Angesichts rückläufiger Verschrottungszahlen und wachsender Flotte scheint die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Rohöltankermarkt schwierig. Experten sagen eine »lange und schmerzhafte Erholung« voraus.
[ds_preview]Die anhaltende Flaute bei den Abwrackaktivitäten ist ein beunruhigendes Zeichen für den Rohöltankermarkt, der mit Überkapazitäten zu kämpfen hat. Darüber hinaus hat auch der starke Rückgang der Schiffserträge im zweiten Halbjahr 2020 die Abwrackungen nicht wieder angekurbelt, wie ein Bericht des Beratungsunternehmens Drewry zeigt. Seit Anfang 2019 wurde demnach nur ein VLCC abgewrackt, während in diesem Zeitraum 104 neue VLCCs abgeliefert wurden, was das Tonnageangebot erhöht hat.
Die jüngsten Nachrichten über potenzielle Covid-19-Impfstoffe hätten für Optimismus im Ölmarkt gesorgt, so Drewry. Die Preise sind in Erwartung einer voraussichtlichen Erholung der Ölnachfrage über die Marke von 50 $ pro Barrel gestiegen. Es ist nach Einschätzung der Analysten jedoch unwahrscheinlich, dass die globale Ölnachfrage vor 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen wird,»da das Tempo der weltweiten Impfungen mit Lagerungs- und logistischen Herausforderungen konfrontiert ist, zusätzlich zur Unsicherheit über die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe«.
Neben der schwachen Nachfrage wird auch ein enormer Lagerüberhang den Rohölhandel im Jahr 2021 beeinträchtigen. Nach einem massiven Aufbau von 325 mb im 1Q20 gingen die OECD-Ölbestände im 3Q20 leicht um 22,7 mb auf 3192 mb zurück, etwa 9 % höher als im gleichen Zeitraum des letzten Jahres. Die jüngste Entwicklung der Ölpreise nach einer langen Contango-Phase dürfte den Abbau der Bestände beschleunigen, was wiederum den Handel dämpfen würde.
In der Zwischenzeit wird nach Einschätzung von Drewry auch die Zahl der schwimmenden Öllager, die in den letzten Monaten aufgrund der Abflachung der Terminkurve der Ölpreise zurückgegangen ist, weiter abnehmen. Das erhöht das Tonnageangebot. Die Rohöltankerflotte, die in der schwimmenden Lagerung eingeschlossen ist, ist von 11 % der Gesamtflotte Ende April auf etwa 7 % im November 2020 gesunken, da viele Suezmaxe und Aframaxe in den Handel zurückgekehrt sind. Noch sind etwa 74 VLCCs als schwimmende Lager gebunden.
»Die schwachen Aussichten für den Ölhandel und der mögliche Tonnagezufluss aus der schwimmenden Lagerung lassen vermuten, dass eine Erholung der Marktfundamentaldaten vom Ausmaß der Verschrottungsaktivitäten abhängt. Da die Flotte jedoch sehr jung ist, ist ein schnelles Rebalancing nicht möglich, ohne dass das durchschnittliche Abwrackalter unter 20 Jahre sinkt«, heißt es in dem Bericht.
Für etwa 81 VLCCs stehen bis Ende 2022 die vierten oder fünften Special Surveys an, während 102 VLCCs in diesem Zeitraum abgeliefert werden sollen. Von den 81 VLCCs lagern 23 Schiffe Öl, und neun Schiffe sind mit Scrubbern/BWTS ausgestattet. Während VLCCs, die in der schwimmenden Lagerung gebunden sind, wahrscheinlich vor dem nächsten Survey abgewrackt werden, werden mit Scrubbern/BWTS ausgerüstete Tanker wohl auch danach weiter betrieben.
»Wenn wir davon ausgehen, dass alle Schiffe ohne Scrubber/BWTS vor dem vierten/fünften Special Survey verschrottet werden, wird die VLCC-Flotte bis 2022 noch um etwa 30 Schiffe auf 863 anwachsen. Bis zur Rückkehr der Ölnachfrage auf das Niveau von 2019 (im besten Fall bis 2022) wird die VLCC-Flotte also von 804 Schiffen Ende 2019 um 59 Schiffe (6,7 %) wachsen. Ohne eine groß angelegte Verschrottung von Schiffen, die jünger als 20 Jahre sind, scheint der Rohöltankermarkt also auf eine lange und schmerzhafte Erholung eingestellt zu sein«, so Rajesh Verma, Lead Analyst, Tanker Shipping bei Drewry.