Norbert Aust, Handelskammer, Hamburg, Hafen
Norbert Aust (© Handelskammer)
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Die Pläne der EU für eine maritime Energiewende decken sich nach Einschätzung der norddeutschen Handelskammern (IHK Nord) nicht mit der Realität. Man fordert mehr Zeit und Flexibilität.[ds_preview]

Die europäische Union will die Seeschifffahrt im Rahmen des »Fit for 55«-Pakets klimafreundlicher zu gestalten. Die zu dem Maßnahmenpaket gehörende Verordnung FuelEU Maritime zur Förderung kohlenstoffarmer Treibstoffe wuird derzeit vom Europäischen Parlament diskutiert. Mit dieser Verordnung schlägt die Europäische Kommission verbindliche Reduktionsziele für die Begrenzung der Treibhausgasintensität der an Bord von Seeschiffen verbrauchten Energie vor.

»Was Brüssel hier plant, ist nichts Geringeres als eine maritime Energiewende. Die Realität sieht jedoch anders aus. 98 % der Welthandelsschiffe nutzen konventionelle Treibstoffe. Also müssen alternative Treibstoffe schneller marktfähig werden«, sagt Norbert Aust, Vorsitzender der IHK Nord. Die Nutzung von LNG sei ein Schlüssel, der den Weg bereite perspektivisch Wasserstoff in der Schifffahrt zu etablieren. Dass LNG schnell nutzbar gemacht werde, sei in Anbetracht der aktuellen politischen Lage in Europa dringlicher denn je. Konkrete Planungen an norddeutschen Standorten müssten so schnell wie möglich umgesetzt werden. »Um kleineren Reedereien zu ermöglichen, die immensen Investitionen über einen längeren Zeitraum zu stemmen, brauchen wir eine Begrenzung der Verordnung auf die Big Player«, so Aust.

Angesichts der häufig sehr langen Nutzungsdauern von Schiffen sollten Umrüstungen bestehender Motoren seiner Meinung nach in den Fokus genommen werden, um schnell substanzielle Emissions-Reduktionen zu erzielen. Ein Beispiel hierfür sei die Verbrennung von Wasserstoff in umgerüsteten Dieselmotoren. Im Rahmen von Dual-Fuel-Konzepten könne hierbei auf konventionellen Marinediesel zurückgegriffen werden, sofern nicht genügend Wasserstoff zur Verfügung stehe. Die gesetzlichen Vorgaben für Reduktionsziele dürften die Anwendung solcher flexibler Technologien nicht behindern, sondern sollten sie im Idealfall sogar fördern, meint Aust.

Die Verordnung sieht auch vor, zukünftig die Nutzung von Landstrom an europäischen Häfen verpflichtend zu machen. Ab dem Jahr 2030 sollen Schiffe, die sich mehr als zwei Stunden an europäischen Häfen aufhalten, den gesamten Energiebedarf am Liegeplatz aus Landstrom decken.

»Die Ausweitung der europaweiten Nutzung von Landstrom begrüßen wir, schließlich bietet der Landstrom enorme Vorteile für die Häfen. Allerdings ist die Ausrüstung dafür mit hohen Investitionen verbunden. Der europäische Vorschlag hätte zur Folge, dass Investitionen in Milliardenhöhe allein an den ca. 550 deutschen Liegeplätzen notwendig würden. An welchen Standorten in Norddeutschland die Nutzung von Landstrom sinnvoll ist, sollte unter Beachtung der lokalen Erfordernisse im Einzelfall geprüft werden. Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene für Flexibilitätsvorschriften ein«, so Aust abschließend.