BIMCO tankers, Alfa, Mid-Ship, Banken
Foto: Felix Selzer
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Zwei Wochen vor dem Import-Verbot führt die EU noch immer 15 bis 20 % des Rohöls aus Russland ein. Es bleibt spannend, was nach dem Stichtag passiert. Die Tankermärkte profitieren bereits von den Verschiebungen der Handelsströme.[ds_preview]

Am 8. Juni 2022 beschloss die Europäische Union ein Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl und Ölprodukten auf dem Seeweg zu verhängen. Das Verbot für Rohöl wird am 5. Dezember in Kraft treten. Bis dahin muss die EU neue Lieferanten und Russland neue Abnehmer gefunden haben.

Zu Beginn dieses Jahres exportierte Russland jeden Monat 11 Mio. t Rohöl per Schiff in die EU. Dies entsprach 60 % aller russischen Rohölausfuhren auf dem Seeweg und 30 % der Rohöleinfuhren der EU auf dem Seeweg. Nach aktuellen Zahlen der Schifffahrtsorganisation Bimco beliefen sich in der ersten Novemberhälfte die russischen Rohölausfuhren auf dem Seeweg in die EU auf 3,7 Mio. t, was 38 % aller russischen Rohölausfuhren auf dem Seeweg und 20 % der Rohöleinfuhren der EU auf dem Seeweg entspricht.

Diese Zahlen sind etwas höher als im September und Oktober, als die Rohölausfuhren aus Russland in die EU 31 % der gesamten russischen Rohölausfuhren auf dem Seeweg und 14 % der Rohöleinfuhren der EU auf dem Seeweg ausmachten.

»Weniger als zwei Wochen vor dem Inkrafttreten des EU-Importverbots für russisches Rohöl machen die Einfuhren aus Russland immer noch 15-20 % der Rohöleinfuhren der EU auf dem Seeweg aus. Bislang haben die Abnehmer in der EU neue Lieferanten für etwa die Hälfte ihrer früheren russischen Rohölimporte gefunden, müssen aber noch neue Lieferanten für etwa 5,5 Mio. t Rohöl pro Monat finden«, sagt Niels Rasmussen, Chief Shipping Analyst bei Bimco.

Bislang ist der Wechsel der Abnehmer von russischem Rohöl den Suezmax-Schiffen zugute gekommen. Zu Beginn des Jahres exportierten sie etwa 25 % aller russischen Rohölexporte auf dem Seeweg, jetzt sind es etwa 40 %. Aframax-Schiffe haben aufgrund des Rückgangs der Rohölexporte in die EU Anteile verloren, zeigen die Zahlen von Bimco.

VLCC- und Suezmax-Schiffe haben ihren Anteil an den EU-Rohöleinfuhren erhöht. Nachdem sie im August einen Höchststand von 20 % erreicht hatten, befördern VLCCs jetzt etwa 10 % des gesamten Rohöls in die EU, doppelt so viel wie zu Beginn des Jahres. Der Anteil der Suezmax-Schiffe ist von 30 % auf 45 % gestiegen, während der Anteil der Aframax-Schiffe aufgrund der geringeren Einfuhren aus Russland zurückgegangen ist.

»Russland hat in Indien und China neue Abnehmer gefunden, die nun jeweils etwa 25 % der russischen Rohölexporte auf dem Seeweg einführen, gegenüber 0 % bzw. 15 % zu Beginn des Jahres. Die EU hat an vielen Orten neues Angebot gefunden, wobei der Persische Golf, Westafrika und die Ostküste Südamerikas hervorstechen. Alles in allem nimmt die durchschnittliche Auslastung der Rohöltanker zu und wird weiter ansteigen, sobald das Verbot in Kraft tritt«, so Rasmussen.

Trotz dem bevorstehenden Verbot hat Russland im Jahr 2022 10 % mehr auf dem Seeweg exportiert als 2021. Die Mengen sind jedoch um 7 % niedriger geblieben als 2019. Mit Blick auf die Zukunft prognostizieren sowohl die US Energy Information Administration (EIA) als auch die Internationale Energieagentur (IEA), dass die russische Ölproduktion im Jahr 2023 um fast 2 mbpd im Vergleich zur Vorkriegsproduktion zurückgehen wird, was einem Rückgang um fast 20 % entspricht. Es wird davon ausgegangen, dass Russland nicht in der Lage sein wird, neue Abnehmer für das gesamte verbleibende Rohöl und die Ölprodukte zu finden, die bisher für die EU bestimmt waren. Darüber hinaus könnte die endgültige Struktur der Ölpreisobergrenze, die derzeit zwischen der EU, den USA und ihren Verbündeten diskutiert wird, zu einer Einschränkung der Exporte und der Verfügbarkeit von Transportkapazitäten führen.

Die verlorenen Exporte könnten sich stattdessen nach Nord- und Südamerika verlagern, wo ein Anstieg der Ölproduktion erwartet wird, um die verlorene russische Produktion auszugleichen.