Sewol, Havarie
Die Havarie der »Sewol« war eines der schwersten Schiffsunglücke in der jüngeren koreanischen Geschichte (Foto: South Korean Ministry of Oceans and Fisheries)
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Die Aufarbeitung der verheerenden und für viele Menschen tödlichen Havarie der Fähre »Sewol« zieht sich weiter in die Länge. Jetzt gerät ein ehemaliger Chef der koreanischen Küstenwache ins Visier der Ermittler.

Eine speziell zu der Havarie[ds_preview] von 2014 eingerichtete Sonderkommission will Kim Suk-kyoon offenbar persönlich haftbar machen. Die entsprechende Staatsanwälte teilte heute in Seoul mit, dass sie ein Gericht gebeten habe, den ehemaligen Chef der koreanischen Küstenwache formell für die Fehlbehandlung einer der schlimmsten Seekatastrophen des Landes, bei der mehr als 300 Menschen starben, festzusetzen.

Neben Kim sind fünf weitere, hochrangige Beamte, einschließlich derjenigen, die die westliche Küsteneinheit und die südwestliche Hafenstadt Mokpo beaufsichtigt haben, von dem Antrag betroffen, meldet die Nachrichtenagentur Yonhap.

Die 6.800-t-Fähre »Sewol« war am 16. April 2014 in den Gewässern vor der Südwestküste des Landes gesunken. Die meisten der Opfer waren Gymnasiasten auf einer Klassenfahrt zur südlichen Ferieninsel Jeju. Bei dem Unglück kamen 303 Passagieren ums Leben. 142 Menschen wurden verletzt.

Im Kern geht es bei der Anklage darum, dass die Männer sich bei der Rettungsoperation falsch verhalten haben. Die Beamten sollen zudem DOkumente gefälscht haben, um ihre verspäteten Rettungsaktionen zu vertuschen.

Es ist der jüngste Schritt in einer sich noch immer ausweitenden Untersuchung der Sonderermittlungseinheit, die im November gestartet wurde. Die Einheit hat die genaue Ursache der tödlichen Katastrophe untersucht, inklusive der Handhabung der Rettungsaktionen durch die ehemalige konservative Regierung.

Das Ermittlungsteam hat seitdem mehrere Schiffe, die während der Rettungsaktionen mobilisiert wurden, sowie Regierungsstellen, wie das Hauptquartier der Koreanischen Küstenwache inspiziert. Sie gingen auch den in Korea vieldiskutierten Vorwürfen nach, dass Kim und andere Beamte einen Hubschrauber benutzt haben, um das Katastrophengebiet zu verlassen, anstatt ihn für die Evakuierung eines jugendlichen Opfers zu nutzen. Kritiker behaupten, dass dessen Verlegung in ein Krankenhaus, die mehr als vier Stunden dauerte, durch einen Hubschrauberflug auf etwa 20 Minuten hätte verkürzt werden können.

Seit der Tragödie sind mehr als fünf Jahre vergangen, aber viele Menschen glauben immer noch an die Wahrheit, und die Such- und Rettungsaktionen der Regierung und andere Reaktionen zu diesem Zeitpunkt sind noch nicht ans Licht gekommen. Auch sind die genauen Ursachen für die Havarie nicht restlos geklärt. Eine Expertenuntersuchung war zu dem Schluss gekommen, dass entweder Probleme am Schiff oder äußerer Einflüsse die Havarie verursachten.

Zu den »eigenen« Problemen werden eine übermäßige Beladung und mangelhafte Wartung bzw. fehlerhafte Umbauten gezählt, die Stabilität und Auftrieb der 6.800-Tonnen-Fähre beeinträchtigt haben könnten. Als mögliche »externe Faktoren« werden eine Kollision mit einem U-Boot oder anderen unbekannten Objekte genannt.

Die Fährkatastrophe hatte tiefe Wunden in die südkoreanische Gesellschaft gerissen. Politiker mussten ihre Ämter abgeben, Seeleute für Jahrzehnte ins Gefängnis. Weil unter den Passagieren über 320 Schüler waren und der Kapitän sowie Teile der Besatzung den Havaristen panisch verließen, anstatt Hilfe zu leisten, löste das Unglück enorme Empörung und große Diskussionen in der Gesellschaft aus. Tage- und wochenlang wurde mit 169 Schiffen und Booten nach Toten und Überlebenden gesucht.

Was genau geschah, ist noch immer nicht restlos aufgeklärt. Angeblich gab es zu viele schnelle Kursänderungen der unerfahrenen dritten Offizierin, wodurch Ladung verrutschte und das Schiff kenterte. Auch ein defektes Ruder wurde zunächst als möglicher Grund genannt. Zudem stellte ein Gericht einen unzulässigen Umbau zur Erhöhung der Ladefähigkeit fest. Die »Sewol« galt als regelmäßig überladen und mit zu wenig Ballastwasser ausgestattet. Den Behörden wurden deswegen Versäumnisse und mangelnde Kontrolle vorgeworfen. Premierminister Jung Hong-won war nach der Havarie zurückgetreten. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Park Geun Hye wurde unter anderem mit der langsamen Aufklärung in Verbindung gebracht.

Kurz nach der Havarie war bereits die Besatzung festgenommen worden. Der Reeder wollte sich zunächst ins Ausland absetzen, später wurde seine Leiche gefunden. Der Kapitän wurde zwar vom Mordvorwurf freigesprochen, erhielt jedoch letztlich eine Haftstrafe von 36 Jahren. Weitere Crew-Mitglieder wurden zu Strafen zwischen zwischen 15 und 30 Jahren verurteilt. Ihnen wurde unter anderem zur Last gelegt, dass sie Passagiere der »Sewol« im Zuge der Havarie aufgefordert hatten, in ihre Kabinen zu gehen. Die wenigen, die sich widersetzen, gehörten zu den Überlebenden.