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Steuergestaltungen von Apple, Amazon & Co. haben zu umfangreichen Tätigkeiten auf OECD- und EU-Ebene geführt, die in nationales Recht transformiert werden. Dies erfordert auch für die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt ein Umdenken.

Aufgrund des Welteinkommensprinzips werden bei im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Personen und Körperschaften im Ausgang sowohl die inländischen als auch die[ds_preview] ausländischen Einkünfte aus der Seeschifffahrt versteuert. Eine Verschiebung der Gewinne ins Ausland durch Schaffung selbständiger Anknüpfungspunkte für eine dortige Versteuerung ist daher grundsätzlich ohne steuerrechtliche Auswirkung.

Dieses Prinzip wird durchbrochen, wenn eine Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter als separate Steuersubjekte behandelt werden. Aufgrund dieses Umstands werden die durch eine Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinne erst bei Ausschüttung an ihre Gesellschafter erfasst. Folglich können bei kontinuierlicher Vollthesaurierung diese Gewinne insbesondere bei Vorliegen einer ausländischen Gesellschaft in Deutschland nicht erfasst werden.

In Deutschland sind darüberhinaus auch Ausschüttungen innerhalb eines Konzerns im Prinzip steuerfrei. In dem Fall, dass infolge des ausländischen Steuerrechts lediglich eine geringe oder keine Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft erfolgt, eröffnet sich dadurch ein großer Gestaltungsspielraum für international agierende Seeschifffahrtsunternehmen.

Es kommt zu Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (»base erosion and profit shifting« – BEPS). Diese Problematik wird seit Anfang der siebziger Jahre im Außensteuergesetz geregelt.

Die OECD hat sich dieses Themas infolge bekanntgewordener Fälle wie Apple, Amazon oder Starbucks angenommen und die EU in der Folge die »Anti Tax Avoidance«-Direktive (ATAD oder BEPS-Richtlinie) verabschiedet. Aus diesem Grund muss das Außensteuergesetz angepasst werden. Die ATAD-Richtlinie hätte der Gesetzgeber zwar schon zum Ende des Vorjahres in deutsches Recht umsetzen müssen. Im Laufe dieses Jahres soll dies nun nachgeholt werden.

Für die Seeschifffahrt von besonderem Interesse sind hier die Dienstleistungen, die nach herrschender Meinung auch die Transportleistungen erfassen sowie die Vermietung beweglicher Sachen, also die Bareboat-Vercharterung. Hier erfahren die maßgeblichen Bestimmungen dem Vernehmen nach erhebliche Verschärfungen. Dem kann der Steuerpflichtige nur entgehen, wenn er den Nachweis erbringt, dass die von ihm eingeschaltete ausländische Gesellschaft wirkliche aktive Tätigkeiten entfaltet (sog. Aktivitätsnachweis).

Nach altem wie nach neuem Recht sind weiterhin Dienstleistungen der ausländischen, die Seeschifffahrt betreibenden Gesellschaft unschädlich (in der Diktion des Gesetzes aktiv). Dies soll wiederum nicht gelten – die erzeilten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft sind schädlich (in der Diktion des Gesetzes passiv) –,wenn die Dienstleistungen von dem Steuerpflichtigen oder ihm nahestehenden Personen an die ausländische Gesellschaft erbracht werden oder vice versa die Dienstleistungen von der ausländischen Gesellschaft an den Steuerpflichtigen oder an eine ihm nahe stehende Person erbracht werden.

Nach altem Recht mussten die nahestehenden Personen mit diesen Einkünften im Inland steuerpflichtig sein. Diese Einschränkung soll nunmehr entfallen. Die nahestehende Person kann nunmehr sowohl im Inland als auch im Ausland steuerpflichtig sein. Die Besteuerung wird also nicht mehr von einer bestimmten Qualität des Empfängers (Steuerpflicht!) abhängig gemacht. Ein Näheverhältnis liegt insbesondere bei 25-prozentigen Beteiligungen vor. Der Erbringungstatbestand erfordert nicht, dass die Dienstleistung im Inland erbracht wird.

Praxis Beispiele

Bereits diese fragmentarische Darstellung einzelner, bereits in den achtziger Jahren von der Finanzverwaltung erörterten Fallgestaltungen, macht deutlich, dass in der Zukunft der Fokus in der steuerrechtlichen Beratung der Seeschifffahrt bei Vorliegen internationaler Sachverhalte ein anderer sein wird.

