, wie »grün« eine Werft wirklich ist. »Es gibt viele Shades of Green. Und da trennt sich sehr häufig die Spreu vom Weizen«, sagt Gramann. Er spricht über »Green Recycling« und Märkten wie Indien, Pakistan, Bangladesch.


Gramann GSR Schifsrecycling Podcast

Hören Sie hier die komplette Episode des HANSA PODCASTs mit Henning Gramann. Der GSR-Chef spricht darin unter anderem über:

  • Schiffsrecycling in Deutschland und Europa
  • strategische Ansätze vs. »rein-kommerzielles« Denken
  • Müllmänner für die Schifffahrt und Barrieren im Kopf
  • Image- und Hierarchie-Gedanken bei hiesigen Werften
  • deutlich frühzeitigere Planungen für Schiffsverschrottungen
  • Scrapping-Erwartungen und die Weltflotte und Kapazitätsmangel bei Werften
  • die Hongkong-Konvention und ein »echtes Trauerspiel«
  • die EU-Schiffsrecycling-Verordnung (EU-SRR)
  • die Baseler Konvention zur Abfallverbringung und Ermittlungen gegen Reedereien
  • den »schizophrenen« Zustand eines Schiffes als Schiff und Sondermüll
  • die Recycling-Arbeit von Klassifikationen, Versicherern und Flaggen
  • »groben Unfug«
  • das »Umflaggen« vor der »letzten Reise« zur Umgehung von Regulierung