Die Aussicht auf weitere Volumeneinbrüche lässt die Fracht- und Charterraten in den Schifffahrtsmärkten abrutschen. Für etwas Stabilität sorgt die Nachfrage aus dem Agrarsektor.
Während sich die negativen Prognosen überschlagen und weitere Länder in den »Lockdown« gehen, nimmt der Druck auf die Frachtenmärkte weiter zu. Lebenswi[ds_preview]chtige Güter wie vor allem Getreide und auch Düngemittel müssen aber weiterhin befördert werden. Das sorgt für ein gewisses Maß an Aktivität und Unterstützung für die Raten, auch wenn klar ist, dass es die Ausfälle bei Eisenerz und Kohle (Bulk) sowie bei Halb- und Fertigprodukten (Container) nicht annähernd kompensiert.
BDI gibt um 10% nach
Der Baltic Dry Index (BDI) gab bis gestern auf Wochensicht um fast 10% auf 569 Punkte nach. Für die großen Capesize-Frachter ging es in der ersten Wochenhälfte leicht rauf und dann wieder deutlich runter. Ergebnis: Die durchschnittliche Spotzeitcharterrate lag gestern mit 3.818 $/Tag 0,6% niedriger als vor einer Woche.
Das einzige, was den Markt einigermaßen am Leben hält, seien die Eisenerz-Lieferungen von Westaustralien nach China, berichten Makler. Da die Eisenerzvorräte in den chinesischen Häfen Berichten zufolge seit sieben Wochen sinken, hoffen Marktteilnehmer auf eine weitere Belebung der Importaktivität. Die Frachtraten für die Australien-China-Route gaben aber – auch unter dem Druck sinkender Bunkerpreise – laut Baltic Index von 4,30 auf gut 4,00 $/t nach. Periodenaktivität für »Capes« war noch begrenzt vorhanden, überwiegend zu gleitenden, Index-gekoppelten Raten wie 5TC-2%.
Hafenschließungen sorgen für Nervosität
Im Panamax-Sektor trieben die Hafenschließungen in Indien und zunehmenden Produktionsstopps im Bergbausektor in Südafrika und Nordamerika die Nervosität in die Höhe. Indien gilt als wichtiger Importmarkt für Panamax-Ladungen (Kohle) und bedeutende Laderegion für Handy-Bulker (Stahl, Zucker). In Kombination mit den Ausfällen in Südafrika steht zu befürchten, dass sich das Tonnage-Überangebot im asiatisch-pazifischen Raum weiter aufbläht.
Das Ratenniveau der Panamaxe (82.500 tdw) ging bis gestern um 16% auf 6.437 $/Tag zurück. Der Markt wäre noch tiefer gefallen, hätten die Getreideverschiffungen ex Ostküste Südamerika nicht für einen steten Strom von Charterabschlüssen gesorgt, war zu hören. Das Ratenniveau gab jedoch auch in diesem Geschäft nach, wie ein Blick auf die Index-Route für Reisen ex Singapur/Busan in den Atlantik und zurück zeigt: die Benchmark der Baltic Exchange fiel bis gestern um 4,3% (zur Vorwoche) auf 7.920 $/Tag.
Für einen Trip von der Ostküste Südamerikas nach Südostasien erhielt die »Scarlet Robin« (82.235 tdw, Bj. 2016) 12.600 $/Tag + 260.000 $ Ballastbonus von Cargill. Die »CL Tianjing« (81.315 tdw, Bj. 2016) fährt für Louis Dreyfus von Malaysia zur Ostküste Südamerikas, um Getreide aufzunehmen, und zurück in die Singapore-Japan-Range. Die Tagesrate für die Rundreise wurde mit respektablen 8.500 $/Tag gemeldet. Oldendorff zahlt der »Pacific Kindness« (82.177 tdw, Bj. 2011) 10.500 $/Tag für einen Getreide-Trip von der Nordküste Südamerikas nach Italien. Und die »Arcturus« (76.397 tdw, Bj. 2001) sicherte sich eine Getreideladung ab Nordfrankreich nach China zu 13.500 $/Tag auf Zeitcharterbasis.
Supramaxe unter Druck, Handy-Bulker sind Top-Verdiener
Für die Supramaxe fiel das Durchschnittsniveau im Trip-Business um 10% auf 7.426 $/Tag. Die Raten gaben auf allen Routen relativ gleichmäßig nach – auch in Südamerika, wo nach den Panamax-Ladungen diese Woche wenig Getreide für die Supras übrigblieb. Am aktivsten soll der Markt noch in Europa, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer gewesen sein.
Im Handysize-Segment ließ der Schwung ebenfalls zur Wochenmitte nach. Trotz eines Rückgangs von 1,4% auf Wochensicht waren die 38.000-Tonner gestern mit durchschnittlich 7.466 $/Tag aber die Topverdiener im Dry-Cargo-Business. Während der Ratentrend im Atlantik nach unten zeigte, ging es in Fernost und Südostasien spürbar aufwärts. Die Index-Raten zogen dort gen mittlere 5.000 $/Tag an.
