Rostock, Häfen
© Rostock Port
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Rostock und Lubmin wollen bei der Neuaufstellung deutscher Energie-Importe als Folge des Kriegs in der Ukraine eine starke Stellung einnehmen. Für ein geplantes LNG-Terminal wurden jetzt wichtige Verträge unterzeichnet. Auch ein Wasserstoff-Hub ist geplant[ds_preview]

Das Unternehmen Deutsche ReGas und der französische Mineralölkonzern TotalEnergies treiben die Installation und den Betrieb eines schwimmenden LNG-Terminal, einer FSRU, im Industriehafen Lubmin, voran. Ab dem 1. Dezember soll das Terminal 4,5 Mrd. m³ Erdgas in das 450 m entfernte Gasfernleitungsnetz (EUGAL/NEL) einspeisen. Hierfür wird die Deutsche ReGas ein Regasifizierungsschiff (FSRU) in Lubmin stationieren und Flüssiggas (LNG) in Erdgas umwandeln.

Um der geringen Tiefe des vor Lubmin gelegenen Greifswalder Boddens Rechnung zu tragen, wird in der Ostsee ein schwimmendes Lager (Floating Storage Unit | FSU) stationiert, an das LNG-Tanker bis zu einer Größe von 170.000 m³ andocken und LNG übertragen können. Von dort aus werden drei Shuttle-Schiffe (»Virtuelle Pipeline«) das LNG zum FSRU transportieren.

Das LNG-Terminal »Deutsche Ostsee« ist den Angaben zufolge privat finanziert und die FSRU sowie alle weiteren Schiffe werden von der Deutschen ReGas gechartert. Es handelt bei dem FSRU nicht um eines der vier von der Bundesregierung finanzierten FSRUs. Eigner ist TotalEnergies, das fünftgrößte Energieunternehmen der Welt. Es entwickelt parallel im Auftrag der französischen Regierung ein LNG-Terminal in Le Havre.

Die FSRU hat eine spezielle technische Ausstattung (Turret Buoy System), mit der es in einer zweiten Phase von »Deutsche Ostsee« direkt an bestehende Unterwasserpipelines andocken kann, und zwar auch wenn diese in Betrieb beziehungsweise mit Erdgas befüllt sind. »Wir stehen somit bereit, falls die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, mit bis zu zwei dieser Spezial-FSRUs außerhalb des Greifswalder Boddens, jedoch innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer«, heißt es. So könnte die Deutsche ReGas insgesamt über 15 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr einspeisen. Die Durchleitungskapazität für diese Gasmengen sei unproblematisch im ostdeutschen Gasfernleitungsnetz vorhanden.

Ab Sommer 2025 wird den Planungen zufolge in einer dritten Phase an der Stelle, an der zuvor die FSRU der ersten Phase im Hafen lag, eine für den Import von Wasserstoff spezialisierte Barge installiert, zu der – analog dem LNG-Plan – Wasserstoff transportiert wird. »Das innovative Transportmedium unseres Wasserstoffpartners Apex ist künstliche Ameisensäure, die wesentliche Umweltvorteile gegenüber Ammoniak aufweist. Der Wasserstoff wird entweder in das Gasfernleitungsnetz eingespeist oder in Container abgefüllt«, erklärt ReGas-Geschäftsführer Ingo Wagner. Die Realisation habe »praktisch keine Umweltbeeinträchtigungen zur Folge«, da Schiffe und die bestehende Infrastruktur genutzt würden. Die landseitige, kurze Anschlussleitung (450 m) soll von der Gascade Gastransport noch in diesem Jahr hergestellt werden.

Öl für Schwedt

Die Deutsche ReGas stützt sich eigenen Angaben zufolge auf weltweit in der LNG-Technologie führende Partner, wie ein norwegisches Team aus Ingenieuren und Kaufleuten, auf britische Schiffsmakler, deutsche und norwegische Ingenieur- und Planungsbüros sowie das Hamburger Schifffahrtsunternehmen Bernhard Schulte.

»Eine gute Nachricht für Deutschland«, bezeichnete der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Michael Kellner die Pläne. Der Grünen-Politiker hatte sich bei einem Besuch vor Ort gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer von der SPD ein Bild vom Standort gemacht. Dabei ging es auch um Öl und den Rostocker Hafen. Kellner betonte, der Bedarf der Raffinerie in Schwedt, die besonders von russischen Lieferungen abhängig ist, könne zu bis zu 75 % über Rostock abgedeckt werden – sofern die Pipeline-Infrastruktur ertüchtigt würde.

