Christian Bubenzer kümmert sich um die deutsche Flagge und deutsche Reeder (© BG Verkehr)
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Aktuell fahren 1430 Schiffe deutscher Reeder unter fremder Flagge – gegenüber 276 Einheiten unter deutscher Flagge. Die zuständige BG Verkehr findet das hiesige Register zumindest in Teilen zu Unrecht kritisiert, sieht aber auch Verbesserungspotenzial bei sich selbst.[ds_preview]

Christian Bubenzer kümmert sich bei der BG Verkehr um »Schwarz Rot Gold« am Heck. »Letztendlich ist die deutsche Flagge für die Reedereien sehr gut geeignet, die auf deutsche und europäische Seeleute setzen und die eigene Leute ausbilden willen, die dann länger im Unternehmen bleiben«, sagt der Fachmann im exklusiven HANSA-Interview.

EU-Seeleute sind rechtlich gleichgestellt: Dennoch setzen einige Reeder auf beispielsweise osteuropäische Seeleute, da sie vermeintlich günstiger sind. Bubenzer betont, dass genau das inzwischen nicht mehr der Fall sei: »Durch die ganzen Förderinstrumente, die es inzwischen in Deutschland gibt, gibt es keine nennenswerten Mehrkosten mehr. Ich frage bei der Kritik dann gerne: Wo ist die deutsche Flagge noch teurer als andere EU-Flaggen?« Ein gewisser Unterschied bestehe aber noch, wenn man mit Nicht-EU-Seeleuten vor allem auf befristete Verträge setzt.

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Ausgeflaggte deutsche Schiffe – Stand 11/22 (© BG Verkehr / HANSA)

Den Trend bei der deutschen Flagge bezeichnet er als »Seitwärtsbewegung« und »stabil«. Die Containerschifffahrt ist nach wie vor das stärkste Segment. Es folgen unter anderem einige MPP-Schiffe. Reeder im Transport von Projektladung setzen bisweilen auf deutsche Seeleute, weil es einiges Ingenieur-Knowhows bedarf, um die Beladung vorzubereiten und vor allem an Bord umzusetzen. Der Fachmann sagt: »Ich kenne Reedereien, die sagen, da rechnet sich die deutsche Flagge. Andere sagen, die Offhire-Zeiten von Schiffen mit deutschen Seeleute seien geringer. Ich kenne die Berechnungen der Unternehmen nicht, aber wenn die Kosten tatsächlich so hoch wären, wieso fahren dann Reedereien wie Hapag-Lloyd, Rörd Braren oder Rambow unter deutscher Flagge?«

Letztlich sei aber auch sehr wichtig, wie das Controlling die Kosten berechnet und wie das Schiff finanziert ist. Bei einer ausländischen Schiffsfinanzierung se es »eher fraglich«, ob auf die deutsche Flagge gesetzt wird. »Man muss bei dieser Debatte immer im Hinterkopf haben: Wer entscheidet eigentlich über die Flagge? Ist es wirklich die Reederei?«, so Bubenzer weiter.

Das Image der deutschen Flagge ist nicht das Beste, kritisiert wird neben den Kosten unter anderem auch die Umständlichkeit. Auch das will Bubenzer nicht so pauschal stehen lassen: »Es gibt ja Reeder, die die deutsche Flagge fahren. Wenn wir so umständlich wären, würden die uns den Rücken kehren, das tun sie aber nicht. Ich stelle immer wieder fest, das Reeder eine positive Entwicklung bei uns feststellen, wenn sie die deutsche Flagge testen.«

Gleichzeitig wisse man, dass mehr getan werden muss. Es werde nicht mehr so sein wie in den 70er- oder 80er-Jahren, als die deutsche Handelsflotte praktisch nur aus deutscher Flagge bestand, »der Zug ist abgefahren«. Die BG Verkehr hat aber auch für die Zukunft eine gewisse Koexistenz im Sinn: »Wir wollen nicht, dass es immer weiter runter geht, sondern einen qualitativ hochwertigen Kernbestand halten, mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit.« Und zwar nicht nur im Sinne des Umweltschutzes – da sind andere Flaggen auch sehr aktiv – sondern auch im Sinne der Seeleute: »Ich finde, da hat die deutsche Flagge wirklich Stärken – Stichwort Sozialversicherung.«

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Merle Stilkenbäumer, Geschäftsführerin LISCR Deutschland (© LISCR)

Mit der Einschätzung, dass es Raum für nationale Flaggen und offene Register in der deutschen Flotte gibt, ist Bubenzer nicht allein. Merle Stilkenbäumer, Geschäftsführerin der Liberia-Flagge in Deutschland (LISCR Germany) sieht das ebenso. In der aktuellen Episode des HANSA-Podcasts spricht sie über ihre Ansichten zum Flaggenwettbewerb. Sie sieht zwar Vorteile für offene Register in Bezug auf den internationalen Charakter der Schifffahrt. Gleichzeitig würde sie sich aber auch wünschen, dass die deutsche Flagge etwas stärker wird.

Bei der deutschen Flagge sieht man ungeachtet aller Entwicklungen auch noch Verbesserungsbedarf im eigenen Tun. »Ja, da gibt es einige Punkte«, sagt Bubenzer. »Andere Flaggen machen mehr Besuche vor Ort. Das machen wir zu wenig und sind nicht nah genug am Kunden. Da ist ehrlicherweise noch Luft nach oben.« In puncto Digitalisierung schwebt ihm ein umfassendes und rund um die Uhr verfügbares Kundenportal für Reeder vor.

An der deutschen Flagge hängt sehr stark auch die Ausbildung deutscher Seeleute. »Man könnte zwar unter EU-Flagge genauso ausbilden, aber das passiert zu wenig. Wenn keine deutschen Seeleute nachkommen, dann haben wir keine Besichtiger mehr für Flaggenstaat- und Hafenstaatkontrollen«, warnt der BG-Verkehr-Vertreter. Dann drohen große oder noch größere Nachwuchsprobleme an vielen verschiedenen Stellen, »und dann reden wir irgendwann nicht mehr nur über die deutsche Flagge, sondern über den gesamten Schifffahrtsstandort.«

Lesen Sie das ganze Interview mit weiteren Details, Informationen zur deutschen Flotte und Flagge sowie Einschätzungen von Christian Bubenzer in der aktuellen Dezember-Ausgabe der HANSA.