IMO ship recycling Verschrottung
Foto: IMO
Print Friendly, PDF & Email

Der größte Teil der weltweit verschrotteten Handelschiffe wird noch immer von Hand an drei Stränden in Südasien zerlegt. Beobachter prangern die magelhafte Durchsetzung von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften an, die Reedereien zur Gewinnmaximierung ausnutzen.

Wie die NGO Shipbreaking Platform in ihrem Jahresbericht 2019 darlegt, sind die Kosten [ds_preview]der Verschrottung an südasiatischen Stränden für Mensch und Umwelt verheerend. Bei Unfällen werden jedes Jahr zahlreiche Arbeiter getötet oder verstümmelt, viele leiden an Berufskrankheiten, darunter auch Krebs. Der Austritt giftiger Stoffe verursacht irreparable Schäden an den Küstenökosystemen.

ships scrapped and beached 2019
Anzahl Verschrottungen und Anteil Beaching (Quelle: NGO Shipbreaking Platform)

Nach Angaben der NGO wurden 2019 insgesamt 674 Hochsee-Handelsschiffe an Abwrackwerften weltweit verkauft. Davon wurden 469 große Tankschiffe, Massengutfrachter, Offshore-Plattformen und Kreuzfahrtschiffe an den Stränden von Bangladesch, Indien und Pakistan abgewrackt, was fast 90% der weltweit abgebauten Bruttotonnage ausmacht.

Das Abwracken von Schiffen sei eine der gefährlichsten Arbeiten der Welt, sagt die NGO unter Berufung auf die International Loabour Organisation (ILO). Das Risiko, eine tödliche Berufskrankheit zu bekommen, sei hoch, da den Arbeitnehmern geeignete Atemschutzgeräte fehlen, die sie vor den vielen giftigen Dämpfen und Materialien schützen, die bei den Schneide- und Reinigungsarbeiten freigesetzt werden. In den meisten Fällen würden Gefahrstoffe nicht einmal identifiziert und schadeten den Arbeitnehmern daher unwissentlich, wie beispielsweise Asbest.

Giftaustritte und Umweltzerstörung

Auch die Umweltauswirkungen der »Beaching«-Praxis prangert die NGO wieder an. In Südasien werden Schiffe auf Grund gesetzt, bevor sie im Watt zerlegt werden. Auf den Stränden sei es unmöglich, Schadstoffe einzudämmen. Ölverschmutzungen, Schlamm und schwermetallverseuchter Schrott verursachten irreparable Schäden in der Küstenregion.

Scrapping countries 2019
Ländern in denen 2019 Schiffe verschrottet wurden (Quelle: NGO Shipbreaking Platform)

In Bangladesch wurden zudem Tausende geschützter Mangrovenbäume gefällt, um Platz für Schiffe zu schaffen. 14.000 Mangrovenbäume, die mit Unterstützung der Vereinten Nationen gepflanzt wurden, seien 2009 in Sitakund illegal gefällt worden, um Platz für zusätzliche Schiffswerften zu machen, heißt es. Nach einer Schätzung der in Bangladesch ansässigen NGO YPSA wurden in den letzten Jahren mindestens 60.000 Mangrovenbäume entlang der Küste in der Nähe der Stadt Chattogram gefällt.

NGO benennt »Top Dumpers«

Reedereien, die meisten mit Sitz in Europa, den USA und Ostasien, nutzen nach Angaben der NGO »die minimale Durchsetzung von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften an den südasiatischen Stränden aus, um ihre Gewinne zu maximieren«. Sie verkaufen Schiffe an sogenannte Cash Buyer, die diese an ihren endgültigen Bestimmungsort bringen. Die Barkäufer wechseln demnach die Flagge der Schiffe auf eine Billigflagge und registrieren sie unter neuen Namen und anonymen Postfachfirmen. »Diese Praktiken machen es für die Behörden sehr schwierig, Barkäufer – und die Schiffseigner, die an diese Schrotthändler verkaufen – aufzuspüren und für illegale Praktiken zur Verantwortung zu ziehen«, so die Kritik.

Ships scrapped in 2019
Herkunft und Bestimmungsorte von Schrottschiffen 2019 (Quelle: NGO Shipbreaking Platform)

Schiffseigner aus Asien, Europa und Nordamerika führen die Liste der derjenigen an, die Schiffe an die Strände von Indien, Pakistan und Bangladesch verkaufen. Gemessen an der Zahl der gestrandeten Schiffe und den Verstößen gegen bestehenden Gesetze benennt die NGO als »Top Dumper 2019« die Unternehmen Evergreen Marine Corp., Waruna Nusa, Sentana, Zamil Group, Tidewater, Maersk, SINOKOR, Berge Bulk, Costamare, Angelicoussis Group, CIH und MOL.

»Keine Reederei kann behaupten, dass sie sich der schlimmen Bedingungen auf den Strandwerften nicht bewusst ist, dennoch verkaufen sie ihre Schiffe weiterhin massiv an die schlechtesten Werften der Welt, um den höchsten Preis für ihre Schiffe zu erzielen«, so die NGO.

Lastvoyage-Schiffsregister

Am Ende der Lebensdauer von Schiffen sind typische »Lastvoyage-Schiffsregister« besonders beliebt bei den Käufern. »Diese Flaggen sind für ihre schlechte Umsetzung des internationalen Seerechts bekannt und werden von den meisten Hafenstaaten auf eine schwarze Liste gesetzt«, so die NGO.

End of Life flags 2019
End-of-Life-Flaggen 2019 (Quelle: NGO Shipbreaking Platform)

Für Schiffseigner sei es extrem einfach, bestehende Gesetze zu umgehen, die darauf abzielen, gefährdete Gemeinden und die Umwelt vor der Ablagerung von Giftmüll zu schützen. Schiffseigner machten den Behörden gegenüber falsche Angaben über die weitere betriebliche Nutzung eines Schiffes oder Reparaturarbeiten, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.

Mindestens 14 Schiffe wurden entgegen der EU-Abfallverbringungsverordnung, die alle Exporte von gefährlichen Abfällen in Nicht-OECD-Länder verbietet, 2019 an Strandwerften verkauft. »Die Zahl der Schiffe, die europäische Reeder an die südasiatischen Strände verkauft haben, ist jedoch viel höher. Nur wenn Europa und andere Teile der Welt ein Rückgabesystem für alle Schiffe, die in ihren Gewässern gehandelt werden, verabschieden, werden die Altschiffe effektiv zu sicheren und sauberen Recyclingwerften umgeleitet«, heißt es.

Van Oord für die beste Unternehmenspraxis ausgezeichnet

Unternehmen hätten die Pflicht, sicherzustellen, dass ihre Geschäftspraktiken keinen Schaden für Mensch und Umwelt verursachten. Viele Recyclingwerften hätten bereits in den Sicherheits- und Umweltstandard ihrer Betriebe investiert, so die NGO. Die EU führt eine Liste von zugelassenen Schiffsrecyclinganlagen, allerdings steht keine Strandwerft auf dieser Liste.

Für 2019 hat die NGO Shipbreaking Platform den niederländischen Schiffseigner Van Oord für die beste Unternehmenspraxis ausgezeichnet. Van Oord verkaufe seine Altschiffe zum Recycling an Werften, die auf der EU-Liste stehen, und setze sich seit langem für ein sicheres und sauberes Schiffsrecycling ein. Als Schiffseigner mit einer verantwortungsvollen Schiffsrecyclingpolitik werden außerdem Wallendes Wilhelmsen, Jan De Nun, Hapag-Lloyd, Grieg Star, Samskip, CSL, Herrema, Boskalis und DEME genannt.