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In der Ostsee startet ein neues deutsch-tschechisches Forschungsprojekt zu Schiffsabgasen – mit der von der Leeraner Briese-Gruppe bereederten »Elisabeth Mann Borgese«.[ds_preview]

Unter dem Motto »Smoke on the Water« verfolgen Rostocker und Prager Forschende die Spur von Schiffsabgasen über und in der Ostsee. Im Rahmen des »PlumeBaSe«-Projekts untersuchen Forschende des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der Universität Rostock und der Prager Karls-Universität, wie sich die freigesetzten Schadstoffe über und im Meer ausbreiten, wie sie sich in der Luft und im Wasser verändern und was sich daraus für eine verbesserte Abgasreinigung ableiten lässt.

Auftakt des auf drei Jahre angelegten Forschungsvorhabens ist Mitte September eine Ausfahrt mit dem IOW-Forschungsschiff »Elisabeth Mann Borgese«. Die Bereederung erfolgt wie üblich über die Leeraner Briese-Gruppe. Sie kümmert sich um die »Elisabeth Mann Borgese« genauso wie um die weiteren Forschungsschiffe »Alkor«, »Littornia«, »Maria S. Merian«, »Meteor«, »Senckenberg« und »Sonne«.

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»Elisabeth Mann Borgese« (© Briese)

Täglich lassen sich in Warnemünde die Ein- und Ausfahrten von Frachtern und Fähren, von kleinen Motorsegler und großen Kreuzfahrtschiffen beobachten. Was wichtig für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Rostock und letztlich für den gesamten Wirtschaftsraum Ostsee ist, ist sowohl für die Baltischen Meeresökosysteme als auch für die küstennahe Bevölkerung ein Problem, heißt es seitens des IOW bei der Bekanntgabe des Projekts. Denn die Verbrennung von Schweröl oder Dieselölen durch die Schiffsmotoren würden große Mengen schädlicher Substanzen freisetzen. Neben gasförmigen Schadstoffen wie giftigen Stickoxiden (die obendrein klimaschädlich sind), werden auch flüssige oder feste Aerosole freigesetzt, die reich an Spurenmetallen und organischen Giftstoffen sind.

Weniger Wirkung von Scrubbern?

Seit 2015 ist die Ostsee Kontrollzone für Schwefelemissionen und daher die Schwerölverbrennung ohne Rauchgasentschwefelung durch Scrubber erheblich einschränkt. Erste Studien der Universität Rostock, des Helmholtz Zentrums München und des IOW zeigen jedoch, dass ein Verzicht auf Schweröl in der küstennahen Schifffahrt weniger effektiv für den Gesundheitsschutz der Menschen in den Küstengebieten ist als erwartet und die Scrubber die Emissionen von gesundheitsschädlichen Partikeln wie Feinstaub kaum reduzieren.

Ziel der Anfang September gestarteten Forschungskooperation »PlumeBaSe«, die auf die bisherigen Studien aufbaut, ist eine hochdetaillierte Analyse der bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe durch Schiffe in Form von Aerosolen freigesetzten Schadstoffe, sowohl in Bezug auf deren Zusammensetzung als auch und deren weiteren Weg in der marinen Umwelt.

Das Projekt bekommt Förderungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG und die Tschechische Forschungsstiftung (Czech Science Foundation, GACR).

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Aerosolmassenspektrometer (© Universität Rostock)

»Wir gehen davon aus, dass Schiffsemissionen signifikant zur Verschmutzung des Oberflächenwassers beitragen und der Eintrag entlang der Hauptschiffahrtsrouten besonders hoch ist. Unser Verständnis, wie die festen oder flüssigen Schwebeteilchen im Schiffsabgas während des atmosphärischen Transports sowie in der Wassersäule ›altern‹ – sprich: sich durch UV-Einstrahlung oder reaktive Sauerstoffspezies wie Ozon verändern – ist jedoch äußerst lückenhaft«, konstatiert Helena Osterholz, die »PlumeBaSe«-Koordinatorin auf Seiten des IOW. »Um zu erforschen, inwieweit Schiffsabgase für Meereslebewesen schädlich sind, müssen aber grade auch die Transformationsprodukte untersucht werden«, fügt Ralf Zimmermann, Projektleiter auf Seiten der Universität Rostock, an und ergänzt: »Mit ›PlumeBaSe‹ schlagen wir daher eine neuartige Brücke zwischen Atmosphären- und Meeresforschung, um eine hochaufgelöste Beprobung der Aerosole und ihrer Transformationsprodukte vom Schiffsschornstein bis in die Ostsee zu realisieren.«

Dies wird unter anderem durch den Einsatz eines schiffsbasierten, ferngesteuerten Zeppelins ermöglicht, der 2023 während der Hauptkampagne an verschiedenen Stellen über dem Wasser und im Höhenprofil Feldmessungen zur Ausbreitung der Aerosole direkt in der Schiffsabgasfahne ausführen kann. Entwickelt wurde dieses Verfahren, bei dem Proben genommen und gleichzeitig die Aerosolkonzentration und -größenverteilung sowie die meteorologischen Begleitdaten erfasst werden können, an der Prager Karls-Universität.

Während der jetzt anstehenden Gerätetestfahrt im September wird erstmals das an der Universität Rostock entwickelte Einzelteilchen-Aerosolmassenspektrometer, das individuelle Feinstaubteilchen aus der Luft direkt analysieren kann, auf See erprobt. Unterstützt wird das Projekt außerdem der Universität der Bundeswehr München über das Projekt »LUKAS – Mobiles Warnsystem für Luftschadstoffe«, in dem Einzelteilchen-Aerosolmassenspektrometer gekoppelt eingesetzt und über das landbasierte Messungen beigesteuert werden.

Die aktuelle 36-stündige Test-Expedition mit dem Forschungsschiff »Elisabeth Mann Borgeseq, startet heute von Rostock aus unter Leitung von IOW-Wissenschaftlerin Helena Osterholz. An Bord ist ein 10-köpfiges deutsch-tschechisches Team mit Forschenden aller am Projekt beteiligten Institutionen. Die Testfahrt soll die Basis für detaillierte, längere Aerosolmessungen auf offener See im nächsten Jahr bereiten, bei der auch Schadstoffmessungen in der Wassersäule durchgeführt werden sollen. »Die Ostsee ist mit ihrer hohen Schiffsverkehrsdichte, guten Zugänglichkeit und klaren Regelungen in Bezug auf Schiffsemissionen ein ideales Untersuchungsgebiet. Wenn nun auch alle Messsysteme nach Plan funktionieren, rechnen wir damit, dass sich unsere Erkenntnisse auch als Modell zur Abschätzung des Einflusses von Schiffsverkehr auf küstennahe Ozeane weltweit eignen«, so die beiden Projektleiter abschließend.