Beispiel 1: Befrachtung als ledigliche Vermittlungsleistung durch ausländische Gesellschaft. Die inländische Reeder-GmbH errichtet im Ausland ein Befrachtungskontor (Tochtergesellschaft), um ihre eigenen Schiffe »zu beschäftigen«, also Charterverträge zu vermitteln. Hierfür zahlt sie 2,5% der Bruttofrachterlöse. Nach altem Recht würde sich zunächst die Frage stellen, ob die Tochter die Befrachtungstätigkeit (vorstehend als reine Vermittlungstätigkeit) als solche gegenüber ihrer Mutter erbringt. Die Tochter ist Schuldnerin der zu erbringenden Befrachtung. Dies wurde nach altem Recht bejaht. Nach neuem Recht ergibt sich nichts anderes. Die Erfüllung der vermittelten Charterverträge durch die inländische Reederei GmbH führt nicht zu passiven Einkünften. Es verbleibt für die ledigliche Vermittlungsleistung der Tochter beim Aktivitätsnachweis. Diese Tätigkeit ist schädlich, also passiv.

Abwandlung: Ausländische Reederei mit ausländischem Befrachter. Die inländische Reeder-GmbH ist an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, der Zypern Ltd., zu 100% beteiligt, die ihrerseits eigene Schiffe unterhält und diese von einer weiteren ausländischen Tochtergesellschaft (Befrachtung Ltd.) der Reederei GmbH befrachten lässt. Nach neuem Recht wird eine Dienstleistung an eine ausländische Gesellschaft, die Zypern Ltd., die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger – die Reederei GmbH – zu mehr als 50% beherrscht, vermittels einer dem Steuerpflichtigen nahe stehende Person (Befrachtung Ltd.) erbracht. Es verbleibt beim Aktivitätsnachweis. Nach altem Recht musste die Dienstleitung gegenüber einer nahe stehenden Person erbracht werden, die mit ihren Einkünften im Geltungsbereich des AStG Steuerpflicht ist. Die Zypern Ltd. ist jedoch nach dem AStG nicht steuerpflichtig.

Beispiel 2: Ausländische Gesellschaft als NVOCC. Eine Reederei, die ihren Gewinn nach § 5a EStG ermittelt, wird von ihrer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft (Non-Vessel-Owning Common Carrier – NVOCC) in einen von dieser abgeschlossenen Zeitchartervertrag als Subunternehmer einbezogen. Die Tochter bedient sich der Reederei zur Erfüllung eines von ihr abgeschlossenen Zeitchartervertrags, ohne dass die Reederei in direkte Rechtsbeziehung zum ursprünglichen Ladungsanbieter tritt. Da der weitergegebene Zeitchartervertrag eine Dienstleistung gegenüber der Tochterkapitalgesellschaft darstellt, liegen passive Tätigkeiten vor.

Beispiel 3: Bareboat – durch ausländische Tochtergesellschaft. Eine ausländische Tochter verchartert bareboat ein ihr gehörendes Seeschiff an das inländische Mutterunternehmen, das seinen Gewinn nach § 5a ermittelt. Die Mutter rüstet das Schiff aus und verchartert es unter Zeitcharterbedingungen. Nach neuem Recht ist der Erbringungstatbestand erfüllt. Es liegen passive Tätigkeiten vor. Die Tochter erbringt mit Abschluss des Bareboat-Vertrags eine Dienstleistung gegenüber der Mutter. Vorranging handelt es sich jedoch um die Vermietung einer beweglichen Sache, die auch zu passiven Einkünften der ausländischen Gesellschaft führt.

Beispiele 4, 5, 6: Mannschaftsgestellung durch inländische Muttergesellschaft. Eine Muttergesellschaft hat eine ausländische Tochter. Letztere besitzt ein Schiff, dessen Mannschaft durch die deutsche Mutter ihr überlassen wird. Die Tochter

• betreibt mit der Besatzung das Schiff im internationalen Verkehr,

• zeitverchartert das Schiff mit Mannschaft an ein unabhängiges Unternehmen

• zeitverchartert das Schiff mit Mannschaft an ein nahe stehendes Unternehmen.

Die Mutter erbringt mit der Mannschaftsgestellung eine Dienstleistung gegenüber der ausländischen Tochter. Es liegen somit im Grunde passive Einkünfte vor.

Beispiel 7: Frachtenakquisition und der Einzug der Frachten durch inländische Muttergesellschaft. Die ausländische Tochter bereedert und betreibt ein Schiff im internationalen Verkehr. Die Frachtenakquisition und der Einzug der Frachten erfolgen durch die Mutter im Inland. Diese erbringt gegenüber ihrer Tochter eine Dienstleistung, die zu passiven Einkünften führen kann.

Beispiel 8: Vorbereitung und Überwachung der Durchführung eines Chartervertrags durch inländische Muttergesellschaft. Eine deutsche Muttergesellschaft hat eine ausländische Tochter. Letztere besitzt ein Schiff. Das Schiff wird an ein anderes Unternehmen mittelfristig verchartert. Der Chartervertrag wird von der Mutter vorbereitet und überwacht. Die Mutter erbringt gegenüber ihrer Tochter eine Dienstleistung, die im Grunde eine passive Tätigkeiten darstellt.
Klaus Voß