In Nordeuropa ließ die Tonnagenachfrage etwas nach, trotzdem behaupteten sich die Raten für Anlieferung am Kontinent im fünfstelligen Bereich. Unter anderem nahm Suisse-Atlantique die »Qing Feng Ling« (34.650 tdw, Bj. 2013) für eine Getreideladung von Rouen nach Algerien zu 10.000 $/Tag unter Vertrag.
Wenig Projektladung in Sicht
In anderen Nischensegmenten des Trockenfrachtmarktes nahm der Druck auf die Raten diese Woche ebenfalls zu. Für die MPP-Schifffahrt zeichnen sich jetzt deutliche Rückgänge bei Projektladungen für die kommenden Monate ab, nachdem Ölkonzerne und ihre Dienstleister die Investitionen zurückfahren. Die Beratungsfirma Wood Mackenzie senkte ihre Prognose für den Zubau von Windenergieanlagen – einem der wichtigsten Frachtgüter für Projekt-Carrier – für dieses Jahr um gut 6% auf 73 Gigawatt.
Auf den Routen von Europa und Nordamerika ins ölreiche Westafrika sind die konventionellen Liniendienste nach Auskunft der Carrier BOCS und Universal Africa Lines (UAL) aber derzeit noch voll ausgelastet. »Es gab bislang nur vereinzelt Stornierungen von Ladungen aus dem Öl-und Gasbereich«, sagte UAL-Direktor Harald Maas. Die Abfahrtsfrequenz der Schiffe bleibe bis auf Weiteres unverändert.
Frachten erodieren im Shortsea-Sektor
In der europäischen Shortseafahrt war eine leichte Erosion der Frachten zu beobachten, nachdem die Anfragen aus dem Stahl- und Baustoffsektor zurückgingen und Ladungen teilweise storniert oder verschoben wurden. Der European Short Sea Index von BMTI fiel um 1,3%, wobei die Tedenz in den verschiedenen Fahrtgebieten sehr unterschiedlich war. Für Nordeuropa verzeichnete der Branchendienst dank stark erhöhter Getreidenachfrage ein leichtes Plus von 0,5% auf der Benchmark-Rate für Verschiffungen aus dem Baltikum in die ARAG-Range. Auch im Schwarzen Meer trieben erhöhte Getreideverschiffungen die Raten hoch. Im Mittelmeer hingegen brach das Ratenniveau laut BMTI um fast 7% ein.
Tanker als schwimmende Rohöl-Lager
Für die Rohöltanker ging es zu Wochenanfang deutlich weiter nach unten. Dann aber nahm die Charteraktivität rasant zu, so dass die Reeder den Großteil der Verluste wettmachen oder sogar Steigerungen gegenüber der Vorwoche erzielen konnten. Die durchschnittlichen Spoteinnahmen der VLCC erholten sich bis Donnerstag auf 136.400 $/Tag und lagen damit nur noch rund 10% niedriger als vor sieben Tagen. Die Suezmaxe konnten sich auf Wochensicht sogar um 8% auf 67.700 $/Tag verbessern.
Der entscheidende Faktor sowohl für VLCC als für auch Suezmaxe ist Maklern zufolge die stark gestiegene Nachfrage nach »schwimmenden Lagern«. Händler benötigen mehr und mehr Kapazität, um ihr Rohöl länger aufbewahren und es später zu höheren Preisen weiterverkaufen zu können. So liegt der Terminpreis für die Lieferung von Brent in sechs Monaten mehr als 10$ über dem Spotpreis, berichtet die norwegische Investmentbank Arctic. An Land werden die Tankkapazitäten aber zunehmend knapper, als Alternative kommt nur Schiffraum in Frage.
Nur die Aframax-Tanker verspüren diesen positiven Effekt noch nicht und lagen gestern mit durchschnittlich 44.100 $/Tag über 19% im Minus (auf Wochensicht).
Wachsende Sorgen in der Containerschifffahrt
In der Container-Linienschifffahrt rutschten die Frachtraten diese Woche leicht ab, wobei neben sinkenden Bunkerkosten wohl auch Sorgen über die Geschäfte in den kommenden Wochen eine Rolle spielten. Der World Container Index fiel um 4%, der Shanghai Index SCFI um knapp 1%. Derzeit wird der Markt in Fernost noch durch Ladungen gestützt, die nicht mehr gestoppt werden können.
Teilweise wird massiv von Luft- auf Seefracht umgestellt. Das deutsche Logistiksoftwareunternehmen Setlog teilte mit, dass seine Kunden aus der Bekleidungsindustrie kurzfristig 60% ihrer Luftfrachtsendungen ex Fernost in Seefracht umgebucht hätten. Auch hier gehe es darum, die Containerschiffe als schwimmende Lager zu nutzen und die Ankunft der Ware um mehrere Woche zu verzögern.