Dreeke, BLG
Frank Dreeke (© BLG / Oliver Lang)

Die deutsche Hafenwirtschaft hat heute ein optimistisches Fazit der laufenden Geschäfte gezogen. Allerdings fordert der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) auch erneut bessere politische Rahmenbedingungen.[ds_preview]

Die Mitgliedsunternehmen hätten gut auf die verschiedenen globalen Krisen und Herausforderungen – Corona-Pandemie, Lieferkettenstörungen, Ukraine-Krieg – reagiert und sich einmal mehr als »zuverlässiger Partner« in den Lieferketten erwiesen, hieß es heute bei der Bilanzvorstellung des ZDS. Gleichwohl steht die deutsche Hafenwirtschaft vor großen Hausforderungen und fordert politische Priorität ein.

Der Umschlag

Für das erste Halbjahr meldete der ZDS einen Umschlag von 141,9 Mio. t sowie 7,2 Mio. TEU im Containersegment. Im Vergleich zum Vorjahr sind das Rückgänge von 0,5% und 2,6%. ZDS-Präsident Frank Dreeke wertete das Ergebnis angesichts der vielfachen Herausforderungen dennoch als gut. Der Massengutumschlag stieg um 1,7%, der Fahrzeugumschlag hingegen war rückläufig. Mit Blick auf das Gesamtjahr erwartet die Branche, dass sich vor allem der Ukraine-Krieg noch stärker bemerkbar macht. Man müsse mit einem Umschlagrückgang im einstelligen Prozentbereich rechnen.

Internationale Krisen

Die Seehafenbetriebe arbeiten unter dem Eindruck eines scharfen internationalen Wettbewerbs und globaler Krisen. So sind den Angaben zufolge die Auswirkungen der Corona-Pandemie insbesondere bei verspäteten Containerschiffen und sich in den Häfen sammelnden Containern weiterhin deutlich spürbar. In vielfältiger Weise wirkte sich auch der russische Krieg in der Ukraine auf die deutsche Hafenwirtschaft aus.

Dreeke, der sich nach sechs Jahren im Amt nicht erneut zur Wahl als Präsident stellte, sagte dazu: »Die beschlossenen Sanktionen, die wir ausdrücklich unterstützen, wurden von den Unternehmen schnell und pragmatisch umgesetzt. Sowohl für den steigenden Bedarf nach Kohleimporten als auch bei der Errichtung von LNG-Terminals standen die deutschen Seehäfen bereit. Besonders stolz sind wir auf unsere Beteiligung an der Getreidebrücke, als es darum ging, pragmatisch neue Exportwege für ukrainisches Getreide zu organisieren.«

In der Ostsee führte der Konflikt zu veränderten Routenführungen bei Waren. Vor diesem Hintergrund intensivierte sich der ohnehin bereits starke Wettbewerb zwischen den europäischen Seehäfen. Eine zusätzliche Herausforderung war dabei der ungewöhnlich intensive und lang andauernde Tarifkonflikt. »Wir hoffen sehr, die Jahrzehnte lang gelebte faire Sozialpartnerschaft in den kommenden Jahren wieder ausbauen zu können«, so Frank Dreeke weiter.

Appelle für Hafenpolitik

Die wichtige Rolle bei den Energieimporten unterstreiche einmal mehr die nationale Bedeutung, die die deutschen Seehäfen haben. Der ZDS forderte erneut, dass sich dies auch in der Politik widerspiegeln muss. Die Nationale Hafenstrategie sei ein guter Schritt in die richtige Richtung. »Aber sie muss schnell umgesetzt werden. Andere Ländern kaufen uns den Schneid ab«, so der Präsident.

»Die Seehäfen sind von enormer Bedeutung für das ganze Land. Wir sichern Import und Export im Industrieland Deutschland. Wir sind unverzichtbar, wenn es um die Energieversorgung geht, sowohl bei Gas als auch bei der Windenergie, als auch bei Energieträgern der Zukunft wie Wasserstoff oder Ammoniak. Wenn wir auf die deutsche Hafenpolitik schauen, ist davon aber wenig zu spüren. Wir brauchen das, was unsere Nachbarn uns vormachen: eine ehrgeizige und strategische nationale Hafenpolitik, die der zentralen Rolle der Seehäfen gerecht wird«, so der Verbandspräsident weiter. Dabei sei es wichtig, die Debatte sachlich zu führen. »Das war bei der Diskussion um die Terminalbeteiligung von Cosco im Hamburger Hafen zuletzt nicht der Fall.« China sei einer der wichtigsten Handelspartner und der Einstieg der staatlichen chinesischen Gruppe werde begrüßt, weil er durch die Kundenbindung eine gewisse Sicherheit für das Umschlaggeschäft und für Arbeitsplätze bedeuten könne. ZDS-Präsidiumsmitglied und HHLA-Chefin Angela Titzrath sagte dazu: »Wir sind Tor zur Welt, wir sind aber auch ein diskriminierungsfreies Tor zur Welt und sind offen für Reedereibeteiligungen, auch aus China.«


Eine Debatte über die nationale Hafenpolitik hatte jüngst auch Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer beim ZDS, im HANSA PODCAST gefordert. Hören Sie hier die komplette Folge kostenlos. Hosseus spricht unter anderem über den geplanten Einstieg des chinesischen Cosco-Konzerns am HHLA-Terminal Tollerort, den Tarifkonflikt und Privilegien für Linienreedereien.

Hosseus ZDS Podcast


 

Infrastruktur

Großer Handlungsbedarf besteht nach Ansicht des ZDS auch bei der Infrastruktur: Vor allem bei der Bahn, aber auch bei den Wasserstraßen gebe es deutliche Defizite, was den Erhalt und Ausbau angeht. Zuletzt hatten der ZDS und die IHK Nord in einem gemeinsamen Gutachten aufgezeigt, dass die bisherigen Planungen zum Deutschlandtakt nicht ausreichen, um die Wachstumsziele der Bundesregierung im Schienengüterverkehr zu erreichen.

Dreeke betonte, die deutsche Hafenwirtschaft stehe bereit, um ihren Beitrag für die großen Herausforderungen zu leisten. »Wir erwarten aber auch, dass politisch vereinbarte Ziele konsequent umgesetzt werden. Ob Digitalisierung, Energie- oder Verkehrswende: Wir haben als Gesellschaft in vielen Bereichen wichtige und richtige Zielsetzungen. Wer A sagt, muss auch B sagen.« Wenn zum Beispiel bis 2040 ein Viertel aller Güter über die Bahn transportiert werden soll, dann müsse das im Deutschlandtakt hinterlegt sein. »Wir stehen zum Deutschlandtakt und den politischen Zielen. Es ist dann aber auch unsere Erwartung, dass die Planungen zu den Zielen passen, dass diese Pläne ausreichend finanziert werden und dass die Pläne schließlich auch umgesetzt werden.« Gerade bei den Strecken des Hinterlandverkehrs der Seehäfen, wie zum Beispiel im Dreieck Hamburg-Bremen-Hannover, brauche man dringend mehr Ehrgeiz und Entscheidungsfreude.