Niels Hartmann
Niels Hartmann (© Hartmann Group)
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Die Hartmann Group aus Leer widmet sich nach der geglückten Refinanzierung der Flotte wieder verstärkt neuen Projekten. Nach Gastankern sollen bald auch Containerschiffe und Bulker gebaut werden, sagt CEO Niels Hartmann im Interview mit der HANSA[ds_preview]

In einigen Schifffahrtssegmenten gab es eine erstaunliche Erholung. Die Charterraten liegen so hoch wie seit Jahren nicht. Macht Ihnen Schifffahrt jetzt wieder richtig Spaß?

Niels Hartmann: Die letzten Jahre waren schon von Frustrationen geprägt, insofern macht es heute tatsächlich wieder mehr Spaß. Von den Einnahmen her haben alle Märkte für uns ins Positive gedreht. Dazu kommt die steigende Dynamik bei der Entwicklung emissionsarmer Antriebsformen. Das ist zusammen eine spannende Kombination.

Es gibt wieder mehr Möglichkeiten für neue Projekte?

Hartmann: Ja, in vielen Bereichen herrscht Aufbruchstimmung, nachdem es zuvor ein Jahrzehnt lang mehr oder minder Stillstand gab. Egal, ob mit oder ohne Corona, die Verkehrsnachfrage hat endlich die Flottenkapazität eingeholt. Im Zyklus der Schifffahrt geht es wieder aufwärts. Es gibt viel Bedarf für neue Schiffe, aber nun bilden die Werften den Flaschenhals. Es fehlt an Bauplätzen. Die Situation erinnert an die mittleren 2000er Jahre. Es gibt Finan­zierungen, Kunden und Ideen, aber nicht genug Baukapazität.

Wie würden Sie die wirtschaftliche Lage der Hartmann Gruppe beschreiben?

Hartmann: Als sehr solide. In unseren Kernmärkten Gas, Dry Bulk und Zement läuft es sehr gut. Wir können uns in keiner Weise beschweren.

Vor einem Jahr gelang Ihrer Gruppe eine Refinanzierung des Großteils der Flotte, nach langwierigen Verhandlungen, wie zu hören war. Müssen Sie sich jetzt gar keine Gedanken mehr über notleidende Schiffsfinanzierungen machen?

Hartmann: Die »Distressed«-Themen sind für uns vom Tisch, abgesehen von einigen kleinen »Restarbeiten«. Im Prinzip konzentrieren wir uns jetzt auf neue Projekte und auf den Weg nach vorn. Das ist ein Paradigmenwechsel, nachdem wir uns in den vergangenen Jahren viel mit Altlasten beschäftigen mussten.

Vor einem Jahr sahen die Märkte noch völlig anders aus. War es insofern in der Rückschau ein günstiger Zeitpunkt für die Refinanzierung und die damit zusammenhängenden Bewertungsthemen?

Hartmann: Im Prinzip schon. Wobei es ein Glück für uns war, dass wir die Einigung zur Refinanzierung noch direkt vor dem Lockdown abschließen konnten. Das wäre ein paar Wochen später sehr viel schwieriger gewesen. Andererseits waren die Erwartungen an die Markt- und Einnahmenentwicklung in der Schifffahrt zu dem Zeitpunkt noch deutlich gedämpft. Auf jeden Fall haben wir einen guten internationalen Partner für die Finanzierung gefunden. Das erste Jahr ist sehr gut gelaufen.

Seit dem vergangenen Jahr haben Sie einige neue Projekte nachgelegt, sowohl Neubauten als auch Secondhand-Schiffe. Der Fokus liegt dabei auf Gastankern …

Hartmann: Das ist für uns nun mal ein sehr wichtiges Segment, in dem unheimlich viel passiert und wo wir auch ideal positioniert sind. Wir haben mit Gas­Chem einen guten Marktzugang und mit unserer technischen Abteilung in Leer sowie mit Hunte Engineering sehr fortschrittliche Schiffstypen im Angebot. Das sind sicher die effizientesten Gastanker, die es heute gibt.

