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Die Idee einer sogenannten »koordinierten maritimen Präsenz« findet unter den  Verteidigungsministern der Europäischen Union Anklang. Man will offenbar einen gemeinsamen Weg finden.

Bei ihrem letzten Treffen in Helsinki[ds_preview] wurden jüngst unter anderem die Auswirkungen moderner Technologien – insbesondere künstliche Intelligenz – und des Klimawandels auf Verteidigung und Sicherheit diskutiert. Auf der Agenda stand auch eine ausführliche Debatte über ein Konzept einer koordinierten europäischen maritimen Präsenz. Gemeint ist damit von den Politikern ein Mechanismus zur besseren Koordinierung der Marinepräsenz der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Gebiet, das als strategisch bedeutend für die Europäische Union als solche gesehen wird.

Mittelost Iran
Quelle: Pixabay

Die Idee ist, die Seestreitkräfte der EU-Mitgliedstaaten, die in einer »Zone von strategischem Interesse« in nationalem Auftrag unterwegs bzw. anwesend sind, besser zu koordinieren. Zu den Aktivitäten würden gehören: Informationsaustausch fördern, Überwachungsergebnisse zusammenzuführen und damit die Lagebeurteilung optimieren. So soll »Beste« aus den von den Mitgliedsstaaten individuell eingesetzten Marinefähigkeiten auf koordinierte europäische Weise herausgeholt werden. Darüber hinaus sollen Partner eingebunden werden können, insbesondere betroffene Küstenländer oder diejenigen, die auf See Bedrohungen ausgesetzt sind, die auch die europäischen Interessen berühren. Als ein sehr leichtes, sehr flexibles Instrument gedacht, solle es kein Ersatz sein, sondern eine Ergänzung zu den traditionellen Einsätzen bzw. Operationen der Europäischen Union, heißt es.

Technische Details werden ausgearbeitet

Zwar befindet sich das Konzept noch in einem Anfangsstadium der Entwicklung, doch fand die Idee in Helsinki breiten Anklang. Es wurde beschlossen, die technischen Arbeiten am Konzept abzuschließen. Als Pilotfall einigte man sich auf den Golf von Guinea. »Der Grund, warum wir uns vorgestellt haben, vom Golf von Guinea aus zu starten, ist, dass dies natürlich die Eigenverantwortung und die Bereitschaft der Küstenländer erfordert, auch mit uns einen koordinierten Ansatz zu verfolgen, und ein gemeinsames Interesse, beispielsweise gegen Piraterie oder kriminelle Organisationen, Angriffe oder Bedrohungen der Seewege«, so die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Frederica Mogherini.

Damit zeigt die EU wie sie sich vom amerikanischen Weg absetzt. Beim G7-Gipfel hatte sich zuletzt der französische Präsident Emmanuel Macron um Bewegung im Konflikt zwischen den USA und dem Iran bemüht. Die EU setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz. Als Spiegelbild einer größeren politischen Spannung in der Region mit ihren verschiedenen politischen Aspekten lasse sich die Situation im Persischen Golf bzw. in der Straße von Hormuz nicht auf die Fragen maritimer Sicherheit und der Freiheit der Navigation pointieren.

»Gesamtbetrachtung« hat Priorität

Diese Gesamtbetrachtung des Nahen Ostens wurde Gegenstand einer gemeinsamen Sitzung der EU Außen- und Verteidigungsminister. In Hinblick auf das nun zu vervollständigende Konzept schloss Mogherini nicht aus, dass dies (eine vergleichbare Operation im Bereich Persischer Golf und in der Straße von Hormuz) in Zukunft eine Option sein könnte. Es sei »aber definitiv zu früh, um zu sagen, dass dies heute eine Option für die Europäische Union sein könnte, um sie in diesem Bereich einzusetzen.«

In der jüngst veröffentlichten Analyse »Ein Schiff wird kommen?« der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beziffern Carlo Masala, Christian Mölling und Torben Schütz den Grundbedarf einer Beobachtungsmission auf fünf Fregatten (oder Zerstörer) mit Bordhubschraubern sowie drei Seefernaufklärer und ein bis zwei Versorgungsschiffe beziehungsweise Tanker.

RAS FGS Luebeck & FS Chevalier Paul
Fregatte »Lübeck« (Foto: Bundeswehr)

Durch die zu berücksichtigende und notwendige Rotation ergibt sich eine erhebliche Gesamtanzahl zur Verfügung stehender Einheiten, der immerhin bis zu 30% der maritimen Fähigkeiten Europas erfordern würde – wobei, wie die Autoren feststellen, die EU-Länder über hinreichende Marinestreitkräfte verfügen, um sowohl eine Beobachtermission oder auch eine Schutzmission (umfangreicherer Ansatz) durchzuführen. Deutschland selbst müsste ständig mit mindestens einem Schiff an der Mission beteiligt sein, so eine Folgerung der Autoren.

Ein derartiger »erster Pilotfall« für das nun vorgestellte Konzept im Golf von Guinea ist nicht vergleichbar zu den maritimen EU-Operationen »Atalanta« gegen Piraterie vor Somalia und »Sophia« gegen Schlepper im Mittelmeer. Ein im Sinne des nun vorgestellten Mechanismus ablaufender Einsatz würde ein koordiniertes Vorgehen im Seegebiet des Golfs von Guinea bedeuten, wobei die teilnehmenden Einheiten unter der Führungshoheit der Mitgliedsstaaten blieben und nicht von der EU geführt würden. Mit dem etablierten Mechanismus würde den Mitgliedstaaten ermöglicht, in einem bestimmten Interessengebiet Synergien durch ihre bloße Präsenz zu bilden und ihre Arbeit in der Region oder mit Partnern in der Region zu koordinieren.


 

Dieser Text von Autor Hans Uwe Mergener erschien zuerst im Magazin »Europäische Sicherheit & Technik« (ES&T)