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Daniel Friedrich, Bezirkseiter IG Metall Küste
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Rund 1.500 Arbeitsplätze sind innerhalb eines Jahres auf deutschen Werften verloren gegangen, meldet die IG Metall Küste. Die Gewerkschaft erwartet einen weiteren Job-Abbau und warnt vor einem »Substanzverlust«.[ds_preview]

Zum 31. Mal seit 1991 legt die IG Metall Küste die Ergebnisse der alljährlich jeweils im September durchgeführten Schiffbauumfrage vor. Die Betriebsräte der deutschen Werften und der maritimen Zulieferindustrie wurden zu den Arbeitsbedingungen, zur Auftragslage und zu den Perspektiven in ihren Betrieben befragt. Die Umfrage umfasst insgesamt 43 Werftbetriebe bzw. -standorte, worunter sich Neubauwerften, Reparatur-und Umbauwerften sowie auch Betriebe befinden, welche hauptsächlich Großkomponenten für Seeschiffe fertigen. Erfasst sind dabei sowohl der militärische als auch der zivile Schiffbau.
Die erfassten Betriebe repräsentieren zum 1. September 2021 insgesamt 16.653 Beschäftigte.

Der Umfrage zufolge sind innerhalb eines Jahres rund 1.500 Arbeitsplätze auf den Werften verloren gegangen. Das seien weniger als befürchtet, allerdings seien die Aussichten für die Branche insgesamt weiterhin durchwachsen und jeder dritte Betrieb rechne mit einem Job-Abbau, heißt es.

Die Leiharbeitsquote liegt bei durchschnittlich 6,6 % (2020: 15,6 %).Werkverträge haben beinahe flächendecken zugenommen –auf einigen Werften arbeiten nach Gewerkschaftsangaben mehr Werkvertragsarbeitnehmer als Stammbeschäftigte. Auch bei den Ausbildungsplätzen wird ein negativer Trend festgestellt. Insbesondere bei gewerblichen Berufsbildern wurden Ausbildungsplätze abgebaut. In Schnitt sind rund 40 % weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahr angeboten worden. Jede dritte Werft plane eine weitere Reduzierung, heißt es.

Besonders vom Setellenabbau im Schiffbau betroffen ist Mecklenburg-Vorpommern. Innerhalb eines Jahres ist ein Viertel der Arbeitsplätze auf den Werften weggefallen. Grund ist vor allem der Einbruch im Bau von Kreuzfahrtschiffen, der den MV Werften in Rostock, Stralsund und Wismar sowie der Rostocker Neptun Werft zu schaffen macht.

Kein schneller Aufschwung, Chance in Innovationen und Portfiolioausbau

Kurzfristig sehen die Schiffbauer keine schnellen Aufschwung. Im Kreuzfahrtbereichüberwiegt die Befürchtung, dass sich die Auftragslage in den kommenden zwei Jahren nicht signifikant verbessern wird. Im Marineschiffbau (Neubau mit rd. 6.800 Mitarbeitern) geht die große Mehrheit von einer gleichbleibenden Entwicklung aus – verbunden mit der Hoffnung, in absehbarer Zeit mit Auftragseingängen rechnen zu können.

Mehrere Werften berichten über Anfragen für Neubauten von Schiffstypen, die seit langem nicht mehr in Deutschland gebaut werden sind (z.B. kleinere Containerschiffe). In über der Hälfte aller Werften wird an der Erweiterung des Produktportfoliosgearbeitet. Dazu gehören unter anderem umbenannte U-Boote zur Kampfmittelbeseitigung, Offshore-Service-Schiffe, Yachten oder emissionsfreie Schiffstypen.

Perspektiven für die Branche sieht die Gewerkschaft in klimafreundlichen oder klimaneutralen Antrieben, in der Entwicklung und dem Bau von Plattformen und neuen Schiffstypen für die Offshore-Windindustrie und der Produktion und dem Transport von Wasserstoff oder anderen grünen Treibstoffen. »Deutschland und Europa müssen hier eine Vorreiterrolle einnehmen und dürfen die Zukunft des Schiffbaus nicht allein China, Korea und anderen asiatischen Staaten überlassen«, sagte Friedrich.

Staatliche Hilfen zur Krisenüberwindung an Bedingungen knüpfen

»Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz und jeden Standort. Nur so konnten wir bisher einen Kahlschlag verhindern und den Schiffbau als industriellen Kern in Deutschland erhalten«, sagt Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Wichtigstes Instrument dabei sei die Kurzarbeit, von der laut der Befragung etwa die Hälfte aller Werftbeschäftigten in den vergangenen zwölf Monaten betroffen war. Die IG Metall fordert, daraus ein Transformationskurzarbeitergeld zu entwickeln, das neben dem Lohnersatz auf Qualifizierungen und Umschulungen setzt. »Auch im Schiffbau brauchen Beschäftigte und Unternehmen genügend Zeit für einen fairen Wandel«, so der IG Metall-Bezirksleiter.

Um die Krise zu überwinden, sei außerdem entscheidend, die Finanzierung der Schiffbauaufträge mit staatlicher Unterstützung zu sichern. »Finanzielle Hilfe dürfen aber nur Unternehmen bekommen, die Arbeitsplätze und Standorte erhalten«, so der IG Metall-Bezirksleiter mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen im Bund. Die Gewerkschaft verlangt von SPD, Grünen und FDP darüber hinaus, gegen den Missbrauch von Werkverträgen im Schiffbau vorzugehen: »Tariflich abgesicherte Stammarbeitskräfte dürfen nicht durch Beschäftigte mit Werkvertrag ersetzt werden.«