Aber auch in den vergangenen Jahren wurden große Projekte realisiert, wenn Sie an die GasChem-Beluga-Tanker denken und an die VLEC. Jetzt gibt es mehrere Projekte, an denen wir arbeiten, alle mit alternativen Antriebstechnologien. Das beschränkt sich bislang noch auf LNG mangels anderer Technologien und Treibstoffe. Konkret geht es um drei kleinere LPG-Tanker mit 5.000 tdw Kapazität. Sie basieren alle auf der Technologie der GasChem-Beluga-Typen mit Gas als Treibstoff, neuartigen Tanksystemen und neuen Rumpfformen, werden aber mit LPG betrieben und könnten in der Zukunft auch für den Methanol- oder Ammoniak-Betrieb umgerüstet werden. Zusätzlich arbeiten wir am Standort Leer intensiv an Ammoniak als Kraftstoff.

Sie sprechen von der Kooperation mit dem Handelsunternehmen OCI sowie MAN Energy Solutions?

Hartmann: Ja, diese Kooperation ist besiegelt. MAN entwickelt die Motorenanlagen, OCI ist einer der größten Hersteller und Lieferanten, wobei es künftig vor allem um »Green Ammonia« gehen soll. Bei der Distribution des Stoffs kommen wir dann ins Spiel mit Schiffen, die zudem selbst mit Ammoniak betrieben werden. Aus unserer Sicht ist das die erfolgversprechendste Möglichkeit für einen emissionsfreien Schiffsbetrieb. Ammoniak vereint viele Vorteile, lässt sich gut verbrennen und auch sicher lagern, auch wenn es gewisse Tücken gibt. Es muss jetzt darum gehen, ein belastbares Vertriebsnetz weltweit aufzubauen, dazu wäre OCI sicher in der Lage.

Um wie viele Schiffe geht es denn bei dieser Kooperation?

Hartmann: Das ist nicht genau definiert. Es geht zunächst einmal darum, einen solchen Schiffstyp zur Marktreife zu bringen. Wenn er Akzeptanz findet, gibt es theoretisch einen Riesenmarkt dafür.

Für Reedereien, die heute neue Schiffe benötigen, ist das noch keine Option. Worauf setzt man in der Zwischenzeit?

Hartmann: LNG ist sicher eine berechtigte Brückenlösung. Das Problem dabei ist der Methanschlupf, aber den kann man technologisch in den Griff bekommen. Wir machen das seit Jahren mit unseren Gas Chem-Beluga-Typen vor. Das andere Thema ist der Methanschlupf innerhalb der Produktions- und Lieferkette, auf die wir natürlich keinen Einfluss haben. Unterm Strich sollte der LNG-Betrieb schon zu einer deutlichen Einsparung bei Treibhausgasemissionen führen. Ein Schiff heute noch mit rein konventionellem Antrieb ganz ohne Alternative zu bestellen, halte ich nicht für sinnvoll, weil dann ja ein Einsatz bis 2050 sichergestellt werden muss. In diesem Zeitraum wird die Absenkung der Emissionen zu einer Haupt-anforderung.

Kommen wir mal zu anderen Flottensegmenten: Containerschiffen und Bulk Carriern. Da gab es zahlreiche Abverkäufe bei Ihnen. Ist die Konsolidierung beendet?

Hartmann: Ja. Es gibt natürlich weiter An- und Verkäufe von Schiffen, das ist ganz normal, aber die Restrukturierung in diesen Segmenten ist abgeschlossen.

Denken Sie denn an Zukäufe?

Hartmann: Sicherlich. Bei unserer Bulker-Flotte bei UBC (United Bulk Carriers) müssen wir uns in den nächsten Jahren um eine Erneuerung kümmern. Der Zeitpunkt, neue Schiffe zu bestellen, ist aber noch nicht gekommen, auch aufgrund der eben genannten Unsicherheit über die Antriebstechnologie der Zukunft. Wir wissen noch nicht, wo die Reise bei den kleinen Bulkern hingeht. Wir arbeiten allerdings an einigen vielversprechenden Projekten für Containerschiffe im Feedersegment, die zeitnah realisiert werden könnten, aber nicht unbedingt direkt bei uns auf der Bilanz. Auch hier in Verbindung mit neuen Technologien. Wichtig für uns dabei sind starke Partner aus dem Operating und langfristige Charterbeschäftigungen.

