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Die ersten Auswirkungen des EU-Importverbots und der G7-Preisobergrenze für russisches Öl werden sichtbar, vor allem mit Blick auf die Handelsströme, die sich von Europa nach Süd- und Ostasien verlagern.[ds_preview]

Am 5. Dezember 2022 trat das EU-Importverbot für Rohöl aus Russland auf dem Seeweg in Kraft, begleitet von einer Preisobergrenze von 60 $ pro Barrel für Exporte in Länder außerhalb der G7, der EU und Australiens. Zwar gibt es einige wenige zulässige Ausnahmen, doch hat Europa seine Öleinfuhren aus Russland weitgehend eingestellt.

Der Tanker-Broker Poten berichtet auf Basis von Marktdaten, dass die russischen Rohölexporte auf dem Seeweg im April 2022 mit 4,3 Mb/d ihren Höchststand erreicht hätten. Seither sei die Gesamtmenge allmählich zurückgegangen. Der Rückgang beschleunigte sich im Dezember, was aber möglicherweise nur vorübergehend ist, da in diesem Monat das EU-Verbot in Kraft trat. Die Veränderungen bei den Bestimmungsorten der Ladung sind dafür wesentlich deutlicher. Im Januar 2022, dem Monat vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, wurden 1,7 Mb/d (47 %) des russischen Rohöls nach Nordwesteuropa (UKC/Baltikum) exportiert. Im Dezember waren es nur noch 266.000 b/d, und im Januar 2023 soll diese Menge aufgrund des Verbots auf Null sinken.

Indien war der größte »Nutznießer« der Verschiebung der Handelsströme. Die Ausfuhren in dieses Land stiegen von praktisch nichts vor der Invasion auf 1,2 Mb/d im November letzten Jahres und machten Indien zum größten Importeur von russischem Rohöl auf dem Seeweg. Im Dezember gingen die Ausfuhren nach Indien leicht zurück. Auch China hat seine Aufnahme von russischem Rohöl erhöht, und zwar von etwa 600.000 b/d zu Beginn des Jahres auf etwa 940.000 b/d im November.

Während Indien vor allem europäische Barrels aus dem Schwarzen Meer und einige aus dem Baltikum kauft, hat sich China auf die russischen Exporte aus dem Fernen Osten konzentriert. Derzeit kauft China nach Angaben von Poten fast das gesamte aus Kozmino exportierte Rohöl, da andere traditionelle Kunden wie Korea und Japan ihre Einfuhren reduziert haben. Die Türkei hat ihre Käufe zunächst erhöht, aber ihre Einfuhren von russischem Rohöl sind seit dem Höchststand im August um mehr als 50 % zurückgegangen.

Altersprofil der Tankerflotte verschiebt sich

Poten merkt an, dass die Transparenz der russischen Handelsströme seit Beginn des Konflikts und der Verhängung von Sanktionen abgenommen hat. Tankschiffe, die die russischen Häfen verlassen, geben ihr Ziel demnach häufig erst später auf der Reise an (wenn überhaupt), und der zunehmende Einsatz von Schiff-zu-Schiff-Transfers (STS) erschwert die Verfolgung des endgültigen Bestimmungsortes dieser russischen Barrels.

Der verstärkte Einsatz der »Schattenflotte« ist ein weiterer Faktor. Nach der Invasion und insbesondere seit der Verhängung von Sanktionen gegen russische Rohölexporte hat sich eine wachsende Zahl von Reedern geweigert, russisches Öl zu transportieren. Bei vielen dieser Eigner handelt es sich um börsennotierte Unternehmen, die in der Regel über modernere Schiffe verfügen. Die Folge dieses Trends ist eine Überalterung der Tankerflotte, die russische Häfen anläuft. Im Januar 2022 wurden nach Angaben von Poten beispielsweise 40 % der Aframax-Transporte ab Russland mit Tankern durchgeführt, die jünger als zehn Jahre waren, und nur 28 % mit Schiffen, die älter als 15 Jahre waren. Es wurden keine Schiffe eingesetzt, die älter als 20 Jahre waren. »Im Dezember hatte sich dieses Altersprofil drastisch verändert: Nur 22 % der Aframax-Schiffe waren weniger als 10 Jahre alt und 50 % waren älter als 15 Jahre. Mehrere Fahrten wurden mit Schiffen durchgeführt, die älter als 20 Jahre waren, und eine eingesetzte Aframax war sogar älter als 25 Jahre«, heißt es

Markt ändert sich

Die G7-Preisobergrenze hat sich nach Beobachtung des US-Brokers auf die Tankermärkte ausgewirkt. Demnach minderte der Mechanismus, der geschaffen wurde, um russisches Öl unterhalb eines bestimmten Preisniveaus zu halten, die Auswirkungen des EU-Einfuhrverbots. Da der Preis für Ural (die wichtigste Ausfuhrsorte aus den europäischen Häfen Russlands) unter der Preisobergrenze von 60 $ geblieben ist, können Reedereien diese Fässer weiterhin transportieren, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Die Ausfuhren aus dem Fernen Osten Russlands wurden jedoch beeinträchtigt. Dort stiegen die Preise auf über 60 $/Barrel, was die meisten großen Eigner vom Handel ausschloss. Fast 75 % der auf diesen Fahrten eingesetzten Aframax-Schiffe sind inzwischen 15 Jahre alt oder älter, was nach Einschätzung von Poten auf eine deutliche Verlagerung zur Schattenflotte hindeutet.

»Wenn die Preise für russisches Öl die Preisobergrenze im atlantischen Becken überschreiten, könnte Russland Schwierigkeiten haben, genügend Schiffe für den Transport seines Rohöls zu finden. Dies könnte die Ölmärkte verknappen und die Preise in die Höhe treiben«, heißt es.

Insgesamt hat die Preisobergrenze positive Auswirkungen auf den Tankermarkt, da längere Fahrten zu einer höheren Nachfrage nach Tonnenmeilen führten. Die von den russischen Rohölexporten erzeugte Tonnenmeilennachfrage hat sich seit Beginn des Krieges verdreifacht. »Dieser Trend hat sich sehr positiv auf den Frachtmarkt ausgewirkt und wird sich wahrscheinlich auch 2023 fortsetzen«, so Poten.