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Das Fraunhofer IFAM und das DFKI Robotics haben auf Helgoland ein gemeinsames Testzentrum für maritime Technologien eröffnet. Geforscht wird an Land und im Seegebiet vor der Nordseeinsel.

Mit der Vernetzung ihrer Kompetenzen zu Materialien, Elektromobilität und Künstlicher Intelligenz wollen die Partner ihre Entwicklungen im maritimen Bereich erweitern und für Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen eine Forschungsumgebung unter anwendungsnahen Umweltbedingungen zur Verfügung stellen.

Im Land Bremen, in seinen norddeutschen Nachbarländern aber auch auf Bundesebene zählt die maritime Wirtschaft zu den wichtigsten Industriebranchen. Um diesen leistungsfähigen Wirtschaftszweig zu sichern und auszubauen, seien Produkte und Dienstleistungen auf höchstem Niveau notwendig, so das Fraunhofer IFAM. Hohe Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit würden gestellt und die Digitalisierung in den maritimen Bereichen gelte gleichfalls als Herausforderung.

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, seien Versuche und Langzeittests unter anwendungsnahen Bedingungen unverzichtbar. Die Hochseeinsel Helgoland biete hierfür beste Voraussetzungen, denn in der Nordsee vor der Insel fänden sich harsche Offshore-Bedingungen, die sich für die Erprobung neuer maritimer Technologien hervorragend eigneten.

Jörg Singer, Bürgermeister auf Helgoland, sagt: »Helgoland ist die weltweit erste Offshore-Windenergie-Serviceinsel in der Nordsee. Die aktuellen und geplanten Entwicklungen passen zu den bereits vorhanden Aktivitäten und unterstreichen die Attraktivität Helgolands als Reallabor für die Entwicklung von Zukunftstechnologien.«

Über- und Unterwasserrobotik auf hoher See

In ihren Forschungsschwerpunkten ergänzen sich das Fraunhofer IFAM und das DFKI, sodass in der Zielsetzung an der Entwicklung und Erprobung von komplexen Robotersystemen gearbeitet werden kann, die sowohl unter und auf dem Wasser als auch in der Luft autonom und intelligent agieren. Sie sollen in der Lage sein Inspektions-, Wartungs- und Reparaturarbeiten auf hoher See durchzuführen, um den Menschen bei diesen gefährlichen Arbeiten zu entlasten. Zur Erfüllung dieses breiten Aufgabenspektrums müssten die Luft- und Wasserfahrzeuge mit effizienten elektrischen Antrieben, einer umfangreichen Sensorik, Sensordatenerfassung- und Auswertung sowie entsprechenden Algorithmen zur autonomen Durchführung komplexer Missionen ausgestattet sein. Der Nachweis der Zuverlässigkeit dieser Hard- und Software unter realen Umgebungsbedingungen stehe im Vordergrund der gemeinsamen Entwicklungsarbeiten, heißt es.

Neben der Logistik an Land gehört zu dem Testzentrum für maritime Technologien ein Testfeld unmittelbar vor der Insel, das mit einer Fläche von einigen Quadratkilometern und einer Wassertiefe von bis zu 45 m viel Raum für verschiedenste Erprobungsszenarien bietet. Eine Kennzeichnung des Areals für die Schifffahrt mit entsprechenden Tonnen sei im Frühjahr 2020 geplant.

Bei der Eröffnung wurde die erste »Tonne« dann auch durch Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik – mit Blick in die Zukunft des Vorhabens – gemeinsam symbolisch »getauft«. Die beiden Institutsleiter des Fraunhofer IFAM, Matthias Busse und Bernd Mayer sind sich einig, dass das Testzentrum die jahrelangen maritimen Forschungsaktivitäten des Instituts auf Helgoland zu Korrosions- und Bewuchsschutz hervorragend ergänzt. Insbesondere die neuen Themen wie die Elektrifizierung von Schiffsantrieben, die Zuverlässigkeit und Effizienz von Antriebssystemen für Unterwasserfahrzeuge und elektrische Energiespeicher für Über- und Unterwasseranwendungen gewännen dabei an Bedeutung.

Auch der Teamleiter für Maritime Robotik des DFKI Robotics Innovation Center, Leif Christensen ist sich sicher: »Künstliche Intelligenz und Robustheit sind Kernfunktionen für Unterwasserroboter. Mit diesen Systemen wird es möglich sein, nachhaltig maritime Ressourcen zu bewirtschaften, Sicherheit und Zuverlässigkeit maritimer Energieproduktion aufrechtzuerhalten und eine gezielte, langfristige Erforschung maritimer Lebensräume zu gewährleisten. Dieses Forschungsareal wird es uns ermöglichen, die Labormuster und Prototypen zu praktisch einsetzbaren Produkten weiterzuentwickeln und der Wertschöpfungskette zuzuführen. Daraus wiederum werden sich neue Fragen und Problemstellungen für die Wissenschaft ergeben, die einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung der Künstlichen Intelligenz leisten.«

Land Bremen unterstützt das Testzentrum

Unterstützung kommt auch aus Bremen. Heide Ahrens, Leiterin der Abteilung Hochschulen und Forschung des Bremer Wissenschaftsressorts betont, dass die Freie Hansestadt Bremen mit ihren beiden Städten Bremen und Bremerhaven ein starker Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort im maritimen Sektor ist. »Die Maritime Wirtschaft des Landes liefert High-Tech Produkte unter anderem für den Schiffbau, die Häfen, die Marine und die Offshore-Industrie, einschließlich der Offshore-Windenergie.« Sie hätten für das Land Bremen mit ihrer Vielzahl an Wertschöpfungsketten an der Schnittstelle von Industrie und Dienstleistungen eine hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung. Die Stärken der Maritimen Wirtschaft gelte es, in Kooperation mit den Forschungseinrichtungen, zu festigen und den Stellenwert in einem maritim ausgerichteten Europa zu erhöhen.

Erstes Projekt befasst sich mit Offshore-Strukturen

Konkrete Pläne für ein erstes Projekt im Testzentrum gibt es bereits: In einem öffentlich geförderten Projekt soll zusammen mit einem Industriekonsortium unter Führung der Firma Vallourec Deutschland ein neuartiges Gründungsverfahren für Tragstrukturen von Offshore-Windkraftanlagen erprobt werden. Es kommt ohne Rammschall aus, sodass die empfindlichen Meeressäuger nicht beeinträchtigt werden. Die dabei im Testfeld entstehende Stahlstruktur soll über das Projekt hinaus als Prüfkörper und Testplattform weiteren Nutzern zugänglich gemacht werden.

Darüber hinaus können Unternehmen, die für die Entwicklung robuster und zuverlässiger Systeme geeignete Testumgebungen suchen, das Know-how sowie das Dienstleistungsangebot des Testzentrums für maritime Technologien nutzen. Angeboten wird die Planung, Durchführung und Auswertung für anwendungsbezogene Leistungsbewertungen im Testfeld. Zusätzlich können erfahrene Techniker in den Bereichen Logistik, Engineering, Werkstatt und Leitstand zur Verfügung gestellt werden.