Welche Rolle spielt Hartmann Shipping Asia als kommerzieller Manager für Containerschiffe noch für Sie, vor ein paar Jahren gab es eigene Feeder-Dienste …?

Hartmann: Das Team ist weiterhin für das Chartering unserer Containerschiffe verantwortlich, allerdings vornehmlich aus Deutschland heraus. Am Standort Singapur haben wir unsere Präsenz stark verringert, auch weil sich herauskristallisiert hat, dass unsere Charterer meist eher einen europäischen Background haben. Die eigenen Feeder-Dienste in Südostasien haben wir schon vor längerer Zeit eingestellt. Es war seinerzeit die beste Lösung für den Einsatz der Schiffe, weil es keine andere auskömmliche Beschäftigung gab. Um in dem Segment dauerhaft erfolgreich zu sein, muss man aber eine gewisse Größe haben. Wir konzentrieren uns jetzt lieber auf die eigene Befrachtung im Gastanker- und im Trockenfrachtsegment.

Über Secondhand-Ankäufe von Containerschiffen brauchen Sie sich wohl kaum Gedanken machen, nachdem die Linien den Markt leergekauft haben?

Hartmann: Der Zeitpunkt für den Einstieg ist vorbei. Entweder es gibt gar keine Schiffe mehr oder Sie müssen Mondpreise dafür bezahlen. Jetzt spekulativ einzusteigen in der Hoffnung, ein Schiff vielleicht in einem Jahr noch einmal teurer verkaufen zu können, halte ich für sehr gewagt. Insofern können wir uns nur neue gute Projekte überlegen, und dafür brauchen wir langfristige Partner und Beschäftigungsverträge.

Und in der Dry-Bulk-Schifffahrt? Mit UBC sind Sie im Handysize-Markt im Atlantik als Operator etabliert. Große Bulker spielen für Sie keine Rolle mehr?

Hartmann: Die Erneuerung der Flotte bei UBC ist das nächste Vorhaben, auf das wir uns konzentrieren. Da haben wir eine gute Marktposition, die wir gegen andere verteidigen können, und einen loyalen Kundenstamm. Das Segment hat sich durch die ganze Krise hindurch wacker gehalten. Die Caper und Baby-Caper allerdings, die in den 2000er Jahren dazukamen, haben nicht unbedingt ins Portfolio gepasst. Das waren eher Opportunitäten. Da konnten wir mit unseren eigenen Ressourcen keine wirkliche Marktpräsenz in kommerzieller Hinsicht entwickeln. Wenn wir in der Zukunft noch einmal in große Bulker investieren sollten – was ich nicht ausschließe, aber aktuell auch nicht plane – dann nur zusammen mit einem starken Befrachtungspartner.

Nun gibt es noch einige andere Schiffstypen wie Shortsea- und MPP-Frachter, die Sie weiterhin technisch betreuen. Fallen diese Segmente auf Dauer auch eher weg, weil Ihnen die kritische Größe fehlt?

Hartmann: Nein, wir haben die Diversifikation in der technischen Bereederung immer als eine unserer Stärken begriffen. Das macht unsere Kompetenz aus und das soll auch so bleiben. Wenn es sich um Bereiche außerhalb der Gastanker- und Trockenfahrt handelt, in denen wir keine eigene Befrachtung unterhalten, gilt dasselbe wie für große Bulker – wir setzen dafür auf Partner, die wir als gut und zuverlässig erachten. Auf der rein technischen Ebene werden sich für uns als Manager oder Owner in den kommenden Jahren viele Möglichkeiten bieten, gerade weil die technologischen Umwälzungen im Zuge Dekarbonisierung neue Lösungen verlangen. Daher werden auch Operator/Befrachter für Kooperationen offen sein.

Interview: Michael Hollmann

Gaschem Beluga quer