Zur Verringerung der Abhängigkeit von russischen Energieträgern müssten auch die Versorgung mit fossilen Energieträgern als Brückentechnologie berücksichtigt werden, sagte Meyer. »Wir sind aktuell auf kurzfristige und schnell umzusetzende Lösungen angewiesen. Deshalb ist es wichtig, dass Öl von Rostock aus in die vorhandene Pipeline geschickt werden kann, um das PCK in Schwedt zu versorgen.« Der mittel- und langfristige Ausstieg aus dem Verbrauch fossiler Energieträger habe für das Land aber oberste Priorität. Parallel laufen deshalb die Vorbereitungen weiter, »den Seehafen Rostock für Erneuerbare Energien zukunftsfest zu machen.«

Zu den Plänen von ReGas und TotalEnergies sagte Meyer: »In diesen herausfordernden Zeiten benötigen wir pragmatische Lösungen, um die Energieversorgung für Deutschland weiter abzusichern. Lubmin in Vorpommern kann dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Flüssigerdgas (LNG) ist ein wichtiger Baustein, um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen weiter zu verringern.«

Unterdessen treibt der Hafen Rostock selbst ebenfalls einige Infrastruktur-Maßnahmen voran. Der Ersatzneubau der zwei ältesten Liegeplätze im Überseehafen, 31 und 32, wurde im April offiziell gestartet. Das rund 22 Mio. € teure Infrastrukturprojekt soll bis zum Oktober 2023 abgeschlossen werden. Außerdem wichtig: Nach dem Planfeststellungsbeschluss für die »Anpassung der seewärtigen Zufahrt zum Seehafen Rostock« auf 16,50 m Wassertiefe ist ein Baustart seitens des Bundes nun zu Beginn des vierten Quartals dieses Jahres vorgesehen. Die Hafenverantwortlichen gehen von einer rund zweieinhalbjährigen Bauzeit aus. Die Maßnahme lasse Rostocks Überseehafen auf Augenhöhe mit anderen Ostseehäfen kommen. »Rostock wird nach der Umsetzung und parallel zu den erfolgenden Anpassungen der Liegeplatzkapazitäten gerade für flüssige und trockene Massengüter noch attraktiver«, so Hafengeschäftsführer Jens Scharner.

Produktionsanlage für Wasserstoff

Innerhalb der nächsten vier Jahre soll zudem auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks eine 100-Megawatt-Produktionsanlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff entstehen. Die Elektrolyseanlage ist das Herzstück des Projektes »HyTech Hafen Rostock«, das sich auf Förderung im Rahmen des IPCEI-Programms (Important Project of Common European Interest) beworben hat. »Eine finale Investitionsentscheidung ist noch nicht getroffen und erst nach Erhalt des Förderbescheides geplant«, heißt es. Entwickelt und gebaut werden soll die Anlage von der rostock EnergyPort cooperation, einem gemeinsamen Unternehmen von EnBW, RheinEnergie, RWE und dem Hafen. Jährlich sollen so bis zu 6.500 t Wasserstoff klimaneutral erzeugt werden. Die Investitionen liegen »im dreistelligen Millionenbereich« und sollen mit Hilfe von Fördermitteln getätigt werden. »Die erfolgreiche Transformation von fossilen Energieträgern wie Kohle zu nichtfossilen Energieträgern wie Wasserstoff betrifft viele Teile des Hafens. Ein konsequenter Einstieg in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern wird die fossilen Energieträger ablösen und zur Dekarbonisierung der Region führen«, sagte Scharner.

Forderung an den Bund

Minister Meyer machte deutlich, die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit betreffe in der aktuellen Situation nicht nur Erdgas und Rohöl, sondern auch Kohle. Dafür sei es notwendig, dass der Standort Rostock in die Lage versetzt wird, die genannten Energieträger anzulanden und weiterzuleiten. »Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten kann es zu deutlichen Mehrkosten bei der Projektabwicklung und dem Hafenumbau kommen. Hierzu zählt beispielsweise auch die Errichtung eines Redundanz-Liegeplatzes als Tiefwasser-Liegeplätze für Rohöl und grüne Energieträger. Darüber hinaus muss auch das Verfahren für die Seekanalvertiefung beschleunigt werden. Deshalb haben wir die Bundesregierung gebeten zu prüfen, inwieweit Kosten durch geeignete finanzielle Hilfen des Bundes kompensiert werden können«, so der SPD-Politiker. MM