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Auf dem Ärmelkanal ist kürzlich eine Ära zu Ende gegangen, denn mit der Außerbetriebnahme der beiden Schwesterschiffe »Pride of Kent« und »Pride of Canterbury« verkehren nun erstmalig seit 48 Jahren keine RoPax-Fährschiffe mit dem Bauschild einer Bremerhavener Werft auf dem kurzen Seeweg zwischen Frankreich und England.

Auf dem Ärmelkanal stellen die drei Fährgesellschaften DFDS, Irish Ferries und P&O Ferries mehrfach täglich eine Verbindung mit RoPax-Fährschiffen sicher.[ds_preview]

Durch die Indienststellung der weltweit größten Doppelendfähre »P&O Pioneer« in diesem Jahr und des baugleichen Schwesterschiffes, die bis zum Jahresende in Fahrt kommende »P&O Liberté«, nahmen die Briten nun die beiden ältesten Einheiten, die beiden zwischen 1991 und 1992 bei der Schichau Seebeckwerft (SSW) in Bremerhaven erbauten Fähren außer Dienst.

Bremerhaven, Pride of Canterbury
© Eckardt

Bereits Anfang Oktober verlies die 179 m lange »Pride of Kent« den Ärmelkanal mit Kurs auf den türkischen Abwrackhafen Aliaga. Das gleiche Schicksal droht in absehbarer Zeit vermutlich auch der derzeit in Tilbury noch aufgelegten Schwester »Pride of Canterbury«. Schon am Jahresanfang war das dritte Schwesterschiff aus dieser Bauserie, die »Pride of Burgundy« zur Verschrottung übergeben. Einzig das vierte Schiff aus dieser Serie, die »Pride of Seaways« verkehrt weiterhin. Nach einem umfangreichen Umbau Anfang des Jahres ist es derzeit unter dem Namen »Blue Wave Harmony« als Frachtfähre zwischen Costa Rica und El Salvador im Einsatz.

Bis auf die »Pride of Burgundy« wurden alle drei Schwesterschiffe ursprünglich als Frachtfähren für einen Dienst zwischen Dover und Zeebrügge für P&O Ferries erbaut. Die damalige Kapazität der drei Schiffe betrug 120 LKW und 220 Passagiere. Doch wurde die »Pride of Burgundy« noch während der Bauzeit 1993 auf der Bremerhavener Werft als reine Passagierfähre für den Dienst zwischen Dover und Calais konzipiert.

Im Dezember 2002 bis Frühjahr 2023 wurden die als »European Highway« und »European Pathway« erbauten Schwesterschiffe im Rahmen des Projektes Darwin auf der Lloyd Werft in Bremerhaven umfangreich zu Passagierfähren umgebaut. Danach konnten sie rund 2.000 Passagiere sowie 650 PKW bzw. 120 LKW transportieren. Bis zuletzt verkehrten beide Schiffe, nach dem Umbau umbenannt in »Pride of Kent« und »Pride of Canterbury«, durchgängig 20 Jahre auf der kürzesten Strecke zwischen Frankreich und England.

»Bremerhaven-Ära« startete in den 70er-Jahren

Die Zeit der Bremerhaven-Bauten in diesem Seegebiet startete Mitte der 70er Jahre, als die Werft Schichau-Unterweser bis 1978 vier Frachtfähren für die 1965 gegründete Fährreederei Townsend Thoresen für einen Dienst zwischen Dover und Zeebrügge fertigte. Die Reederei war von der Qualität der Schiffe sehr überzeugt, so dass schon 1978 drei legendäre Schwesterschiffe aus der »Spirit« für den Fährdienst Dover-Calais bestellt wurden.

Die im Jahr 1980 abgelieferten Schwestern »Spirit of Free Enterprise«, »Pride of Free Enterprise« und die »Herald of Free Enterpriese« fielen vor allem durch ihr modernes Aussehen auf, das von dem britischen Schiffsarchitekten James Ayers entworfen wurde. Die neue Schiffsklasse verkehrte mit bis zu 23 n zwischen Dover und Calais und benötigte somit nur noch 75 Minuten für eine Fährpassage. Nach der Indienststellung der drei Fähren erhielt Schichau-Unterweser Mitte der 80er Jahre noch einen weiteren spektakulären Umbauauftrag der Reederei für vier Bestandsschiffe aus der »Free Enterprise-Serie«. Zur Erhöhung der Transportkapazität wurden bei den Fähren, die auf verschiedenen Routen im Ärmelkanal zum Einsatz kamen, die bestehenden Aufbauten von dem alten Rumpf abgetrennt und auf einen neuen, vorgefertigten Schiffsrumpf aufgesetzt.

Inmitten der Bauphase der größten jeweils von der Schichau Werft erbauten Fährschiffe »Pride of Calais« und »Pride of Dover«, die aus Kapazitätsgründen auf dem Helgen vom Bremer Vulkan produziert wurden, sank das Thoresen-Fährschiff »Herald of Free Enterprise« am 6. März 1987 vor dem belgischen Hafen Zeebrügge. Bei dem größten Fährunglück im Ärmelkanal starben 193 Menschen, da das Bugtor zu spät geschlossen wurde. Im weiteren Verlauf wurde im selben Jahr die Reederei aufgelöst und durch die neu gegründete P&O European Ferries ersetzt und alle bisherigen Schiffe von Townsend Thoresen wurden durch die neue Gesellschaft übernommen, darunter eben auch die im Bau befindlichen »Pride of Dover« und »Pride of Calais«. 2002 wurde aus P&O European Ferries dann die bis heute aktive Reederei P&O Ferries, die seit 2019 zu der in Dubai ansässigen Dubai Ports World gehört.

Zwischen 1965 und 2001 wurden bei den Bremerhavener Werften Rickmers, Schichau-Unterweser als auch auf der Seebeckwerft rund 50 Fracht- und Passagierfähren für unterschiedliche Kunden und Einsatzgebiete erbaut. Noch heute sind davon rund 15 in Fahrt, so auch die beiden 1986 auf der Seebeck-Werft erbauten 161 m langen Jumbo-Fähren »Nils Holgerson« und »Peter Pan«.

Diese verkehren nach mehreren Eigentümer- und auch Namenswechseln noch immer im regelmäßigen Nordseefährdienst zwischen Ijmuiden und Newcastle für die dänische Reederei DFDS als »King Seaways« und »Princess Seaways«. Ein Austausch der Fähren dort ist in absehbarer Zeit nicht vorgesehen.   (CE)